Starke Zebras erkämpfen sich in der Hauptstadt einen verdienten Punkt

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Starke Zebras erkämpfen sich in der Hauptstadt einen verdienten Punkt

Spannung bis zur letzten Sekunde, ein Handballspiel mit allen Zutaten, die die Fans in der Halle und vor den Fernsehschirmen lange vor dem Schlusspfiff von den Sitzen rissen: Am Ende dieses Krimis der LIQUI MOLY Handball-Bundesliga in der mit 9000 Zuschauern rappelvollen Max-Schmeling-Halle trennten sich die Füchse Berlin und der THW Kiel mit 32:32 (18:18). Dabei kämpften sich die Zebras nach einem 0:5-Fehlstart in die Partie, lieferten den weiterhin zu Hause ungeschlagenen Füchsen einen harten Schlagabtausch. Am Ende drehte der THW Kiel einen 30:32-Rückstand noch in einen Punktgewinn, weil der abschließende Freiwurf von Lasse Andersson von der Kieler Mauer erfolgreich geblockt wurde.

Kieler tanken Selbstvertrauen

Nach 60 packenden Minuten war es ein gerechtes Unentschieden. Die Zebras, unterstützt von einigen hundert lautstarken Anhängern, entführten diesen Punkt vom Titelaspiranten hochverdient und leisteten zugleich Schrittmacherdienste im Meisterrennen für den Tabellenführer SC Magdeburg. Der DHB-Pokalsieger führt jetzt mit zwei Punkten und dem besseren Torverhältnis vor den Füchsen. Berlins frisch gekürter Welthandballer Mathias Gidsel, mit zwölf Toren überragender Angreifer auf dem Feld, wollte seine Enttäuschung nicht verbergen: "Wir wollten Meister werden, die Chance haben wir aber heute verloren." Neben Gidsel war bei den Gastgebern Torhüter Dejan Milosavljev der auffälligste Akteur. Der Serbe hielt insgesamt 16 Bälle, machte auch zwei Siebenmeter von Niclas Ekberg unschädlich. Dennoch klopften die Kieler an die Tür zum Sieg, kämpften sich nach einem Fehlstart mit überragender Mentalität zurück in die Partie, waren über weite Strecken das bessere Team und sammelten zugleich viel Selbstvertrauen für das Viertelfinale in der Champions League.

Junge Kieler reißen das Zepter an sich

Bei den Zebras indes ragten im Angriff vor allen Dingen die jungen Spieler und ein Routinier heraus: Elias Ellefsen á Skipagötu brachte viel Tempo in die Partie, erzielte bis zu seinem verletzungsbedingten Ausscheiden (Kniebeschwerden) drei Treffer. Karl Wallinius machte gegen die äußerst harte Defensive der Berlin Druck, kassierte jede Menge Wirkungstreffer, traf aber zwei Mal und holte Siebenmeter heraus. Herausragend war Eric Johansson, der mit sieben Treffern gemeinsam mit Ekberg bester Torschütze der Kieler war. Seine Treffer aus dem in der Schlussphase erfolgreich vorgetragenen Sieben-gegen-Sechs halfen den Zebras enorm. Basis für den starken THW-Auftritt war indes die unglaubliche Abwehrleistung um Kapitän Domagoj Duvnjak, den wieder einmal auftrumpfenden Steffen Weinhold und den Innenblock aus Hendrik Pekeler, Petter Överby und Patrick Wiencek..

Mrkva meldet sich erkrankt ab

Dabei war die Vorbereitung auf die Partie alles anderes als einfach. Viele Kieler Spieler waren angeschlagen, so lag Rune Dahmke die Woche über krank im Bett. Dennoch stellte er sich in den Dienst der Mannschaft, weil Linksaußen-Kollege Magnus Landin wegen eines Handbruchs pausieren weiterhin muss. Nach dem Warmmachen meldete sich dann auch noch Torhüter Tomas Mrkva erkrankt ab. So musste Samir Bellahcene zwischen die Pfosten, zeigte auch gleich einige schöne Paraden. Aber den Fehlstart der Zebras konnte auch er nicht verhindern. Vor allen Dingen im Angriff kamen die Kieler schlecht aus den Startlöchern, leistete sich zu Beginn technische Fehler, scheiterte mehrfach am guten Milosavljev im Tor und lagen nach sieben Minuten mit 0:4 zurück. Grund genug für Trainer Filip Jicha, eine frühe Auszeit zu nehmen. Er nutzte sie, um seine Mannschaft mit einem Donnerwetter wachzurütteln: Jicha forderte Konzentration und Emotionen und reagierte früh mit einem Wechsel, brachte für den auf die Zähne beißenden Harald Reinkind auf der Rückraum-Linkshänderposition Routinier Steffen Weinhold. Der fügte sich sofort positiv in das THW-Spiel ein, machte viel Dampf machte und belebte das Spiel.

