36:38-Niederlage: THW Kiel verliert intensiven Königsklassen-Kampf in Celje
Celje, kleiner Ort in Slowenien, RK aber ist ein großer Name auf der Handball-Landkarte. Der THW Kiel war gewarnt vor seiner Auswärtspremiere in der Machineseeker EHF Champions League, auch als Favorit. Und es geschah Mittwochabend dennoch: Die Kieler kassierten ihre erste Saison-Niederlage in einem Pflichtspiel, zogen beim 36:38 (14:17)-Torespektakel vor 2100 Zuschauern in der Dvorana Zlatorog den Kürzeren. Der THW fand vor allem in der Abwehr nie zu seinem Spiel und traf auf einen Gegner, der sich in einen Rausch spielte, in der Deckung ordentlich zulangte und den Sieg über den deutschen Rekordmeister frenetisch feierte.
Zehn Treffer von Wiencek reichten nicht
Kreisläufer Patrick Wiencek stemmte sich entschlossen gegen die Niederlage, erzielte zehn Treffer und kämpfte um jeden Meter Hallenboden. Sechs Tore gingen jeweils auf das Konto von Harald Reinkind und Magnus Landin. Beim Sieger zeichnete sich Aleks Vlah, der Star im Team, mit ebenfalls zehn Treffern aus. Die meisten erzielte der 25-Jährige gegen Kiels Torhüter Tomas Mrkva, der von THW-Trainer Filip Jicha den Vorzug vor Niklas Landin erhalten hatte. Landin kam erst in der zweiten Halbzeit, musste seinen Platz aber nach 15 Minuten wieder räumen. Es ging also vieles schief für den THW Kiel, der neben seinen Langzeit-Verletzten Sander Sagosen und Hendrik Pekeler auch auf Kapitän Domagoj Duvnjak (familiäre Gründe) und Regisseur Miha Zarabec verzichten musste. Zarabec hatte ausgerechnet in seiner Heimat erneut mit Rückenproblemen zu kämpfen, war für die Startformation vorgesehen, musste aber passen. Gleiches galt weitestgehend auch für Steffen Weinhold: Der Linkshänder war am Morgen mit Rückenproblemen aufgewacht, versuchte noch einmal alles, musste dann aber doch wieder auf der Bank Platz nehmen.
Celje dreht Kieler Führung
Der Start glückte dem deutschen Rekordmeister trotz allem: Harald Reinkind und Petter Överby brachten die Zebras 2:0 in Front, Eric Johansson erzielte in der vierten Minute das 3:1, das die Gastgeber durch Tore von Ivankovic und Cokan aber schnell egalisierten. Cokan war es auch, der die erneute THW-Führung durch Kreisläufer Patrick Wiencek nach Anspiel von Nikola Bilyk zum 4:4 ausglich. Magnus Landin leitete mit einem Doppelschlag dann einen Kieler 4:0-Lauf ein, den Petter Överby und Patrick Wiencek zum 8:4 vollendeten. Der deutsche Rekordmeister schien das Spiel in den Griff zu bekommen, eine Auszeit von Celje-Coach Alem Toskic kam für den slowenischen Rekordmeister dann zur rechten Zeit. Fortan liefs bei den Gastgebern rund, während der THW plötzlich Sand im Getriebe hatte. Der Sand hatte Namen. Vor allem war es der 21-jährige Torhüter Gal Gabersek, der seinen Kasten zunagelte, elf Paraden in der ersten Halbzeit zeigte und die Kieler Angreifer zur Verzweiflung trieb. Zum anderen überzeugte Aleks Vlah, der von seinem Trainer in beiden Halbzeiten erst nach zehn Minuten ins Spiel gebracht wurde, dann aber richtig Gas gab. Unter der Regie von Vlah drehte der Champions-League-Sieger von 2004 das Spiel in seine Richtung, glich in der 16. Minute zum 8:8 aus, musste beim Kieler 9:8 durch Wiencek und 10:9 von Reinkind noch zweimal Rückständen nachlaufen, um ab der 20. Minute den Ton anzugeben und die eigene Führung Stück für Stück auszubauen.
Zu viele Gegentreffer kassiert
Beim 11:15 durch Zabic hatten die Slowenen erstmals vier Tore vorgelegt, dabei profitierten Vlah und Co. allerdings auch von ungewohnten Schwächen in der Kieler Deckung. Außerdem ließen die THW-Angreifer viele eigene Möglichkeiten ungenutzt. Beispielsweise Niclas Ekberg: Der Schwede, der ansonsten ein Garant für Tore von der Siebenmeterlinie ist, ließ zwei Strafwürfe ungenutzt, setzte einen hoch übers RK-Tor, den anderen an den Pfosten. Jicha beorderte später Magnus Landin an den Punkt, der das Vertrauen seines Trainers rechtfertigte. Kiel haderte zudem mit den dänischen Schiedsrichtern, die manch' unverständliche Entscheidung trafen, vor allem im zweiten Durchgang die sich immer steigernde Aggressivität in der Celjer Deckung zuließen. Am Ende aber suchte der THW Kiel die Schuld an der Niederlage bei sich selbst: "38 Gegentore sind zu viel, das darf uns eigentlich nicht passieren", analysierte Nikola Bilyk die 60 Minuten. "Und im Angriff lassen wir viele klare Chancen liegen, die wir im Normalfall reinmachen." Die wenigen mitgereisten THW-Fans warteten auch in der zweiten Halbzeit vergeblich auf eine erneute Wendung im Spiel, sahen, wie Celje weiter davonzog: 19:25 hieß es nach 40 Minuten, Landins Siebenmeter brachte den THW in der 45. Minute auf zwar 23:26 heran, doch Celje blieb eiskalt, während der THW Kiel nie das Momentum auf seine Seite ziehen konnte. Vlah, ständiger Antreiber und Torschütze, sorgte dann für die endgültige Entscheidung. Spätestens beim 30:36 in der 55. Minute durch Muhovic war die Messe gelesen, die erste THW-Niederlage der Saison nicht mehr zu verhindern.
