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Der Final-Traum ist ausgeträumt: Starke Zebras müssen dem FC Barcelona den Vortritt lassen

Champions League

Der Final-Traum ist ausgeträumt: Starke Zebras müssen dem FC Barcelona den Vortritt lassen

Sie haben alles versucht, sie haben alles gegeben, sie haben eine grandiose erste Halbzeit gespielt - dennoch mussten die Zebras am Samstagabend beim EHF Final4 ihren Final-Traum ad acta legen: Der THW Kiel unterlag im Duell der Handball-Giganten vor der großartigen Kulisse von rund 20 000 Zuschauern dem spanischen Titelträger FC Barcelona mit 30:34 (18:19) und kann am Sonntag um 15.15 Uhr (live bei DAZN) nur noch um Bronze kämpfen. Gegner ist Ungarns Handball-Aushängeschild Telekom Veszprem. Barcelona trifft um 18 Uhr im Finale auf den polnischen Topclub Lomza Vive Kielce, der im ersten Halbfinale mit 37:35 gegen die Ungarn siegreich war.

Barcas Tempospiel zwingt die Zebras in die Knie 

Bester Kieler Torschütze: Patrick Wiencek traf sieben Mal

Die Zebras waren gegen den Top-Favoriten Barcelona vor allem in der ersten Halbzeit ein gleichwertiger Gegner, und das ohne ihre beide Leistungsträger Hendrik Pekeler und Sander Sagosen. Hendrik Pekeler wurde vor der Partie gemeinsam mit THW-Torhüter Niklas Landin für seine Wahl als bester Abwehrspieler in das All-Star-Team der Champions League geehrt. Nur ein schwacher Trost für die Zebras und alle erwartungsfrohen Kieler Fans, die auf das kleine Wunder von Köln gehofft hatten, aber letztlich doch dem FC Barcelona gratulieren mussten. Das bedingungslose Tempospiel der in Bestbesetzung angetretenen Spanier zwang die großartig kämpfenden und alles aus sich rausholenden Zebras letztlich doch in die Knie.

Kieler starten stark

Voller Einsatz auch im 56. Saisonspiel: Kapitän Domagoj Duvnjak

Dabei eröffnete der THW die Partie mit einem Start nach Maß, den Ballklau nach 30 Sekunden verwertete Rechtsaußen Niclas Ekberg zur 1:0-Führung, die Barcas Wirbelwind Aleix Gomez aber schon im Gegenzug zum 1:1 egalisierte. Patrick Wiencek avancierte zu Kiels Angreifer Nummer eins in der ersten Halbzeit, traf zum 2:1 und per Heber nach Zauberanspiel von Miha Zarabec auch zur 3:2-Führung. Es blieb eng, kein Team war in der Lage sich abzusetzen. Bei Wienceks Treffer zum 8:7 nach Anspiel von Harald Reinkind war so etwas wie Magie in der Luft, ein Traumtor, das die "weiße Wand" in Stimmung brachte, Kiels Fans auf mehr hoffen ließ. Aber immer wieder war es vor allem Gomez, der die aufkeimende Kieler Euphorie dämpfte. So, als Torhüter Niklas Landin in der 15. Minute den Siebenmeter des Spaniers parierte, der Abpraller aber landete erneut bei Gomez: Erste Führung für Barcelona zum 10:9.

Frühe zweite Zeitstrafe gegen Weinhold

Barcas Abwehr packte fest zu

Die Kieler fighteten zurück, standen in der Abwehr gut, haderten aber auch mit den serbischen Unparteiischen, die nach einigen theatralischen Einlagen der Katalanen zum Teil fragwürdige Zeitstrafen gegen den THW pfiffen. So wurde Steffen Weinhold, Aktivposten in Abwehr und Angriff im Kieler Spiel, in der ersten Halbzeit zweimal auf die Bank geschickt, ging fortan mit "gebremsten Schaum" in die Zweikämpfe, um die dritte Strafe und "Rot" zu vermeiden. Dreimal netzte Kiels Linkshänder insgesamt ein, agierte zwischenzeitlich glänzend auf der Spielmacherposition, lenkte das Spiel der Kieler.

