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KN: Feiern bis zum Muskelkater

EHF-Pokal

KN: Feiern bis zum Muskelkater

Kiel. Gisli Kristjánsson trug nicht nur die schwerste Last, sondern auch die größte Verantwortung. Der Youngster in der Mannschaft des THW Kiel hatte die Aufgabe, auf den EHF-Pokal aufzupassen. Er meisterte sie mit Bravour und Hingabe. Als der 19-Jährige, dem der Ruf vorauseilt, Zeitvorgaben gerne mal eher flexibel zu handhaben, gestern pünktlich um 11 Uhr den Biergarten der Forstbaumschule betrat, um den Titel mit den THW-Fans zu feiern, sagte er: "Ich habe mit dem Pokal unter meiner Decke geschlafen und ihn auch extra noch mal poliert."

Nach dem Sieg im EHF-Pokal ließ der THW Kiel eine Tradition wieder aufleben und feierte mit den Fans im Biergarten

Etwas Glanz verloren hatte die Trophäe dennoch: Eines der halbrunden Elemente, aus der sich der 18 Kilogramm schwere "Pott" zusammensetzt, wackelte bedenklich. Ebenfalls etwas angeschlagen, aber doch strahlend präsentierten sich die EHF-Cup-Sieger nach einer langen Party-Nacht, die schon in der Kabine nach dem 26:22-Sieg (siehe auch THW-Spielbericht) Ã¼ber die Füchse Berlin begonnen hatte. Die Feierlichkeiten verlagerten die Spieler zunächst gemeinsam mit Familien und Freunden in den VIP-Raum der Sparkassen-Arena, schließlich stürzten sie sich - gemeinsam mit Kollegen aus Berlin und Holstebro - noch ins Kieler Nachtleben. Endstation Bergstraße im Morgengrauen.

Sebastian Firnhaber sprach davon, das Bett "kurz berührt" zu haben. "Das ging schon sehr, sehr lange. Manche sind glaube ich direkt hierher gekommen", sagte Nikola Bilyk - der vierte Österreicher nach Ewald Humenberger, Viktor Szilagyi und Janko Bozovic, der einen Europapokal gewann. Andreas Wolff sagte: "Ich bin gerade noch ein bisschen hin- und hergerissen zwischen 'schön, dass wir weiter feiern' und 'ich will einfach nur ins Bett und schlafen'."

Für das Bad in der Menge der knapp 400 Fans im Biergarten war die Mannschaft aber doch noch fit genug. Spielmacher Miha Zarabec fasste zusammen: "Für den THW Kiel zu spielen, ist immer geil. Titel zu gewinnen, ist doppelt so geil. Und wenn Alfred dein Trainer ist - dann ist es mega geil." Trainer Alfred Gislason, für den der EHF-Pokalsieg sein 20. Titelgewinn mit dem THW Kiel ist, gab zu: "Ich konnte heute Nacht nicht schlafen. Aber nicht, weil ich durchgemacht hätte - so wie die." Ein Seitenhieb auf die Mannschaft, für die Kapitän Domagoj Duvnjak stellvertretend verkündete: "Diesen Titel haben wir auch für Alfred geholt."

Der Trainer, so Duvnjak, sei in seiner letzten Saison beim THW Kiel "richtig locker" geworden. Gislason selbst erklärte das so: "Das liegt daran, dass die Jungs einfach besser spielen." Seinen EHF-Cup-Siegern gab der 59-Jährige zwei Tage frei, bevor die Vorbereitung auf das nächste Bundesliga-Spiel am Sonntag gegen GWD Minden am Mittwochvormittag startet.

"Früher gingen die Feierlichkeiten hier mehrere Tage lang", erinnerte sich Forstbaumschulen-Betreiber William Steen, der seit 1994 regelmäßig Gastgeber für den inzwischen traditionellen Frühschoppen nach Titelfeiern der Zebras ist. Eine Tradition, die zuletzt mangels Gelegenheiten etwas vernachlässigt wurde. "Aber vielleicht ist das ja jetzt der Punkt, an dem wir es wieder aufleben lassen", sagte sein Sohn Jan.

Titelsatt sind die Kieler jedenfalls noch nicht, auch wenn sie in der Liga weiter auf einen Ausrutscher von Spitzenreiter SG Flensburg-Handewitt hoffen müssen, der zwei Minuspunkte weniger hat als der THW. Die Hoffnungen von Andreas Wolff ruhen auf den Füchsen Berlin und dem Bergischen HC, die sich beide noch im Kampf um einen Platz unter den Top Fünf der Liga befinden, der einen europäischen Startplatz für die kommende Saison bedeutet. "Wer Flensburg schlägt, bekommt von mir einen ganzen Getränkeladen. Hauptsache, wir werden Meister", sagte Wolff. 

Und Kristjánsson? "Ich habe jetzt Muskelkater", sagte der Youngster, der noch an einer Schulterverletzung laboriert, nach zwei weiteren Stunden als Pokal-Aufpasser. "Ich hoffe, jetzt übernimmt ein Kapitän."

(Von Merle Schaack und Tamo Schwarz, aus den Kieler Nachrichten vom 20.05.2019, Foto: Sascha Klahn)