WM 2017: Deutschland im Achtelfinale
DHB-Team ohne Drux
Deutschland mit Angriffsfeuerwerk
Die körperlich unterlegenen Saudi-Araber zeigten aber insbesondere im Angriff, dass sie nicht kampflos das Spiel abschenken würden. Durchbrüche und Sprungwürfe waren gegen das deutsche Abwehrbollwerk natürlich Mangelware, aber mit unerwarteten Schlag- und Hüftwürfen kamen sie gegen Silvio Heinevetter dennoch immer wieder zum Torerfolg - insbesondere Rechtshänder Mohammed Alabas, der im rechten Rückraum aushalf und vier seiner sechs Treffer im ersten Durchgang erzielte. Gefährlich wurde Saudi-Arabien dem Europameister natürlich dennoch zu keinem Zeitpunkt. Bis zum 3:3 blieb die Partie noch ausgeglichen, ehe ein Doppelschlag von Groetzki und ein Treffer Kühns schnell klarmachten, dass das DHB-Team diese Partie beherrschen würde. Wusste Saudi-Arabien im Angriff zeitweilig durchaus zu gefallen, leisteten sie mit ihrer 3:2:1-Abwehr keinerlei Gegenwehr. Dem DHB-Team reichte ein bisschen Bewegung, um dann mit einem Pass die gesamte Deckung des Gegners auszuhebeln, die Angriffe der deutschen Mannschaften dauerten daher nur selten als zehn Sekunden. Ob Groetzki von außen, Wiencek vom Kreis oder Häfner, Fäth und Kühn aus dem Rückraum - es passte zunächst alles bei den Bad Boys. Erst nach zwölf Minuten gelang Torhüter Almutairi seine erste Parade, der er in der Folgezeit bis zum Pausenpfiff immerhin noch vier folgen ließ.
Deutsche Torhüter im Pech
Rotation und Wermutstropfen
Im zweiten Durchgang wartete das DHB-Team mit einer neuen Flügelzange auf: Rune Dahmke und Tobias Reichmann ersetzten Uwe Gensheimer und Patrick Groetzki. Auch sonst rotierte Bundestrainer Sigurdsson viel, so spielte beispielsweise Patrick Wiencek jeweils nur die ersten zehn Minuten der beiden Halbzeiten. Am Spielverlauf änderte sich nichts, außer dass sowohl Wolff als auch sein Gegenüber Manaf Alsaeed mehrere Würfe entschärfen konnten. Der deutsche Vorsprung wuchs weiter kontinuierlich an, ehe es aber zwei Minuten vor Schluss doch noch zu einer Schrecksekunde im deutschen Team kam: Andreas Wolff wehrte den einzigen (!) Gegenstoß Saudi-Arabiens durch Abu Alrahi akrobatisch ab, landete jedoch unglücklich und wurde daraufhin im rechten Hüftbereich behandelt.
Schon am Mittwoch gegen Weißrussland
Statistik: Deutschland - Saudi-Arabien 38:24 (21:13)
Siebenmeter: 5/4:5/4 (Alsaeed hält Reichmann (34.) - Alzaer an den Pfosten (42.))
Zeitstrafen: 6:4 Minuten (2x Ernst (20., 48.), Lemke (30.) - Abu Alrahi (37.), Alfarhan (44.))
Spielverlauf: 0:1, 1:1, 1:2, 3:2, 3:3, 6:3 (7.), 6:4, 8:4 (12.), 8:5, 11:5 (17.), 11:7, 13:7, 13:8 (20.), 14:8, 14:9, 15:9, 15:10, 16:10, 16:11 (25.), 19:11, 19:12, 21:12, 21:13; 22:13, 22:15, 25:15 (36.), 25:16, 26:16, 26:17, 28:17 (40.), 28:18, 30:18 (45.), 30:19, 32:19, 32:20, 33:20 (50.), 33:21, 35:21, 35:22, 36:22 (55.), 36:23, 38:23, 38:24.
