Teil zwei im Giganten-Duell: Showdown im Palau Blaugrana
"Barcelona ist immer noch der Favorit"
Teil eins des Giganten-Duells im Kampf um Köln ging an die "Zebras": In einem rassig geführten Match gewannen die Kieler am Sonntag mit der fantastischen Unterstützung von 10.285 Fans und viel Leidenschaft mit 29:24 gegen den haushohen Favoriten. Dieser Sieg habe aber wenig an der Ausgangslage geändert, erklärte THW-Trainer Alfred Gislason gleich nach den ersten 60 Minuten des Königsklassen-Klassikers: "Trotz des Fünf-Tore-Sieges ist es dieselbe Situation wie vor dem Hinspiel: Barcelona ist der Favorit, und es wird sehr schwer werden, im Palau Blaugrana dagegen zu halten. Barca kann zu Hause noch viel stärker als in Kiel spielen. Im Gegenzug müssen wir in Barcelona einen noch stärkeren Abend als in Kiel erwischen." Auch Joan Canellas warnte vor zuviel Sicherheit angesichts der knappen Führung: "Das Hinspiel-Ergebnis ist gut, aber das heißt noch lange nichts. Es wird sehr schwer, im Palau Blaugrana zu bestehen. Barcelona ist immer noch der Favorit. Der Sieg am Sonntag war der erste Schritt, Sonnabend muss der nächste folgen."
THW gewann bisher zweimal im Blaugrana
"Leidenschaft mitnehmen": Dominik Klein weiß, wie man im Palau Blaugrana gewinnt"Die Leidenschaft aus dem Hinspiel müssen wir mitnehmen nach Barcelona", sagt auch Dominik Klein. Der Linksaußen machte im Hinspiel eine überragende Partie, erzielte neun Treffer. "Wir haben keine Glückwünsche zum Sieg angenommen, denn es ist erst Halbzeit. Und niemand wird zur Halbzeit beglückwünscht. Wir brauchen in Barcelona mindestens noch einmal solch eine Leistung wie am Sonntag. Wir wissen, was uns dort erwartet." Tatsächlich ist Dominik Klein neben Igor Anic und Christian Sprenger eines von drei "Zebras", die wissen, wie man im Palau Blaugrana gewinnt. Er war bei beiden Kieler Siegen in der höllischen Atmosphäre der altehrwürdigen Halle dabei: Am 19. Oktober 2008 gewannen die "Zebras" erstmals in der Geschichte beim FC Barcelona (31:27, siehe Spielbericht im THW-Archiv), ein knappes Jahr später - am 11. Oktober 2009 - ließen sie den bisher letzten Auswärts-Sieg in Katalonien folgen (30:27).
So bucht der THW das Köln-Ticket
Wenn die Partie am Sonnabend mit exakt diesem Ergebnis endete, gäbe es nach dem 29:24 im Hinspiel direkt nach dem Schlusspfiff ein Siebenmeter-Werfen, die "Ultima Ratio" im Kampf um das Köln-Ticket. Dieses buchen würden die "Zebras" mit einem Sieg, einem Unentschieden, einer Niederlage mit weniger als fünf Toren Unterschied oder einer Fünf-Tore-Niederlage, bei der die Kieler mehr als 24 Treffer erzielen. "Man kann in Barcelona nicht auf Ergebnis spielen", sagt Klein. "Wir müssen 60 Minuten alles geben, jeder muss für sich, den Nebenmann und den THW alles abrufen. Und wir müssen mit vollem Einsatz in diesem Hexenkessel kühlen Kopf bewahren."
Barcelona setzt auf Magie
Die Entscheidung, welche der beiden Top-Mannschaften nach Köln reisen wird, fällt am Sonnabend ab 18.30 Uhr. Der FC Barcelona setzt gegen den THW Kiel auch auf die "Magie des Palau Blaugrana": Seit Montag werden die frei verkäuflichen Tickets, die nicht kostenlos an Mitglieder des Clubs abgegeben werden, zum halben Preis angeboten, sodass am Sonnabend mit Sicherheit alle 7.585 Plätze besetzt sein werden. Aus Kiel reisen rund 200 Fans mit in die Mittelmeer-Metropole und werden den THW im Höllenlärm des Stahlbeton-Kuppelbaus in direkter Nachbarschaft zum Fußballstadion "Camp Nou" unterstützen. Es könnte das letzte Mal sein, dass die beiden Handball-Giganten in dieser Arena aufeinandertreffen: 2017 soll mit dem Bau des neuen "blauroten Palastes" begonnen werden. Die Pläne für die 12.000-Zuschauer-Arena stellte der FC Barcelona kürzlich vor.
