“Aufgeben ist keine Option”: Zebras zwischen Enttäuschung und dem Glauben an ein Wunder
"Wunder gibt es immer wieder. Heute oder morgen können sie geschehen", sang Katja Ebstein 1970 beim Eurovision Song Contest in Amsterdam. Der Song, der Ebstein damals Platz drei einbrachte, wurde zum Kult-Schlager. Grund genug, ihn auch auf Französisch einzusingen. "Un miracle peut arriver", trällerte man daraufhin auch in Frankreich. Nach dem 30:39 des THW Kiel im Viertelfinal-Hinspiel der Machineseeker EHF Champions League ist der Glaube an ein Handball-Wunder der, der sich in die riesige Enttäuschung der Zebras nach der klaren Niederlage mischte. "Wir haben uns selbst in eine richtig schwierige Ausgangslage für das Rückspiel gebracht. Aber Aufgeben ist keine Option, es gibt noch die zweite Halbzeit in Kiel", sagte Harald Reinkind, und fügte kämpferisch an: "Im Handball ist alles möglich, und deshalb müssen wir alle daran glauben, dass wir mit unseren Fans am Donnerstag in Kiel eine magische Nacht erleben werden."
Handball-Wunder sind möglich
Genau daran hatte Filip Jicha sein Team in der Kabine nach der Hinspiel-Klatsche in Montpellier erinnert, wie der THW-Trainer in der Pressekonferenz sagte: "Wir brauchen ein kleines Handball-Wunder. Jetzt ist Halbzeit, aber ich glaube an eine magische Nacht in Kiel. Wir werden alles dafür tun, viel besser zu performen: im Angriff, in der Deckung und im Torhüterspiel." Handball-Wunder seien möglich, ergänzte Jicha mit Blick auf MHB-Trainer Patrice Canayer, der sich nach 30 Jahren an Montpelliers Seitenlinie wohl keinen schöneren Königsklassen-Heim-Abschied hätte vorstellen können: „Patrice weiß es wahrscheinlich besser als jeder andere hier im Raum.“ Worauf Jicha anspielte, war die Königsklassen-Saison 2004/2005, in der Montpellier in Frankreich gegen Flensburg mit 36:24 triumphiert hatte, an der dänischen Grenze aber noch in Turbulenzen geriet. Bis Gregory Anquetil mit einem direkt verwandelten Freiwurf von der Außenlinie zum 19:32 das SG-Wunder verhinderte und das französische Handball-Wunder besiegelte.
"Unsere Halle kann einen Gegner verunsichern"
Die 60 Minuten von Montpellier taten weh - den Fans der Kielern, aber viel mehr noch den Kieler Verantwortlichen und den Zebras selbst. "Das war eine Katastrophe", brachte Kapitän Patrick Wiencek die Stimmungslage auf den Punkt. "Wir waren phasenweise zu hektisch, haben zu viele freie Würfe vergeben und Desbonnet im MHB-Tor angeschossen. Hinzu kamen noch die Technischen Fehler. Dann war die Halle da und wir haben uns offenbar von der Atmosphäre einschüchtern lassen." Besonders ärgerlich die letzten Minuten, in denen die Kieler einmal mehr in Unterzahl versuchten, noch ein besseres Resultat zu erzielen - Montpellier aber noch zweimal traf. Wiencek: "Neun Tore Rückstand sind ein Brett. Wir brauchen wirklich ein Handball-Wunder, um das noch zu schaffen. Ich weiß aber, dass unsere Halle einen Gegner auch verunsichern kann. Ich kann versprechen, dass wir alles geben, alles reinwerfen werden, um das im Rückspiel mit unseren Fans noch zu drehen."
"Jeder Kieler sollte mit uns an ein Wunder glauben"
Der Glaube an ein Wunder - er brach sich nach der enttäuschten Totenstille unter den Zebras nach dem Abpfiff langsam, aber bestimmt Bahn. "In unserer Halle und mit unseren Fans in der 'weißen Wand' können wir Montpellier auch mit zehn Toren Unterschied schlagen. Das müssen wir uns in den nächsten Tagen immer wieder bewusst machen", sagte Harald Reinkind. "Jeder Kieler sollte mit uns daran glauben." Kreisläufer Petter Överby sprach über die "riesige Enttäuschung über unsere Leistung. Montpellier hat sein bestes Spiel gemacht, und wir waren einfach nicht gut genug." Wenig später verdrängte aber auch bei dem Norweger die Kampfeslust die Trübsal: "Wir werden nicht aufgeben und in der Woche hart arbeiten, um das Ergebnis im Rückspiel zu drehen." Routinier Steffen Weinhold: "Es ist direkt nach solch einem Auftritt nicht leicht, an ein Wunder zu glauben. Aber wir werden jeden Tag hart dafür arbeiten, dass wir eine fantastische Nacht in Kiel erleben werden."