KN: Schwer verdaulich
Die Zebras des THW Kiel haben heftig mit der historischen Niederlage in Paris zu kämpfen
Trotz des Desasters: Bis einschließlich Mittwoch gibt THW-Coach Alfred Gislason seinen Spielern frei („zum Nachdenken“). Weder die deutschen noch die schwedischen Nationalspieler nehmen zudem an den Länderspielen am kommenden Wochenende teil. Das bedeutet: Erst das Achtelfinal-Hinspiel gegen die Rhein-Neckar Löwen am 22. März (18.30 Uhr) bietet nächste Gelegenheit, die Schmach von der Seine vergessen zu machen. Diesen Abend im frühlingswarmen Pariser 100 000-Einwohner-Vorort Boulogne-Billancourt werden Domagoj Dunvnjak, Andreas Wolff und Co. so schnell nicht vergessen. Der an diesem Tag überragende Pariser Nikola Karabatic, hinter Uwe Gensheimer und Mikkel Hansen (je 7) mit sechs Treffern erfolgreichster Torschütze, ließ es sich mit seinem Gefolge an einer langen Tafel im Restaurant „Le Cardinal“ bei frischem Fisch und Wein gutgehen. Der gedemütigte, soeben „pulverisierte“ („L’Equipe“) Kontrahent gestaltete den anberaumten Teamabend kurzerhand um, blieb zum Essen im Hotel Radisson Blu und gab sich einer Mischung aus Frust und Ursachenforschung hin. Während Karabatic und Co. beim Fisch den ihrerseits höchsten Königsklassen-Triumph überhaupt genossen, „haben wir versucht“, so Dissinger, „dieses Spiel zu verdauen“. „Das wird dauern“, blickte Blazenko Lackovic am Montag auf den zähen Verdauungsvorgang voraus. Selbst in der Bundesliga-Historie des THW kommt eine Demütigung mit 18 Toren Differenz nicht vor. Dreimal unterlag der 20-malige deutsche Meister mit 15 Toren Differenz: Am 4. Februar 1968 beim VfL Gummersbach (17:32), am 19. Mai 1986 bei TuSEM Essen (14:29) und am 20. Dezember 2006 beim SC Magdeburg (24:39).Zu unwirklich, zu schicksalhaft kam diese Niederlage über den THW wie ein Armageddon. Fast schien es, als könnten selbst die Franzosen das Erlebte, diese Demontage, die sie dem im Hinspiel noch siegreichen, schillernden THW beigebracht hatten, kaum in Worte fassen. „Ich erinnere mich nicht, wann ich den THW jemals so gesehen habe“, sagte Ex-Zebra Daniel Narcisse und schob fast entschuldigend hinterher: „Das war echt überraschend.“ Rückraum-Star Mikkel Hansen beließ es bei einem einfachen „strange“ – merkwürdig. Und Torwart-Oldie Thierry Omeyer, ebenfalls ein ehemaliger Kieler und bekannt dafür, ein stets und ständig zielorientierter Mensch zu sein, sagte: „Das hat Spaß gemacht. Wir haben einfach immer weitergespielt.“ „Ici c’est Paris“ – hier ist Paris – hatten die PSG-Fans wie ein Donnerwetter durch das nicht ausverkaufte Stade Pierre de Coubertin schallen lassen. Ici c’est Paris prangte auch hinter den Toren, hinter denen die Konterfeis der PSG-Größen wie mahnende Riesen offenbar jedem Furcht einflößen sollen, der näher als neun Meter an das Tor herankommt. Aber reichen ein paar böse Blicke, um das Gefüge des letztjährigen Champions-League-Halbfinalisten so mir nichts, dir nichts aus den Angeln zu heben? „Alle haben nicht genug gekämpft. Wir hatten keine Chance, unsere Abwehr war beinahe nicht existent“, sagte Alfred Gislson und blickte voraus auf die nächste Aufgabe, das Achtelfinale gegen die Löwen: „Wir kennen uns gut, es wird sehr schwer. Wie wir in Paris gespielt haben, ist dabei keine Hilfe.“ In den Spielen gegen den deutschen Meister geht es jetzt nicht nur um den Einzug ins Viertelfinale. Nach der schlechtesten Gruppenphase der Zebras in 24 Jahren Champions League (5 Siege, 2 Unentschieden, 7 Niederlagen) steht auch das Renommee des THW auf dem Spiel. (Von Tamo Schwarz, aus den Kieler Nachrichten vom 14.03.2017, Foto: Archiv/Sascha Klahn)