Die Zebras entthronen den Titelverteidiger SC Magdeburg: Viertelfinale!
So geht Handball-Party in Schwarz und Weiß: Die Wunderino Arena stand am Mittwochabend Kopf, der Jubel im lautesten "Wohnzimmer" der Stadt kannte keine Grenzen. Kein Wunder, der THW Kiel war nur wenige Stunden nach der Nationalmannschafts-Woche hellwach, als es in die entscheidenden Sekunden des Pokal-Krachers ging. Gegen den SC Magdeburg gab es den erträumten Triumph, der THW Kiel entthronte den Titelverteidiger und zog nach dem 29:28 (14:14)-Sieg in das Viertelfinale des DHB-Pokals ein. Jetzt sind die Kieler am Donnerstagabend im Los-Topf, wenn die Viertelfinal-Paarungen gezogen werden (live bei Dyn).
Ohrenbetäubender Jubel nach dem Schlusspfiff
7521 Fans durchlebten in der packenden Partie ein Wechselbad der Gefühle, zitterten bei diesem echten Handball-Krimi bis zum Schlusspfiff. Den entscheidenden Treffer erzielte Kiels Linkshänder Emil Madsen 52 Sekunden vor dem Ende durch seinen Knaller zum 29:27. Mit dem Zwei-Tore-Vorsprung im Rücken ließen die Zebras trotz eines schnellen Siebenmeter-Gegentors auch gegen die offene Deckung der Magdeburger nichts mehr anbrennen. Im ohrenbetäubenden Jubel-Chanon sprangen die Zebras anschließend wild durcheinander, hüpfte der überragende Domagoj Duvnjak Keeper Andreas Wolff um den Hals, feierten die Schwarz-Weißen ihren Erfolg ausgelassen gemeinsam mit ihren Fans, die die Arena zuvor in einen echten Hexenkessel verwandelt hatten. Beste Kieler Schützen waren Emil Madsen und Bence Imre, die jeweils fünfmal erfolgreich waren, die starke Abwehrarbeit der Zebras in Zählbares ummünzten. Für die Gäste traf Michael Damgaard acht Mal.
Mrkva entschärft drei Siebenmeter
Garant für den Kieler Sieg, der erste Heim-Erfolg gegen den SCM seit mehr als sieben Jahren, war aber einmal mehr die aufopferungsvoll kämpfende Abwehr, in der sich Hendrik Pekeler und Petter Överby im Mittelblock Bestnoten verdienten. Torhüter Andreas Wolff sammelte zehn Paraden in seiner Bilanz, hatte vor allem in wichtigen Phasen seine Hände im Spiel. Die Fans aus den Sitzen riss Positionskollege Tomas Mrkva: Der Tscheche kam erstmals in der 28. Minute bei einem Siebenmeter ins Tor, parierte den Ball von Magnusson und machte in der Folge zwei weitere Strafwürfe der Gäste unschädlich. Während die Gäste das Parkett wortlos verließen und enttäuscht die Köpfe schüttelten, hübschten die Zebras ihre Pokal-Bilanz gegen die Sachsen-Anhalter im 13. Pokal-Fight auf neun Siege auf. Jetzt hoffen sie bei der Auslosung des Viertelfinals, die am Donnerstag nach der Partie Rhein-Neckar Löwen - Füchse Berlin live bei Dyn gezeigt wird, auf ein weiteres Heimspiel.
Zebras finden schnell zu ihrem Spiel
Nur eine echte Trainingseinheit blieb THW-Trainer Filip nach der Nationalmannschafts-Woche, um seine Mannschaft auf den Pokalkracher einzustimmen. Dennoch fanden die Zebras schnell in ihr Spiel: Pekeler war nur durch Foulspiel aufzuhalten, den fälligen Strafwurf netzte Lukas Zerbe zur Kieler 1:0-Führung ein. Magdeburg glich aus, ebenfalls per Siebenmeter durch Omar Ingi Magnusson. Doch die Anfangsphase gehörte den Zebras. Bence Imre, der eine starke Partie absolvierte, traf zum 2:1, Madsen und Överby brachten den THW nach zehn Minuten mit 4:2 in Front. Die kleinliche Regelauslegung durch die Unparteiischen Thiyagarajah bescherte Överby dann die erste Zeitstrafe der Partie, Magdeburg nutzte die Überzahl, glich durch Damgaard und Musche aus. Bis zur 18. Minute aber blieben die Kieler vorn: Imre, Magnus Landin, Madsen und Eric Johansson sorgten für die 8:7-Führung.
