THW Kiel gewinnt denkwürdigen Pokal-Krimi in Stuttgart
Hamburg, der Titelverteidiger kommt: Der THW Kiel hat an einem denkwürdigen Pokalabend zum 17. Mal das "REWE Final4" in der Hansestadt erreicht. Beim TVB Stuttgart siegten die Kieler nach einem dramatischen Spielverlauf mit 35:34 (18:15). Niclas Ekberg verwandelte 34 Sekunden vor dem Ende einen Strafwurf zur Zwei-Tore-Führung und brachte mit diesem zehnten Treffer, sieben davon per Siebenmeter erzielt, den Erfolg nach Hause. Nach dem schnellen Anschluss von Späth war es dann Domagoj Duvnjak, der gegen die offene Manndeckung der Schwaben die letzten elf Sekunden verstreichen ließ. Denkwürdig war der Abend auch wegen einer 42-minütige Unterbrechung: Qualm im Arena-Kiosk hatte den Feueralarm ausgelöst, die Halle wurde daraufhin komplett evakuiert.
Drei-Tore-Führung zur Pause
Erzielte das 8:5: Patrick Wiencek
Bis zur 36. Minute war die Stuttgarter Scharrena Zeuge eines zwar packenden, aber keinesfalls historischen Pokalabends geworden. Die Kieler hatten die erste Hälfte dominiert, waren beim 8:5 durch Patrick Wiencek (12.) erstmals mit drei Toren in Führung gegangen und hatten diese auch dank eines erneut starken Nikola Bilyk bis zur Pause verteidigt. Allerdings: In der Abwehr des THW Kiel boten sich Lücken, die der Gastgeber konsequent nutzte. Vor allem Dominik Weiß, der vier Treffer im ersten Durchgang erzielte, und David Schmidt sorgten für die so genannten einfachen TVG-Treffer aus dem Rückraum. So kontrollierten die Zebras zwar die Begegnung, die Gastgeber blieben aber dran. Mit 18:15 für die Gäste aus Kiel wurden die Seiten gewechselt - Rune Dahmke setzte mit einem tollen Heber gegen Bitter den Schlusspunkt der ersten 30 Minuten.
Bilyk kontert TVB-Anschluss
Spielte erneut groß auf: Nikola Bilyk
Dahmke war es auch, der ebenso spektakulär die zweite Hälfte eröffnete - dieses Mal überwand er Bitter mit einem Dreher. Als der Kieler Linksaußen kurz darauf noch einmal einnetzte, war der THW Kiel beim 20:15 am Drücker (32.), schien sich befreien zu können. Doch dann erwachte Bitter im Kasten der Gastgeber, die mit vier schnellen Toren beim 19:20 wieder richtig KOntakt aufgenommen hatte. Als Stimmungskiller erwiesen sich in dieser Phase Pekeler und Bilyk, die auf 22:19 erhöhten (37.).
Halle wird evakuiert
Mitten in den Jubellauf des Kieler Österreichers hinein ertönte eine Sirene, und eine Computerstimme forderte alle zum Verlassen der Halle auf. Feueralarm wegen einer Rauchentwicklung über dem Bratwurstgrill im Kiosk: Tatsächlich musste die Scharrena zum zweiten Mal innerhalb kürzester Zeit evakuiert werden. Während die Zuschauer vor der Halle in der frostigen Stuttgarter Nacht froren, holten sich die Kieler Spieler ihre Winterjacken und wurden im Presseraum mit Fluchtmöglichkeit nach draußen untergebracht. Die Feuerwehr rückte an und gab wenig später die Halle wieder frei. Binnen zehn Minuten waren alle Plätze wieder besetzt, die Spieler hatten die zweite Erwärmung abgeschlossen, und 42 Minuten nach der Sirene ging es endlich weiter.
Stuttgart kommt ran
Pokalkrimi mit harten Bandagen: Hier wird Miha Zarabec in die Zange genommen
Ab diesem Moment wurde es ein völlig verrücktes Handballspiel. Der THW schien die ungeplante Pause besser zu verkraften und kam mit Schwung zurück. Sechs Minuten lang kassierten die Zebras keinen Gegentreffer und zogen durch Ekberg und Reinkind erst auf 24:19, dann auf 25:19 davon. Als kurz darauf Bilyk erneut einen Dreher im Kasten von Bitter unterbrachte, schien eine Vorentscheidung gefallen: Mit 27:20 führte der THW Kiel in diesem Moment, 17 Minuten vor dem Ende. Doch dieser Abend sollte noch einen dramatischeren Verlauf nehmen. Stuttgart pirschte sich mit einem schnellen 3:0-Lauf an, nutzte eine Überzahlsituation nach einer strittigen Zeitrafe gegen Pekeler zum 26:29 (47.). Und als sich dann Bitter in einen Rausch steigerte und dabei von überhastet abgeschlossenen Angriffen der Schwarz-Weißen profitierte, wurde es richtig eng. Jeder Treffer musste hart erarbeitet werden - ein erneuter Kraftakt im dritten Spiel innerhalb von sechs Tagen.
