Niclas Ekberg: Der ungekrönte Tor-König
Er hat es geschafft. "Endlich", entfuhr es Niclas Ekberg mit einem tiefen Seufzer nach dem Finalsieg gegen Barca, als er völlig ausgepumpt nach dem Interview-Marathon die Kabine erreichte. Als er einen Blick auf seine Medaille warf und den Königsklassen-Pokal im Arm seines Kabinennachbarn Niklas Landin erspähte. Endlich am Ziel. Fünf mal war der Schwede zuvor mit Kopenhagen und dem THW Kiel in Köln gestartet, hatte bereits Bronze und Silber gewonnen - der große Wurf blieb aber aus. Bis zum sechsten Versuch am 29.12.2020 - da bestieg Ekberg endlich den europäischen Thron. An sich hätte der 32-jährige Rechtsaußen auch der König der EHF Champions League sein müssen, denn mit 85 Toren warf er in der Saison 2019/2020 mehr Treffer als jeder andere im Wettbewerb. Die persönliche Krönung blieb allerdings aus.
Eiskalter Schwede
Eiskalt: Ekberg verwandelte in Köln alle zehn Siebenmeter
Wie wichtig Ekberg, gemeinsam mit Patrick Wiencek dienstältestes Zebra, für das Gefüge des Rekordmeisters ist, stellte er einmal mehr auch in der Domstadt unter Beweis. Eiskalt verwandelte er in Köln an beiden Tagen alle zehn Siebenmeter, ließ dabei weder von den Weltklasse-Torhütern Vladimir Cupara und Rodrigo Corrales auf Veszpremer Seite noch von Barcas Weltklasse-Duo aus Kevin Möller und Perez de Vargas aus der Ruhe bringen. Im Halbfinale war es Ekberg, der in der Verlängerung nach 70 Minuten Dauer-Einsatz kühlen Kopf bewahrte, und die Zebras mit seinem Tor zum 35:34 vom Kreis und zum entscheidenden 36:35 aus spitzem Winkel ins Finale warf. Der kurz darauf noch von Nenadic einen kapitalen Kopf-Treffer kassierte, aber bereits in der Kabine - mit einem dicken Eisbeutel an der "Einschlagstelle" - wieder seine Einsatzbereitschaft signalisierte: "Interviews? Kein Problem - wir stehen im Finale!"
Sechstes VELUX EHF Final4
Autsch! Ekberg "blockte" im Halbfinale den entscheidenden Wurf - allerdings mit dem Kopf
Ekberg war in Köln ein gefragter Mann. Nicht nur, weil er das erfahrenste "VELUX EHF Final4"-Zebra war. 2012 hatte sich Ekberg mit Kopenhagen für das Final-Turnier qualifiziert, unterlag aber im Halbfinale Atletico Madrid unter eigenartigen Umständen mit 23:25. Platz drei nach einem 26:21 gegen die Füchse Berlin war da ein schwacher Trost. 2013 war sein heutiger Kapitän Domagoj Duvnjak das Stoppschild für Ekberg bei seinem neuen Club THW Kiel: Mit elf Treffern warf "Dule" den HSV gegen seine da bereits feststehende neue Mannschaft erst ins Finale und einen Tag später zum Titel. 2014 folgte die bittere Final-Niederlage gegen den nörlichen Rivalen aus Flensburg, 2015 das 27:31 gegen Veszprem im Halbfinale. Und 2006 - bei der bisher letzten Teilnahme der Kieler in Köln - das 28:31 im Halbfinale gegen Veszprem nach Verlängerung. Beim sechsten Anlauf hat es der sympathische Schwede nun geschafft. "Endlich!"
Ekberg lieferte auch im Finale ab
Große Ehre: Niclas Ekberg vertrat neben Filip Jicha den THW Kiel nach dem Finale in der Pressekonferenz
Und das auch, weil Ekberg im Finale - wie alle anderen Kieler - ablieferte. Mit acht Treffern, sechs davon in der richtungsweisenden ersten Halbzeit, einmal mehr bester THW-Torschütze war. Mit seinem Siebenmeter zum 30:26 (58.) den Deckel auf den größten THW-Triumph seit acht Jahren packte. Der von den drei Kapitänen, normalerweise nach einem Titel gesetzt für die Pressekonferenz, die Ehre zugeteilt bekam, den Kieler Erfolg vor der Welt-Presse einordnen zu dürfen. Dabei gab er zu Protokoll, noch gar nicht realisiert zu haben, dass er sich ab sofort Champions-League-Sieger nennen darf: "Ich war sprachlos nach dem Schlusspfiff. Diese Mannschaft, diese Truppe - wir ackern jeden Tag so hart zusammen, um diesen Titel zu erreichen. Und wenn man da dasteht und gemeinsam feiern kann, dann ist das unbeschreiblich."
Dank an Fans und Sponsoren
In der Kabine begriff Niclas Ekberg langsam den großen Triumph
Gleichzeitig nutzte er die Chance, sich bei denen zu bedanken, die dieses Mal leider nicht mit nach Köln reisen durften: "Ohne die Unterstützung der Fans zu Hause und der Sponsoren wäre dieser Erfolg nicht machbar gewesen. Deswegen möchte ich mich bei allen bedanken, die uns geholfen haben, diesen Titel zu holen. Wir haben die bestmöglichen Vorausetzungen gehabt", sprudelte es aus dem ansonsten eher ruhigen Rechtsaußen heraus. "Und wir sind einfach eine geile Truppe. Wir zeigen immer, dass wir unbedingt etwas erreichen wollen. Das macht mich unglaublich stolz, in dieser Mannschaft zu spielen. Alle haben wir die gleichen Ziele - und wenn man diese erreicht, gibt es einfach nichts Besseres!"
"Endlich!"
Stolz und überwältigt: Niclas Ekberg im "Jubelgriff" von Sander Sagosen
Und schloss wieder mit diesem beinahe ungläubigen "Endlich!". Dass er mit seinen 85 Treffern zwar als Torschützenkönig der EHF Champions League, als erster Kieler nach Filip Jicha 2009/2010, geführt wird, aber wegen der besonderen Umstände mit dem verspäteten VELUX EHF Final4 und der Vereinswechsel im Sommer keine Trophäe dafür erhielt, beantwortete er mit einem Schulterzucken. "Wichtig ist, dass wir den Arm mit zurück nach Kiel bringen - endlich!"