Deutschland zittert sich zum WM-Auftaktsieg
Gensheimer wieder dabei
Furioser Zwischenspurt
Deutschland verschläft Wiederanpfiff
Paul Drux versucht sich gegen Gabor Ancsin durchzusetzen.Nach dem Seitenwechsel verkürzte Zsolt Balogh, der mittlerweile mit Gabor Csaczar und Iman Jamali den Rückraum der Ungarn bildete, schnell auf 16:12. Das Team von Trainer Xavi Sabate hatte nun wieder Blut geleckt, zumal sich Wiencek und Häfner weitere Zeitstrafen abholten und der deutsche Angriff nun einer viel offensiver raustretenden Deckung entgegen sah. So war der einst komfortable Vorsprung trotz einiger weiterer Heinevetter-Paraden bereits fast aufgebraucht, als Csaszar in der 38. Minute zum 16:15-Anschluss durch die deutsche Abwehr marschierte.
Ausgleich nicht zugelassen
Deutschland behält Nerven
Andreas Wolff und Rune Dahmke ballen auf der Bank die Fäuste.Aber das DHB-Team behielt die Nerven: Erneut holte Drux per Durchbruch einen Strafwurf heraus, den Gensheimer zum 23:21 verwandelte. Als Lekai dann den Ball vertändelte und Häfner mit seinem sechsten Treffer auf 24:21 erhöhte, war der erste Drei-Tore-Vorsprung seit langer Zeit eingetütet. Doch Ungarn verkürzte noch einmal, zwei Treffer von Lekai brachten das 25:23. 77 Sekunden vor Schluss nahm Bundestrainer Dagur Sigurdsson seine letzte Auszeit. Dann bekam Wiencek die Chance, alles klar zu machen, scheiterte zwar an Roland Mikler, doch der Ball blieb in deutscher Hand. Nach einer rüden Attacke von Ligetvari gegen Fäth - folgerichtig mit der roten Karte bedacht - sorgte letztlich Gensheimer vom Siebenmeterstrich für die Entscheidung.
Am Sonntag gegen Chile
Statistik: Deutschland - Ungarn 27:23 (16:11)
Ungarn: Fazekas (1.-30, 5 Paraden), Mikler (31.-60. und bei zwei Siebenmetern, 7 Paraden); Balogh (3), Schuch, Csaszar (3/1), Harsanyi (1), Ligetvari, Nagy (1), Jamali (3), Zubai (2), Banhidi, Szollosi, Juhasz (3), Ancsin (1), Bödö (3), Lekai (3)
Schiedsrichter: Nachevski/Nikolov (Mazedonien)
Siebenmeter: 8/8:2/1 (Heinevetter hält Csaszar)
Zeitstrafen: 6:4 Minuten (Drux, Wiencek, Häfner - Jamali, Schuch)
Rote Karte: Ligetvari (Ungarn)
Spielverlauf: 1:0, 1:1, 2:2, 2:2 (6.), 4:2, 4:3, 5:3, 5:4 (10.), 6:4, 6:5, 8:5 (18.), 8:7 (20.), 12:7, 12:8 (25.), 14:8, 14:9, 16:9, 16:11; 16:15 (38.), 17:15, 17:16 (44.), 18:16, 18:17, 19:17, 19:18, 20:18, 20:19 (50.), 21:19, 21:20, 22:20, 22:21 (54.), 24:21, 24:22, 25:22, 25:23, 27:23.