Knapper Pausenrückstand

Harald Reinkind traf sechsmal

Selbstbewusst trumpfte auch Harald Reinkind auf, zweiter Kieler Linkshänder im Rückraum. Viermal traf der Norweger in der ersten Halbzeit, zweimal in Hälfte zwei. Sein Treffer zum 15:14 war in der 25. Minute zugleich die letzte Kieler Führung in diesem Halbfinale. Gomez und Dika Mem brachten Barca in der 27. Minute erneut in Front, THW-Trainer Filip Jicha nahm beim 16:17 eine Auszeit, schwor seine Mannschaft auf die restliche Spielzeit der ersten Halbzeit ein. "Männer, ihr macht das gut", gab er den Zebras mit auf den Weg. Steffen Weinhold glich zum 17:17 aus, Gomez und Mem antworteten zum 17:19, doch kurz vor dem Halbzeitpfiff traf Patrick Wiencek zum sechsten Mal: 18:19.

Barca nutzt Kieler Fehler

Miha Zarabec erzielte mit links ein Tor

Miha Zarabec' Solo zum 19:19, mit der linken Hand erzielt, eröffnete den zweiten Durchgang, doch Barcelona konterte, zog binnen drei Minuten durch Fabregas und zweimal Gomez auf 23:20 davon. Zwei Zeitstrafen gegen die Spanier nutzten die Zebras dann zur Aufholjagd: Niclas Ekberg verwandelte einen Strafwurf, und Magnus Landin traf von Linksaußen zum 22:23. Holztreffer, Abspielfehler und der sich steigernde Barca-Keeper Perez de Vargas drehten den Verlauf der Partie dann doch langsam auf die Seite des Titelverteidigers, der die geringere Effizienz des Kieler Angriffsspiels gnadenlos ausnutze: Langaro erzielte die erste Vier-Tore-Führung, Harald Reinkind verkürzte in der 44. Minute auf 24:27, aber dem Kieler Spiel fehlte jetzt trotz allen Einsatzes die Frische, außerdem wurden weiter klare Torchancen vergeben oder durch Perez de Vargas vereitelt.

Sonntag geht's um Bronze

Nach dem ausgeträumten Traum bedankten sich die Kieler bei ihrer "weißen Wand"

Über 30:25 (48., Fabregas) zog Barcelona in der 54. Minute auf 32:26 davon, kassierte nach rüdem Foul von Ben Ali gegen Rune Dahmke zwar eine Rote Karte, mit dem fälligen Siebenmeter scheiterte Niclas Ekberg aber an Torhüter Perez de Vargas. In Überzahl glückte den Zebras durch Nikola Bilyk, Domagoj Duvnjak und Sven Ehrig ein 3:0-Lauf zum 29:32 in der 57. Minute, die Arena wurde noch einmal laut. Eine letzte, vage Hoffnung kehrte zurück. Doch der spanische Rekordmeister konterte ein letztes Mal, traf durch Timothey N'Guessan zum 33:29 und schlug die Finaltür für die Zebras endgültig zu. Die bedankten sich bei der "weißen Wand" und wurden von ihren Fans nach einer Partie, in der sie wirklich alle noch vorhandenen Kraftreserven mobilisiert hatten, zurecht gefeiert. Am Sonntag nun geht es im Spiel um Platz drei noch um die Bronzemedaille und das Ende einer Serie: Noch nie hat der THW Kiel in Köln Platz drei gesichert.

Text: Reimer Plöhn / Fotos: Marco Wolff

EHF Champions League, Halbfinale: THW Kiel – FC Barcelona: 30:34 (18:19)

THW Kiel: N. Landin (1.-43., 48.-60., 6/1 Paraden) Quenstedt (43.-48., keine Parade); Ehrig (1), Duvnjak (3), Reinkind (6), M. Landin (1), Myrhol (1), Weinhold (3), Wiencek (7), Ekberg (3/1), Ciudad (n.e.), Dahmke, Zarabec (3), Horak, Bilyk (2); Trainer: Jicha
FC Barcelona: Perez de Vargas (1.-24., 29.-60., 11/2 Paraden), Maciel (24.-29., keine Parade); Mem (4), Arino (1), Janc (2), N’Guessan (3), Gomez (12/5), Petrus, Cindric (3), Fernandez (3), Makuc, Langaro (2), Ben Ali (1), Richardson, Fabregas (2), Zein; Trainer: Ortega