Kieler rücken den Füchsen auf den Pelz

Das 0:5 durch Marsenic fiel dennoch gleich im Anschluss an die Jicha-Standpauke. Dann aber fanden die Zebras endlich ins Spiel: Johansson bediente Hendrik Pekeler, und Kiels Kreisläufer erzielte in der 8. Minute das THW-Premierentor. Es war zugleich der Auftakt für eine großartige Aufholjagd. Wiencek nutzte das Weinhold-Anspiel zum 2:5. Wenig später war Weinhold selbst erfolgreich, verwandelte in Überzahl das gelungene Anspiel von Nikola Bilyk zum 6:3- Zwischenstand. Die Zebras suchten und fanden jetzt ihren Rhythmus. Andersson traf zwar zum 7:3, doch der folgende Kieler 3:0-Lauf machte das Spiel offen: Innerhalb von zwei Minuten waren die Zebras den Füchsen auf den Pelz gerückt. Die Torschützen: Johansson, Domagoj Duvnjak und Ekberg, der von der Siebenmeterlinie traf. 7:6 hieß es nach 15 Spielminuten, und die schwarz-weiße Körpersprache machte den Gastgebern jetzt mehr als deutlich, dass der THW Kiel zurück ist.

Der THW Kiel ist im Spiel

Das Spiel nahm mehr und mehr Fahrt auf, wurde ein echter Handballkracher. Probleme hatte Kiels Abwehr vor allem mit Gidsel, der seine Klasse mehrfach demonstrierte. Dafür schränkte man die Wege von Andersson ein, und der THW konnte sich auf Torhüter Bellahcene verlassen: Der Franzose hatte seine Hände mehrfach gegen Andersson und Darj im Spiel. Vorne setzte Filip Jicha in der Folge auf Elias Ellefsen á Skipagötu und auf den Schweden Karl Wallinius, die beide neuen Schwung in die Partie brachten. Wallinius verkürzte in der 25. Minute aus dem Rückraum zum 13:14, "Skippy" ließ den THW-Anhang wenig später nach einem grandiosen Soloritt jubeln: 14:14, der erste Ausgleich für den THW Kiel! Gidsel und Darj brachten Berlin zwar erneut in Front, doch nach dem Kracher von Johansson zum 16:16 ließ Bellahcene eine Glanzparade gegen Andersson folgen: Överby holte in der immer hitzigeren Atmosphäre einen Siebenmeter heraus, den Ekberg in der 29. Minute kaltschnäuzig zur ersten THW-Führung versenkte: 17:16. Die abermalige THW-Führung egalisierte dann Fabian Wiede zum 18:18-Halbzeitstand. 

Füchse sind am Drücker

Ekberg startete den Torreigen der zweiten Spielhälfte dann mit seinem Treffer von Rechtsaußen zum 19:18 - in Unterzahl, weil Wiencek kurz vor dem Wechsel eine unberechtigte Zeitstrafe erhalten hatte. Nicht die einzige unglückliche Entscheidung des Top-Schiri-Gespanns Tanja Kuttler/Maike Merz an diesem Nachmittag auf der großen Bühne. Doch davon unbeirrt ging es jetzt erneut hin und her. Beide Abwehrreihen warfen sich in die Zweikämpfe, das Bundesliga-Spitzenspiel wurde seinem Namen weiterhin vollauf gerecht, die Zuschauer hielt es nicht mehr auf ihren Sitzen. Sie staunten über die Wurfkraft von Johansson, der die Zebras in der 43. Minute zum 25:24 nach vorne warf. Die THW- Fans bejubelten den großartigen Dreher von Hendrik Pekeler, der Berlins Torhüter von Halblinks ins Leere laufen ließ. Langsam bog das Spiel auf die Zielgerade, und urplötzlich waren die Berliner in der Pole Position: Weil Milosavljev erst einen Siebenmeter von Ekberg hielt, die Zebras einmal mehr in Unterzahl agieren mussten und Gidsel einen 3:0-Lauf der Füchse mit einem Wurf ins leere Tor vollende.

