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Olympia: Deutschland startet mit Sieg gegen Schweden

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Olympia: Deutschland startet mit Sieg gegen Schweden

Die deutsche Handball-Nationalmannschaft ist mit einem letztlich souveränen 32:29 (18:15)-Erfolg gegen Schweden in das olympische Turnier gestartet. Bei einem wahren Zeitstrafen-Festival waren es am Ende die Gegenstoß-Treffer von Tobias Reichmann, die der DHB-Auswahl nach zwischenzeitlichem Wackeln den Sieg brachten. Als Patrick Wiencek drei Minuten vor dem Ende das 30:27 erzielte und Andreas Wolff in dieser Phase wichtige Bälle parierte, waren die ersten beiden Vorrunden-Punkte unter Dach und Fach. Bitter: Schwedens THW-Neuzugang Lukas Nilsson schied mit einer schweren Knöchelprellung und einer Außenbanddehnung aus.

Deutschland startet mit Problemen

Bundestrainer Dagur Sigurdsson setzte von Beginn an auf seinen Kieler Abwehrchef Patrick Wiencek, während er Julius Kühn im linken Rückraum zunächst den Vorzug vor Christian Dissinger gab. Kühn war es auch, der schnell im Geschehen war: Nach 31 Sekunden kassierte der Rückraumspieler die erste Zeitstrafe, um später mit wichtigen Toren zu glänzen. Die DHB-Auswahl hatte zur ungewöhnlichen Anwurfzeit (11:30 Uhr Ortszeit) zunächst Probleme, ins Spiel zu finden. Nach 3:54 Minuten erzielte Paul Drux das erste deutsche Olympia-Tor seit acht Jahren. Doch das gab dem Team keine Ruhe: In Ãœberzahl kassierte die deutsche Mannschaft zwei weitere Gegentreffer zum 1:4 (5.). 

Lukas Nilsson verletzt sich

Nicht einmal sechs Minuten waren gespielt, da dürfte den THW-Fans der Atem gestockt haben: Lukas Nilsson, schwedischer Neuzugang der "Zebras", war bei einem Gegenstoß auf einer feuchten Stelle auf dem Platz ausgerutscht und derart unglücklich auf seinen rechten Fuß gefallen, dass die Partie für den 19-Jährigen beendet war. Mit dickem Eisverband und sichtbaren Schmerzen lag Nilsson minutenlang hinter der schwedischen Bank. Danach wurde er zu weiteren Untersuchungen in die Kabine begleitet. Der erste Verdacht eines Bänderrisses bestätigte sich zum Glück nicht: Diagnostiziert wurde eine schwere Knöchelprellung und ein Außenbanddehnung. Ob und wann Nilsson bei Olympia wieder eingesetzt werden kann, ist ungewiss.

Andreas Wolff trifft ins leere Tor

Dem Schock für Schweden folgte ein deutlich besseres Spiel der deutschen Mannschaft: Nach der ersten Parade von THW-Keeper Andreas Wolff erzielte Tobias Reichmann mit einem tollen Dreher den ersten Ausgleich zum 4:4 (7.), vier Minuten später markierte Kapitän Uwe Gensheimer beim 6:5 die erste Führung für die DHB-Auswahl. Diese baute die Mannschaft von Dagur Sigurdsson, der häufig mit dem siebten Feldspieler agieren ließ, bis zum Wechsel auf 18:15 aus. Unter den Torschützen auch zwei Kieler: Wolff, der aus 37 Metern zum 13:11 ins verwaiste schwedische Tor traf, und Wiencek, der den Halbzeitstand erzielte.

Schweden gleichen aus

Die ersten Minuten des zweiten Durchgangs nährten die Hoffnungen auf einen deutschen Auftaktsieg: Auf 20:16 zogen die "Bad Boys" davon, zudem sah Schwedens Abwehrchef Tobias Karlsson in der 39. Minute nach seiner dritten Zeitstrafe die Rote Karte. Und als nach 43 Minuten ein Stürmerfoul von Ex-Zebra Kim Andersson von Fabian Wiede mit einem erfolgreichen Wurf ins leere Tor zum 23:19 bestraft wurde, schien sich die Waagschale final in Richtung Schwarz-Weiß zu neigen. Doch weit gefehlt: Mit einem 4:0-Lauf nutzten die Schweden Nachlässigkeiten der deutschen Mannschaft konsequent aus und erzielten den Ausgleich (47.). 

Olympia, 1. Spieltag: Schweden - Deutschland: 29:32 (15:18)

Schweden: M. Andersson, Appelgren; Gottfridsson (1), K. Andersson, Tollbring (8/8), L. Nilsson, Steinbacken, Karlsson, Jakobsson (5), Petersen (3), Stenmalm (4), Zachrisson (3), A. Nilsson (3), Nielsen (2)
Deutschland: Heinevetter, Wolff (2); Gensheimer (5/2), Lemke (1), Wiencek (2), Reichmann (6), Wiede (4), Pekeler (2), Strobel, Groetzki, Häfner, Kühn (7), Dissinger, Drux (3)  Schiedsrichter: Gjeding/Hansen (DEN)
Zeitstrafen: Schweden 9 / Deutschland 9
Siebenmeter: 7/7:2/2
Spielfilm: 4:1 (6.), 5:6 (11.), 7:9 (16.), 12:15 (25.), 15:18;
17:20 (37.), 21:23 (43.), 25:25 (52.), 27:30 (57.), 29:32.
Zuschauer: ca. 8.000 (Future-Arena, Rio de Janeiro)