Schiedsrichter: Nenad Nikolic / Dusan Stojkovic (SRB)
Zeitstrafen: THW: 4 (2x Weinhold (2., 25.), 2x Reinkind (18., 35.), M.Landin (28.)) / Barca: 5 (2x Fabregas (30., 37.), Petrus (37.), Zein (46.), Mem (55.))
Rote Karte: Ben Ali (grobes Foulspiel, (54.))
Siebenmeter: THW: 3/1 (Perez de Vargas hält 2x Ekberg (10., 54.)) / Barca: 6/5 (Landin hält Gomez (18.))
Spielfilm: 1:0, 3:2, 5:4 (10.), 8:7 (13.), 9:8, 9:10 (18.), 11:12 (21.), 13:12 (22.),15:14, 15:16 (26.), 17:17, 17:19 (30.), 18:19;
19:19, 20:20, 20:23 (36.), 22:23 (38.), 22:25 (40.), 23:27 (44.), 24:29 (46.), 26:30, 26:32 (52.), 29:32 (57.), 29:33 (53.), 30:34
Zuschauer: 19.500 (Lanxess Arena, Köln)

Stimmen zum Spiel: 

THW-Trainer Filip Jicha: Glückwunsch an Barca und Carlos zu diesem verdienten Sieg. Ich bin trotzdem stolz auf meine Mannschaft, die wirklich alles auf der Platte gelassen hat, was noch in den Beinen und Köpfen war. Jeder hat alles gegeben, um Barca zu überraschen. In der ersten Halbzeit hat das auch sehr gut funktioniert. Leider hat Perez de Vargas dann zu Beginn der zweiten Halbzeit einige Paraden gezeigt, die Barca Luft verschafft haben. Wir haben uns gute Möglichkeiten herausgespielt, aber die Effizienz fehlte dann. Gegen Barca zu spielen, kostet unglaublich Kraft. Sie haben einen brutalen Kader und konnten rotieren. Es tut mir leid für die Jungs, dass sie sich nicht belohnen konnten. Jetzt wollen wir noch einmal alles geben, um die Partie gegen Veszprem zu gewinnen. Auch wenn das ein Match ist, dass beide Mannschaften vor dem Start des Turniers nicht spielen wollten…

Barca-Trainer Carlos Ortega: Das Spiel hatte zwei verschiedene Hälften. In der zweiten Halbzeit haben wir uns besser auf das Sieben-gegen-Sechs der Kieler eingestellt, und wir hatten Perez de Vargas. Es ist sehr wichtig für mich und den Club, nach einem schwierigen Jahr das Finale von Köln zu erreichen – und das gegen eine super Mannschaft wie die von Kiel.

THW-Rückraumspieler Nikola Bilyk: Wir haben alles versucht, um dieses Spiel zu gewinnen, aber unglücklicherweise für uns war Barca einfach besser. Jetzt wollen wir Platz drei holen, um uns mit einem schönen Sieg gegen Veszprem in die Ferien zu verabschieden. Es ist noch nicht vorbei, auch wenn es sich aktuell so anfühlt. Wir werden wieder kämpfen morgen.

Barca-Torhüter Gonzalo Perez de Vargas: Kiel haben mit zwei Schlüsselspieler gefehlt, das darf man nicht vergessen. Wir hätten uns gewünscht, gegen einen kompletten THW Kiel spielen zu können, denn das ist das, was diesen Sport ausmacht. Jetzt sind wir unserem Ziel, wieder zu gewinnen, einen Schritt näher gekommen. Morgen wollen wir gegen eine starke Mannschaft aus Kielce den finalen Schritt machen.

THW-Torhüter Niklas Landin: Man muss anerkennen, dass Barca extrem gut vorbereitet war, das extrem gut umgesetzt hat und sie das Spiel verdient gewonnen haben.