Zuschauer: 5000 (Kindarena, Rouen (FRA))
KN: Immer wieder Gensheimer
Rouen. Erste Halbzeit: hui! Zweite Halbzeit: pfui! Und sonst noch? Gensheimer, immer wieder Gensheimer. Die deutsche Handball-Nationalmannschaft ist mit einem anfangs bärenstarken, am Ende unnötig zittrigen 27:23 (16:11) in die Weltmeisterschaft in Frankreich gestartet. Ein Spiel vor 5000 Zuschauern in der Kindarena von Rouen, das nur phasenweise Spaß machte. Aber keine Panik! Zur Erinnerung: Das Wintermärchen, das 2016 mit dem Europameistertitel endete, hatte sogar mit einer Niederlage gegen Spanien begonnen. Am Freitagabend beeindrucken die "Bad Boys" von Bundestrainer Dagur Sigurdsson zunächst gehörig. Nicht in den ersten zehn zähen Minuten, in denen die Partie hin- und herplätschert, bis zum 6:5 (12.) alles offen ist. Sondern in der Art und Weise, wie die deutsche Mannschaft dann die Kontrolle über das Geschehen an sich reißt. Zugegeben, dass Ungarns ewiger Superstar Laszlo Nagy Mitte der ersten 30 Minuten verletzt passen muss, spielt Sigurdsson in die Karten. Der stellt um, beordert Julius Kühn für Patrick Wiencek in den Abwehr-Innenblock und für Paul Drux in den (halblinken) Rückraum. 8:5 (18.), 12:7 (25.), 16:9 (29.) - Deutschland spielt stabil, gelassen, europameisterhaft. Besonders einer: Kapitän Uwe Gensheimer. Nach dem überraschenden Tod seines Vaters war der Linksaußen erst am Donnerstag wieder zur Mannschaft gestoßen, zeigt sich im WM-Auftaktspiel mental stark, verwandelt acht von acht Siebenmetern und benötigt 15 Versuche für am Ende insgesamt 13 Tore - überragend. Im Tor spielt sich Silvio Heinevetter, der 60 Minuten lang den Vorzug vor dem Kieler Andreas Wolff bekommt (Sigurdsson: "Das ist nur ein Gefühl für den Moment"), nach einer tollen Parade gegen Nagy (3.) so richtig in WM-Form und sagt später: "Noch ist die Abstimmung mit der Abwehr nicht bei 100 Prozent." Nach der Pause zerfasert dann alles. Die Suche nach Lösungen läuft allzu oft ins Leere, defensiv wie offensiv. So wird der Rückraum zur größten Baustelle: Nur drei Tore gelingen den Rechtshändern (Fäth, Kühn, Pieczkowski). Ihnen bleibt die "Gänsehaut" (Julius Kühn) beim Anblick dessen, was Uwe Gensheimer weiter auf das Spielfeld zaubert. Von zwei Fehlversuchen und zwei technischen Fehlern lässt sich der Wahl-Franzose nicht beeindrucken, stemmt sich mit wichtigen Toren zum 18:16 (45.) und 19:17 (46.) gegen die aufkommenden Ungarn, die mit ihrer 4:2-Deckung auf den Halbpositionen weit herauskommen, den Wirkungskreis einer deutschen Auswahl stören, die ohne Ball in Bewegungslosigkeit erstarrt. Gensheimer, immer wieder Gensheimer - der Ex-Löwe wird als bester Spieler der Partie ausgezeichnet. Und am Ende ist da zum Glück auch noch Kai Häfner auf Halbrechts mit dem wichtigen, vorentscheidenden 25:22 (58.) und Silvio Heinevetter im Tor. Der Schlussakkord gebührt wieder Uwe Gensheimer, der den Ball im leeren ungarischen Tor versenkt. Freitag, der 13. Januar, sein 13. Treffer, was für eine Show! "Wir haben uns nach der Pause zu viel Stress gemacht, wollten eigentlich so weiterspielen wie in der ersten Halbzeit", sagt THW-Kreisläufer Patrick Wiencek. "In der zweiten Halbzeit hat unser Angriffsmotor einfach nur gestottert, die Bewegung hat gefehlt", ergänzt Kai Häfner. Was zählt, "ist nur der Sieg, auch wenn wir ein paar Probleme hatten", weiß der Kieler Rune Dahmke, der nach Magen-Darm-Problemen nicht zum Einsatz kam. Darum hieß es an diesem Freitagabend auf Linksaußen auch: Gensheimer, immer wieder Gensheimer. (Von Timo Schwarz, aus den Kieler Nachrichten vom 14.01.2017)