Sonntag in Hannover
"Celje hat einen guten Job gemacht, wir müssen jetzt aufstehen, die nächsten Schritte gehen, auf uns schauen und - vor allen Dingen - nicht den Kopf hängen lassen", sagte Bilyk. Denn Teil drei der Kieler Auswärtstournee führt die Zebras bereits am Sonntag wieder in LIQUI MOLY HBL-Gefilde: Bei der stark gestarteten TSV Hannover-Burgdorf geht es für den THW Kiel ab 14 Uhr im Liga-Topspiel um zwei wichtige Zähler. Karten für die Begegnung gibt es noch im Online-Shop der "Recken", der mobile THW-Fanshop wird vor der ZAG-Arena seine Türen öffnen. Weiter geht’s in Hannover, Kiel!
Text: Reimer Plöhn / Fotos: RK CPL
Machineseeker EHF Champions League, 2. Spieltag: RK Celje Pivovarna Lasko – THW Kiel: 38:36 (17:14)
RK Celje Pivovarna Lasko: Belkaied (46.-60. Und 2 Siebenmeter, 3 Paraden), Gabersek (1.-46., 12 Paraden); Strmljan (4), Knez, Mazej (2), Cokan (5/1), Marguc (3/2), Antonijevic, Ivankovic (5), Muhovic (1), Zabic (2), Mlakar (1), Vlah (10/1), Martinovic (2), Suholeznik (3); Trainer: Toskic
THW Kiel: N. Landin (38.-54., 2 Paraden), Mrkva (1.-38., 54.-60., 7/1Paraden); Ehrig, Reinkind (6), M. Landin (6/3), Battermann (n.e.), Øverby (2), Weinhold, Wiencek (10), Ekberg (1/1), Johansson (3), Dahmke, Zarabec (n.e.), Schwormstede, Wallinius (4), Bilyk (4); Trainer: Jicha
Schiedsrichter: Jesper Kirkholm Madsen / Henrik Mortensen (DEN)
Zeitstrafen: Celje: 5 (Martinovic (23.), Mazej (39.), Marguc (49.), Suholeznik (53.), Mlakar (55.)) / THW: 2 (M. Landin (49.), Wiencek (56.))
Rote Karte: Zabic (grobes Foulspiel, 32.))
Siebenmeter: Celje: 7/4 (Cokan vorbei (12.), Marguc überweg (49.), Mrkva hält Vlah (56.)) / THW: 6/4 (Ekberg überweg (22.), Ekberg an den Pfosten (39.))
Spielfilm: 0:2, 1:3 (4.), 3:3, (6.), 4:4, 4:8 (13.), 8:8 (17.), 9:10, 11:10 (21.), 12:11, 15:11 (25.), 15:13 (27.), 17:13 (29.), 17:14;
20:14 (32.), 21:15, 21:17 (35.), 23:19, 25:19 (39.), 25:22 (42.), 28:25 (46.), 30:27 (50.), 32:27 (51.), 34:30 (54.), 36:30 (55.), 36:32 (57.), 37:34 (59.), 38:36.
Zuschauer: 2100 (Dvorana Zlatorog, Celje)
Stimmen zum Spiel:
THW-Trainer Filip Jicha: Glückwunsch zum verdienten Sieg an Celje. Ich bin natürlich enttäuscht, dass wir nicht gewinnen konnten. Aber Celje hat richtig gut gespielt, hatte ein sehr hohes Level im Angriff. Wir konnten sie nicht stoppen oder in Positionen bringen, wo wir sie haben wollten. Der Schlüssel war Celjes Angriff, und 38 Gegentore sind natürlich zu viel. Aber wir wussten, wie stark unser Gegner ist. Wir haben alles probiert, aber Celje war dann auch auf der emotionalen Welle. Am Ende war es dann ein typisches Champions-League-Match mit ganz viel Kampf und einer Celjer Abwehr am Rand der Brutalität. Miha hatte nach dem Warmmachen wieder Rückenprobleme, Steffen bereits nach dem Aufstehen. Miha wäre sonst unsere Option Nummer eins auf der Mitte gewesen. Wir werden aufstehen und weiter an uns arbeiten – und Sonntag steht bereits die nächste schwere Partie an.
THW-Rückraumspieler Nikola Bilyk: 38 Gegentore sind zu viel. Das ist nicht das, was wir mit unseren zwei großartigen Torhütern spielen wollen. Das darf uns eigentlich nicht passieren. Wir müssen da einen besseren Job machen, auch, weil wir zuviele Hundertprozentige im Angriff vergeben haben. Da waren viele Chancen, die wir im Normalfall reinmachen. Am Ende summieren sich die Kleinigkeiten, und dann gewinnt Celje verdient dieses Spiel. Celje hat einen guten Job gemacht, wir müssen jetzt aufstehen, die nächsten Schritte gehen, auf uns schauen und – vor allen Dingen – nicht den Kopf hängen lassen.