Unentschieden zur Pause
Technische Fehler und der daraus resultierende 3:0-Lauf der Gäste drehten das Spiel. Magdeburg legte das 8:10 vor und ging in der 24. Minute durch Magnus Saugstrup gar mit 13:10 in Front. Die Fans auf den Rängen ließen aber nicht nach, feuerten ihre Mannschaft weiter ohne Pause an. Die weiße Wand wurde so noch vor dem Halbzeitpfiff zum Riesen-Rückhalt. Die Zebras dankten ihrem Anhang mit Kampfgeist und einem grandiosen 4:0-Lauf. Die Torschützen: Elias Ellefsen á Skipagötu, Imre, Zerbe per Siebenmeter und Eric Johansson. Die Arena kochte, Tomas Mrkva war bei einem Strafwurf von Magnusson zur Stelle, doch die Magdeburger konterten kurz vor dem Pausenpfiff, stellten das Halbzeitergebnis auf 14:14.
Packende zweite Hälfte
Isaak Persson eröffnete den Torreigen der zweiten Hälfte, brachte den Gast auf 15:14 nach vorn,.THW-Kapitän Domagoj Duvnjak hatte die Antwort:15:15. Der Pokalkrimi wurde immer spannender, wieder legte Magdeburg durch Persson und Serradilla einen Zwei-Tore-Vorsprung vor. Das Solo von "Dule" Duvnjak, Wolffs Glanzparaden und Rune Dahmke egalisierten nach 37 Minuten zum 18:18. Zu einer Kieler Führung reichte es zunächst aber nicht. Musche traf von Linksaußen, das Schiedsrichtergespann kassierte für fragwürdige Pfiffe die ganze Wut der Kieler Fans, Emil Madsens Siebenmeter landete nur am SCM-Pfosten. Dann brachte der Ballklau mit erfolgreichem Tempogegenstoß von Rune Dahmke die Zebras wieder auf Tuchfühlung - und die Tribünen eskalierten erneut. Wichtig in dieser Phase war auch die Nervenstärke von Magnus Landin, der zum Strafwurf gegen Portner antrat und sicher verwandelte. Magdeburg konterte erneut, Damgaard fand die Lücken in der THW-Abwehr, brachte den Gast in der 50. Minute mit 24:22 nach vorn.
Dramatische Schlussphase
Höchste Zeit für das finale Aufbäumen der Zebras in einer an Intensität noch einmal zulegenden Partie: Nach den Fouls an Nikola Bilyk und Petter Överby war Magnus Landin erneut gefordert. Der Däne hatte Nerven aus Drahtseilen, glich zum 24:24 aus, und als Bence Imre in der 53. Minute per Konter einnetzte, hatten die Zebras erstmals in der zweiten Halbzeit wieder ihre Nase vorn: 25:24! Der Krimi näherte sich seinem Höhepunkt. Zehnder glich per Strafwurf aus, dann tankte sich Eric Johansson durch, nagelte das Spielgerät im Rückwärtsfallen in den SCM-Giebel: 26:25. Noch vier Minuten! Christian O'Sullivan holte Emil Madsen von den Beinen: Zeitstrafe, der SCM kämpfte in Unterzahl, kassierte dann aber den Doppelschlag durch Tore von Domagoj Duvnjak und Hendrik Pekeler nach Duvnjak-Pass. Zehnder sorgte mit seinem zweiten verwandelten Strafwurf noch einmal für Hoffnung bei den rund 200 grün-roten Fans.
Ausverkauftes Derby am Sonntag
Doch dann kam Emil Madsen: Der Däne traf, hielt den Ball auch in den Schlusssekunden fest und hämmerte ihn nach der Sirene auf den Hallenboden, während auf den Rängen die weißen THW-Fahnen ein Meer bildeten und "oh, wie ist das schön" erklang - der THW Kiel ist im Viertelfinale des DHB-Pokals und damit nur noch einen Schritt von Köln entfernt! Doch bereits am Sonntag stehen die Zebras vor der nächsten Herkules-Aufgabe: Zu Gast ist dann der Titel-Favorit aus dem hohen Norden, die SG Flensburg-Handewitt. Das 111. Derby zwischen den Erzrivalen ist seit Wochen ausverkauft, neben dem Handball-Streamingkanal Dyn überträgt das NDR-Fernsehen die Partie auch im Free-TV. Anwurf in der Wunderino Arena ist um 14 Uhr. Das nächste Heimspiel nach dem Derby bestreiten die Zebras dann erst am Dienstag, 26. November: In der EHF European League geht es im Gruppenphasen-Finale gegen RK Vojvodina bereits um die ersten Hauptrunden-Punkte. Eintrittskarten für das Spiel sind unter www.thw-tickets.de , bei CITTI sowie in der THW-FANWELT erhältlich. Weiter geht’s gegen die SG, Kiel!