Dramatik mit Kieler Happy end
Fünf Tore vor, fünf Tore nach der Hallen-Evakuierung: Niclas Ekberg
Der THW Kiel hielt dagegen, der überragende Ekberg traf auf dem Rückraum (!) zum 32:29 (51.). Die Drei-Tore-Führung der Zebras hielt bis zur 54. Minute, in der Häfner in Unterzahl und Lönn mit unglaublicher Wucht das 32:33 erzielten. 2095 Zuschauer standen Kopf, jetzt war die Scharrarena auch ohne Feueralarm ein brodelnder Hexenkessel. Niklas Landin, wieder in den Kasten zurückgekehrt, wurde jetzt zum Feuerlöscher: Der Kapitän verhinderte gegen Lönn den Ausgleich, Reinkind fand Pekeler am Kreis: 34:32 (58.), Landin hielt gegen Schmidt, aber Späth klaute Reinkind im Angriff den Ball und traf zum Anschluss - 65 Sekunden vor dem Ende. Dann holten sich die Kieler Siebenmeter Nummer sieben, den Ekberg eiskalt verwandelte. Der Rest war dann die Erfahrung Duvnjaks, der nach Späths 34:35 die letzten elf Sekunden herunterspielte. Zum Jubeln zu müde, reckten die Zebras nur noch die Arme in die Luft. Später dann feierten sie mit ihren lautstarken Fans und einer verhaltenen La Ola die Qualifikation für das REWE Final4: Hamburg, der Titelverteidiger kommt!
Auslosung am Montag
Für eine REWE Final4-La-Ola reichte die Kraft gerade noch
THW-Trainer Filip Jicha belohnte seine Mannen für die Strapazen der vergangenen Wochen und den Einzug ins "REWE Final4" mit zwei freien Tagen. Direkt nach der Partie ging es daher für die Zebras mit einer von Sponsoren mitfinanzierten Chartermaschine zurück nach Kiel. Am Freitagnachmittag beginnt dann die Vorbereitung auf die nächste Partie in der LIQUI MOLY Handball-Bundesliga: Am Sonntag ist GWD Minden zu Gast in der Sparkassen-Arena. Für die Partie, die um 16 Uhr angepfiffen wird, gibt es noch Karten an allen bekannten Vorverkaufsstellen, in der THW-FANWELT und im THW-Online-Ticketshop. Das Halbfinale im DHB-Pokal wird am kommenden Montag in Hamburg ausgelost: Die Prozedur wird live auf der LIQUI MOLY HBL-Facebook-Seite gestreamt. Der Kartenverkauf für die "weiße Wand" beim "REWE Final4" beginnt voraussichtlich Mitten/Ende Januar. Reservierungen werden nicht entgegen genommen, diesbezügliche Anfragen haben also keine Aussicht auf Erfolg. Weiter geht's, Kiel!
Fotos: Bernd Dunstheimer, Jens Koerner
DHB-Pokal,Viertelfinale, 03.12.2019: TVB Stuttgart - THW Kiel: 34:35 (15:18)
TVB Stuttgart: Bitter (1.-21., 30.-60., und 2 Siebenmeter, 9 Paraden), Lehmann (22.-30., keine Parade); Häfner (3), Asgeirsson, Weiss (5), Faluvegi (1), Späth (3), Lönn (4), Markotic, Röthlisberger (1), Zieker (6/3), Pfattheicher, Peshevski (3), Schmidt (7), Wieling (1);Trainer: Schweickardt
THW Kiel: N. Landin (1.-22., 50.-60., 7/1 Paraden), Quenstedt (21.-50., 4 Paraden); Duvnjak, Reinkind (4), M. Landin (3), Weinhold, Wiencek (2), Ekberg (10/7), Rahmel (1), Dahmke (3), Zarabec (2), Horak, Bilyk (6), Pekeler (3), Nilsson (1); Trainer: Jicha
Schiedsrichter: Martin Thöne / Marijo Zupanovic
Strafzeiten: TVB: 2 (Weiß (29.), Asgeirsson (53.)) / THW: 1 (Pekeler (45.))
Siebenmeter: TVB: 4/3 (Landin hält Zieker (5.)) / THW: 7/7
Spielfilm: 1:0, 3:2 (5.), 3:4 (7.), 5:5 (9.), 5:8 (12.), 7:10 (15.), 9:12, 10:13 (23.), 11:13, 11:15 (25.), 12:16, 14:16 (29.), 15:17 (30.), 15:18 ;
15:20 (32.), 19:20 (36.), 19:22 (37.), 19:25 (52.), 20:27 (43.), 23:27 (44.), 24:28, 26:29 (47.), 26:30, 28:30 (50.), 29:31, 30:33 (53.), 32:33 (54.), 32:34 (58.), 33:34 (59.), 33:35 (60.), 34:35 .
Zuschauer: 2095 (Scharrena, Stuttgart)
Die Viertelfinal-Ergebnisse
MT Melsungen - Füchse Berlin: 33:30 (14:16)
Die Eulen Ludwigshafen - TBV Lemgo Lippe: 23:26 (9:12)
TVB Stuttgart - THW Kiel: 34:35 (15:18)
Rhein-Neckar Löwen - TSV Hannover-Burgdorf:
Fettgedruckte Mannschaften stehen im REWE Final4, dieses wird am 4./5. April 2020 in der Barclaycard-Arena in Hamburg ausgetragen.