Reichmanns große Minuten

Jetzt schlugen die großen Minuten von Tobias Reichmann: Der aktuelle Champions-League-Sieger wusste seinerseits Fehler der Schweden in Erfolge umzumünzen, traf mit einem Doppelschlag zum 25:23 und nach dem erneuten schwedischen Ausgleich zum 27:25 und 28:26 (55.), dem Paul Drux das 29:26 folgen ließ. Zunächst verpasste Wiencek den Matchball zur Vier-Tore-Führung, doch wenige Sekunden später verwandelte der Kieler Kreisläufer dann sicher: 30:27 (57.), Wolff parierte gegen Nilsson - der klasse Start der deutschen Mannschaft in das olympische Turnier war perfekt. Beste Werfer des deutschen Teams war vor 8000 Zuschauern in der Future Arena der Gummersbacher Julius Kühn mit acht Treffern, für die Schweden traf Jerry Tollbring ebenfalls achtmal. Foto: Phil Walter/Getty Images

Polen unterliegt Brasilien

Mit einer kleinen Überraschung endete das zweite Spiel der Vorrunden-Gruppe B: In einer torreichen Partie besiegte Gastgeber Brasilien, unterstützt von der lautstarken Kulisse, Polen mit 34:32 (16:13). Das erste Unentschieden des Turniers gab es dann zwischen Slowenien und Ägypten: Das 26:26 (15:15) spiegelt einen vollkommen ausgeglichenen Spielverlauf wider.

KN: "Wir haben uns in die Partie gebissen"

Rio de Janeiro. Verschmitzt lachend und mit einem "Ich hab' euch schon alle gesucht"-Spruch zu den Journalisten umkurvte Dagur Sigurdsson die Metallgitter in der Mixed Zone. Da, wo nach den Wettkämpfen gefühlsechte Informationen gefragt sind, zeigte sich der Bundestrainer nach dem umkämpften Auftaktspiel der deutschen Handballer, dem 32:29 (18:15) gegen Schweden, entspannt wie lange nicht: "Die Erleichterung ist sehr groß." 189 Tage nach EM-Gold in Polen sind die "Bad Boys" in der Spur zum Viertelfinale. Und das befürchtete Chaos nach den Regel-Änderungen blieb aus. "Es ist immer noch Handball", befand Sigurdsson. Vor 6000 Zuschauern, darunter die Hockey-Männer, brauchte das "weiße Ballett" einige Zeit, um seinen Zauber zu entfalten (1:4/5. Minute). "Wir haben uns in die Partie gebissen", fand der Gummersbacher Julius Kühn, mit acht Treffern bester Werfer. Als Uwe Gensheimer sein Team erstmals in Vorhand brachte (6:5) und Keeper Andreas Wolff ins leere Tor traf - sein zweites Länderspieltor -, waren die Olympia-Novizen auf Betriebstemperatur. Der Ausfall des Kieler Rückraumschützen Lukas Nilsson (7./Fußverletzung) und des Flensburger Abwehrchefs Tobias Karlsson (39./Rote Karte) spielte den Deutschen ins Blatt. "Das war mitentscheidend", analysierte Sigurdsson, den zudem freute, dass seine Jungs kühlen Kopf bewahrt hatten, als sie einen 23:19-Vorsprung (43.) verspielten, die Stimmung in der Arena nach einem Gensheimer-Foul kippte (23:23/47.). Doch dank "Kontermaschine" Tobias Reichmann (6 Tore) und Wolffs Paraden blieb das DHB-Boot auf Kurs. Die Deutschen waren auch das Team, das die Regel des siebten Feldspielers am besten umgesetzt hatte. Mal mit drei, mal mit zwei Kreisläufern agierend, mal in über-, mal in Unterzahl. "Komische Varianten" nannte sie Sigurdsson, aber erfolgreiche. Mehr noch: Die Schweden ihrerseits wurden mit zwei Treffern ins verwaiste Tor überrascht. Doch die Regeln bleiben umstritten. Heiner Brand, Bundestrainer a. D., der in Rio als Tourist unterwegs ist, sieht sie mit Skepsis. "Grundsätzlich finde ich sie gut." Damit meint er das passive Spiel, auch die Verletztenregel. "Da wurde mir zu oft Zeit geschunden." Aber vom siebten Feldspieler hält er "rein gar nichts". Das Spiel ohne Torhüter ist für ihn kein Handball mehr. "Die Deckung kann nicht mehr offensiv spielen, im Angriff wird nur noch zwischen acht und zehn Metern auf die Kiste geknallt." Die Deutschen fühlen sich derweil im Turnier "angekommen, mehr aber nicht", wie Fabian Wiede fand. "Es war nur ein Sieg." Einer, der Lust auf mehr macht - am Dienstag gegen Polen (16.30 Uhr, ZDF). (Von Jens Kürbis, aus den Kieler Nachrichten vom 08.08.2016)