Zebras kontern zum Unentschieden

Beim Stand von 30:28 für die Gastgeber drückte Jicha auf den Buzzer, nahm eine Auszeit. Ging fortan mit dem siebten Feldspieler „All In“. Johansson traf, aber als der Schwede das Berliner Tor in Bedrängnis knapp verfehlte, über den Kasten warf, schien eine Vorentscheidung zugunsten der Gastgeber gefallen zu sein. Doch erst stand Gidsel beim vermeintlichen 32:29 im Kreis, dann stoppte Samir Bellahcene den Wurf von Andersson. Den erneuten Zwei-Tore-Vorsprung durch Wiedes 32:30 konterte dann Nikola Bilyk. Kiels Abwehr wurde zum Bollwerk, erkämpfte sich den Ball, dann hielt Bellahcene gegen Tollbring: Johansson hämmerte das Spielgerät zum 32:32 in die Berliner Maschen, da waren aber noch 40 Sekunden zu spielen. Also doch kein schwarz-weißes Happyend in der Hauptstadt? Doch. Denn mit allem, was noch in den Körpern steckte, wurde dieser letzte Berliner Angriff verteidigt. Und selbst der regelwidrige „doppelte Freiwurf“ – Gidsel hatte den Ball nach der Sirene aus der Hand rollen lassen und damit den Freiwurf eigentlich bereits ausgeführt – konnte daran nichts mehr ändern: Anderssons Wurf landete in der vielarmigen Kieler Abwehr. 

THW Kiel reist zum „Spiel des Jahres“ nach Montpellier

Der Rest war Freude in Schwarz. Über einen Punktgewinn in Berlin, der den Kielern viel Selbstvertrauen mit auf den Weg nach Frankreich geben wird. Denn nach dem Berlin-Spiel bleibt den Zebras nicht viel Zeit zur Vorbereitung auf das Viertelfinal-Hinspiel in der Machineseeker EHF Champions League: Die Partie bei Montpellier HB in Südfrankreich wird bereits am Mittwoch, 24. April, um 20:45 Uhr angepfiffen. Nach einer Einheit am Montag reisen die Kieler am Dienstag in die 1600 Kilometer entfernte Mittelmeer-Metropole und werden dort am Abend auch ihr Abschluss-Training bestreiten. Das erste "Spiel des Jahres" wird live bei Dyn und DAZN zu sehen sein. Für das Rückspiel in Kiel am Donnerstag, 2. Mai (18:45 Uhr) gibt es noch Karten bei CITTI, in der THW-FANWELT und online unter www.thw-tickets.de. Weiter geht’s in Montpellier, Kiel!

Text: Reimer Plöhn / Fotos: foto-laechler.de

LIQUI MOLY Handball-Bundesliga, 29. Spieltag: Füchse Berlin - THW Kiel 32:32 (18:19)

Füchse Berlin: Kireev (1 Siebenmeter, keine Parade), Milosavljev (1.-60., 16/2 Paraden); Wiede (2), Darj (1), Tollbring (4), Andersson (4), Lichtlein (1), Lindberg (5/2), Gidsel (12), Freihöfer (1), Langhoff, av Teigum, Kopljar, Jacobs, Marsenic (2), Drux; Trainer: Siewert
THW Kiel: Mrkva (n.e.), Bellahcene (1.-60., 10 Paraden); Ehrig (n.e.), Duvnjak (1), Reinkind, Øverby, Weinhold (2), Wiencek (2), Ekberg (7/4), Johansson (7), Dahmke (2), Szilagyi (n.e.), Wallinius (2), Bilyk (2), Pekeler (4), á Skipagøtu (3); Trainer: Jicha