Text: Reimer Plöhn / Fotos: Sascha Klahn
DHB-Pokal, Achtelfinale: THW Kiel – SC Magdeburg: 29:28 (14:14)
THW Kiel: Mrkva (29.-30. und 3 Siebenmeter, 3/3 Paraden), Wolff (1.-29., 31.-60., 10 Paraden); Duvnjak (4), Landin (4/3), Överby (1), Wiencek (n.e.), Pabst (n.e.), Johansson (4), Dahmke (2), Zerbe (2/2), Kutz (n.e.), Madsen (5), Bilyk, Pekeler (1), á Skipagötu (1), Imre (5); Trainer: Jicha
SC Magdeburg: Hernandez (1.-60.,14 Paraden, 1 Tor), Portner (4 Siebenmeter, 1/1 Parade); Persson (2), Musche (4), Zehnder (3/3), Zechel, Kristjansson (2), Pettersson, Magnusson (4/2), Serradilla (1), Lagergren, Mertens, Saugstrup (2), O’Sullivan (1), Damgaard (8); Trainer: Wiegert
Schiedsrichter: Ramesh Thiyagarajah / Suresh Thiyagarajah
Zeitstrafen: THW: 4 (2x Överby (10., 37.), Landin (30.), Imre (38.)) / SCM: 3 (Damgaard (29.), Saugstrup (42.), O’Sullivan (56.))
Siebenmeter: THW: 7/5 (Portner hält Zerbe (35.), Madsen an den Pfosten (44.)) / SCM: 8/5 (Mrkva hält 2x Magnusson (30., 39.) und Zehnder (41.))
Spielfilm: 1:0, 2:2 (7.), 4:2 (10.), 4:4 (12.), 6:6, 8:7 (17.), 8:10 (19.), 10:11 (22.), 10:13 (24.), 14:13 (29.), 14:14;
2. Hz: 14:15 (31.), 15:17, 16:18 (36.), 18:18 (37.), 18:20, 19:21 (47.), 21:21 (48.), 22:22, 22:24 (50.), 25:24 (53.), 26:25, 26:26 (56.), 28:26 (58.), 29:27 (59.), 29:28.
Zuschauer: 7521 (Wunderino Arena, Kiel)
Stimmen zum Spiel:
THW-Trainer Filip Jicha: Das war ein Pokal-Klassiker, mit einer unglaublichen Intensität, mit Emotionen und einem wahnsinnigen Fight um jeden Zentimeter. Ich bin sehr stolz auf meine Mannschaft, welchen Fight sie zusammen geliefert haben. Und ich bin unglaublich stolz, dass wir zu Hause gegen den SC Magdeburg gewinnen konnten, was uns lange nicht mehr gelungen ist – was auch für die großartige Entwicklung des SC Magdeburg spricht. Ich bin zum dritten Mal stolz auf meine Mannschaft, mit welchem Engagement sie aufgetreten ist und versucht hat, trotzdem ruhig zu bleiben und den Matchplan und unsere Qualität umzusetzen. Solche Spiele werden immer von Kleinigkeiten entschieden, heute war es ein Hauch, zum Beispiel bei Duvnjaks Ball – wenn Musche ihn abfängt, freut sich vielleicht der SCM über den Viertelfinal-Einzug. Und wir haben uns sehr gefreut, heute ein Heimspiel zu haben. Wir mussten nicht reisen, und unsere Fans haben uns unglaublich in der Crunshtime gepusht. Jetzt genießen wir ein paar Minuten den Moment und bereiten uns dann auf den nächsten Klassiker vor, in dem wir wieder mit Energie und mentaler Stärke unsere beste Saison-Heimleistung zeigen müssen.
SCM-Coach Bennet Wiegert: Es war ein klassisches Pokalspiel, ein großer Fight, mit viel Herzblut, viel Energie, in dem sich beide Teams nichts geschenkt haben. Das war Werbung für den Handball, aber für uns als Beteiligte war es unglaublich anstrengend und aufregend. Ich bin wirklich enttäuscht, dass wir uns nicht belohnen konnten für unser engagiertes Spiel. Es waren in unserem Spiel Kleinigkeiten, die die Partie entschieden haben.