Zuschauer: 2980 (Kindarena, Rouen (FRA))
KN: 2,10 Meter gegen 1,68 Meter
Rouen. Die deutsche Handball-Nationalmannschaft hat bei der Weltmeisterschaft in Frankreich nach drei Spielen in der Vorrundengruppe C vorzeitig das Achtelfinale erreicht. Erwartungsgemäß erwies sich Saudi-Arabien in der Kindarena in Rouen nicht als ebenbürtiger Gegner. Die Mannschaft von Bundestrainer Dagur Sigurdsson zeigte beim 38:24 (21:13) zwar keine Gala-Vorstellung wie zuletzt gegen Chile. Kein Wunder also, dass der, als er nach 60 Minuten gefragt wurde, ob er Erkenntnisse aus dieser Partie gewinnen oder selbige gleich abhaken werde, schmunzelnd antwortete: "Abhaken – sehr gerne." Ein Muster ohne Wert, Deutschland gegen Saudi-Arabien; oder anders: Europameister gegen Drittligist in Grün; oder anders: 2,10 Meter (Finn Lemke) gegen 1,68 Meter (Mohammed Alabas). Von Beginn an gibt es in der Kindarena keinen Zweifel daran, wer dieses Spiel dominieren, die zwei Punkte für sich behalten wird. Die Halle ist in deutscher Hand, verteilt über das weite Rund stimmen die Fans "Deutschland, Deutschland"-Rufe an, Fans der Saudis gibt es keine, viele Sitzschalen bleiben an diesem Abend verwaist. Ganz anders als das deutsche Tor, in dem gemäß des Sigurdssonschen Rotationsprinzips wieder Silvio Heinevetter den Vorzug erhält. Nach knapp 22 Minuten und nur zwei Paraden wird der Berliner ausgewechselt, muss Andreas Wolff weichen. Ein Novum in diesem Turnier, in dem beide Keeper bislang 60-Minuten-Auftritte hatten. Besonders der quirlige Rückraum-Spieler Mohammed Alabas narrt die deutschen Abwehrspieler immer wieder mit Schlagwürfen. Saudi-Coach Nenad Kljaic schont einige seiner Führungsspieler, beispielsweise den besten Torschützen Mojtaba Alsalem, weil alle Kraft dem "Endspiel" um den Einzug ins Achtelfinale gegen Chile gilt. Das ist für die Qualität des Spiels nicht förderlich, für die Konzentration der "Bad Boys" aber offenbar auch nicht, die mit Steffen Fäth (Mitte), Julius Kühn (links) und Kai Häfner (rechts) im Rückraum zwar einen soliden, flüssigen Spielaufbau initiieren, es aber vor dem gut genährten Schlussmann der Wüstensöhne - Manaf Alsaaed, mit 40 Jahren und 137 Kilogramm der älteste und schwerste Spieler der WM - zuweilen an der für einen weiteren Kantersieg nötigen Kaltschnäuzigekiet fehlen lassen. Jannik Kohlbacher (23.) und Tobias Reichmann (33.) schütteln den Saudi-Speck, Kohlbacher (47.) trifft nur die Latte. Da ist das Spiel beim 30:18 natürlich längst entschieden, wechselt Sigurdsson munter durch, verteilt Kräfte, schaut sich das Geschehen ruhig von der Bank aus an. Nach der Pause kommen Rune Dahmke und Tobias Reichmann auf Außen auf das Feld, verschafft Niclas Pieczkowski als Rechtshänder Kai Häfner auf Halbrechts eine Verschnaufpause. Steffen Fäth (6 Tore) wird als "Man of the Match" ausgezeichnet, Häfner, Groetzki, Pieczkowski zeigen schöne, energische Ansätze. Aber so richtige Freude kommt nach einer pomadigen Darbietung wirklich nicht auf. "Wir waren zwei, drei Klassen besser", sagt Fäth mit einem Gesichtsausdruck wie nach einer Niederlage. "Wir waren einfach nicht zu 100 Prozent konzentriert, haben viele blöde Schlagwürfe kassiert." Auch der Kieler Patrick Wiencek weiß: "Wir haben nicht gut gespielt." Julius Kühn möchte eine Begegnung gegen "einen solchen Gegner" lieber „nicht überbewerten". Was am Ende bleibt, sind zwei weitere Punkte, die vorzeitige Qualifikation für das WM-Achtelfinale und ein wenig Sorge um Torhüter Andreas Wolff, der in der 58. Minute nach einer sehenswerten Parade gegen Muneer Abu Alrahi verletzt liegen bleibt und vom Feld humpelt. Das Spiel heute (17.45 Uhr) gegen Weißrussland muss der Kieler trotz einer Prellung des Gesäßmuskels nicht verpassen. Am Abend gibt der Deutsche Handballbund Entwarnung. Für Youngster Simon Ernst war das schon vorher klar: "Das wird nichts Ernstes sein. Der Andi ist unverwundbar." (Von Tamo Schwarz, aus den Kieler Nachrichten vom 18.01.2017)