Schiedsrichter: Tanja Kuttler / Maike Merz
Siebenmeter: Berlin: 2/2/ THW: 6/4 (Milosavljev hält 2x Ekberg (22., 49.))
Zeitstrafen: Berlin: 5 (Gidsel (11.), Wiede (36.), 2x Andersson (42., 47.), Tollbring (43.)) / THW: 6 (2x Duvnjak (2., 46.), Pekeler (14.), á Skipagøtu (17.), 2x Wiencek (30., 50.))
Spielfilm: 1. Hz.: 5:0 (7.), 5:2 (8.), 7:3 (12.), 7:6 (15.), 10:9 (19.), 14:12 (25.), 14:14 (26.), 16:15 (28.), 16:17 (29.), 17:18, 18:18;
2. Hz.: 18:19 (31.), 21:22 (40.), 23:22 (41.), 23:24, 24:25 (45.), 27:26 (47.), 27:28, 30:28 (52.), 32:30 (58.), 32:32.
Zuschauer: 9000 (ausverkauft) (Max-Schmeling-Halle, Berlin)

Stimmen zum Spiel: 

THW-Trainer Filip Jicha: Ich habe ein sehr intensives, brutales Spiel gesehen, in dem um jeden Zentimeter gekämpft wurde. In einem Spitzenspiel braucht man eine hohe Effektivität, um zu gewinnen. Die hatten wir anfangs nicht. Ich musste meine Mannschaft zu Beginn ein wenig wachrütteln, damit wir auch das zeigen, was wir uns vorgenommen hatten. Ich bin stolz auf meine Mannschaft, weil die Vorbereitung auf dieses Spiel sehr schwierig war. Viele waren krank, viele waren angeschlagen und haben sich trotzdem in den Dienst der Mannschaft gestellt. Dann meldet sich Tomas nach dem Warmwerfen krank ab, und später verletzt sich "Skippy". Was ich aus diesem Spiel aber mitnehmen kann, ist, dass meine Jungs ihr Riesen-Potenzial gezeigt haben. In Montpellier kommt eine emotional und physisch brutale Herausforderung auf uns zu, da müssen wir Mittwoch gegenhalten. Dafür war die Partie heute eine sehr gute Vorbereitung.

Füchse-Trainer Jaron Siewert: Wir kommen sehr gut in die Partie. Dann kommt es ins Stocken, weil Niels Lichtlein sich verletzt hat und wir rotieren mussten. Da hatten wir mit dem Kieler Tempo und dem Kreisspiel Probleme, in der zweiten Halbzeit war es dann eine Partie komplett auf Augenhöhe. Mal war Kiel vorn, dann wieder wir, dann wieder Kiel. In den letzten sieben, acht Minuten hatte ich aber trotzdem das Gefühl, dass wir gewinnen werden. Das hat nicht funktioniert, und natürlich tut dieser Punktverlust weh. Aber ehrlich: Das ist immer noch der THW Kiel, der amtierende Deutsche Meister. Ihnen einen Punkt abzuringen, nötigt einem Respekt ab.

Berlins Vorstand Sport Stefan Kretzschmar:
Es war ein hochklassiges, brisantes, kämpferisches Spiel. Beide haben bis zum äußersten gekämpft, die Trainer haben taktische Varianten gewechselt, um auf die anderen zu reagieren. Filips Auszeit hat Wirkung gezeigt, und die Einwechslung von á Skipagötu hat uns vor Probleme gestellt. In der zweiten Halbzeit war es dann purer Kampf, das war ein Topspiel. Ich bin sehr stolz auf unsere Mannschaft, wie sie das angenommen und alles gegeben hat.

THW-Rückraumspieler Steffen Weinhold: Im Angriff fehlte uns zu Beginn die Tiefe, Mitte der ersten Halbzeit sind wir dann ins Tempo gekommen. Bis zur Pause waren wir dann richtig drin in der Partie. Die zweite Halbzeit war dann ein Auf und Ab, ein sehr intensives Spiel. Am Ende sind wir über den Punktgewinn glücklich, aber über die gesamten 60 Minuten gesehen, ist es auch ein verdientes Ergebnis. Auf dieser Leistung können wir aufbauen. Wir nehmen auf jeden Fall Selbstbewusstsein mit nach Montpellier und die Gewissheit, dass es sich lohnt, um jeden Ball, jeden Abpraller zu kämpfen.

THW-Rückraumspieler Eric Johansson: Das war ein richtig schweres Auswärtsspiel gegen eine Top-Mannschaft. Wir haben nicht so gut angefangen, sind dann aber über den Kampf ins Spiel gekommen. Beide Mannschaften hätten heute gewinnen können, deswegen geht das Unentschieden in Ordnung.