Kieler Sky-Bars zeigen THW
Die Kieler Handballer reisen am Freitag nach Barcelona. Mit an Bord sind auch die Verletzten, Christian Dissinger und Rene Toft Hansen, sowie der in der Königsklasse nicht spielberechtigte Blazenko Lackovic, die das Team in der Mittelmeer-Metropole unterstützen werden. Schiedsrichter der Partie sind Slave Nikolov und Gjorgji Nachevski aus Mazedonien. Vladimir Sokol aus Kroatien reist als Referree-Delegierter nach Barcelona. EHF-Delegierter ist Miroslaw Baum aus Polen. Sky überträgt die Partie ab 18:15 Uhr live. Gemeinsam anfeuern können THW-Fans die "Zebras" in den Kieler Sky-Bars (unter anderem "Bar Cultura", Sporthotel Avantage, "McLang's Irish Pub", Gutenberg, "Mann's", Pagelsdorf Sportcenter, Projensdorfer Sportsbar) sowie im Biergarten der Forstbaumschule, wo das Spiel live auf einer Großbildleinwand gezeigt wird. Auf geht's, Kiel!
Ãœberragende K.o.-Bilanz
KN: Berüchtigt, mystisch, selten voll
Kiel. Der Palau Blaugrana, der "blau-rote Palast", ist berüchtigt, die "mystische" Stimmung bei Heimspielen hat dem FC Barcelona so manchen Weg bereitet. Und das obwohl die 7585 Zuschauer fassende Halle direkt neben dem legendären Camp Nou so gut wie nie voll ist, der Oberrang in den meisten Partien geschlossen bleibt. In den sieben Champions-League-Gruppenspielen kamen im Schnitt 3832 Fans in den Palau, den Höchstwert 4776 erreichte die Partie gegen Pick Szeged. Der Zuschauerzuspruch steht in krassem Gegensatz zur Sportbegeisterung der Katalanen, der Anziehungskraft des legendären FC Barcelona und der Qualität der Mannschaft, die nicht nur für THW-Coach Alfred Gislason als großer Favorit auf den Titel gilt. Spätestens seit der Erfahrung mit dem tosenden Hexenkessel Sparkassen-Arena am vergangenen Sonntag wollen die Katalanen etwas ändern und setzten die Ticketpreise auf 10,50 Euro herunter - die 200 THW-Fans, die die Zebras in Barcelona unterstützen, hatten den regulären Preis von 21 Euro bezahlt. Dabei spielen die Handballer am Sonnabend außer Konkurrenz: Die Fußballer des FCB treten in Sevilla an, Espanyol spiel erst am Sonntag, die Basketballer bereits am Freitagabend, ebenfalls im Palau Blaugrana. Ob die Arena nun voll wird oder nicht - laut wird es auf jeden Fall. Und der FCB trumpft zu Hause für gewöhnlich deutlich stärker auf als auswärts, das mussten auch die Rhein-Neckar Löwen bei ihrer 20:26-Niederlage in Barcelona anerkennen. Doch während die Katalanen in der spanischen Liga kein Heimspiel mit weniger als zehn Toren Differenz gewannen, machen die Partien in der Champions League Hoffnung: Gegen Kielce setzte es eine 31:33-Niederlage, auch mit den Ergebnissen gegen Kristianstad (34:32), Kolding (28:25) und Vardar Skopje (31:30) würde der THW den Sprung ins Final Four schaffen. Alles Zahlenspiele, Spekulationen und Vorgeplänkel - am Sonnabend (18.30 Uhr) wird es ernst. Im wahrscheinlich vollen, auf jeden Fall lauten und definitiv mystischen Palau Blaugrana. (Von Niklas Schomburg, aus den Kieler Nachrichten vom 28.04.2016)
KN: Das Spiel des Jahres
Kiel/Barcelona. Es wird - das ist schon vorher klar - mehr als ein normales Handballspiel, wenn heute Abend (18.30 Uhr) im Viertelfinal-Rückspiel der Champions League die ewigen Duellanten FC Barcelona und THW Kiel aufeinanderprallen. Für die Zebras ist es das Spiel des Jahres, eine Frage der Ehre in einer Saison, die titellos zu enden droht. Bei den Katalanen grassiert ein diffuses Gefühl von Angst und Ausnahmesituation. THW-Trainer Alfred Gislason sucht am Freitag den Weg in die Köpfe seiner Spieler, sagt: "Sie müssen eigentlich den Fünf-Tore-Vorsprung aus dem Hinspiel (29:24, d. Red.) vergessen, denn der bedeutet im Palau Blaugrana am Sonnabend nichts mehr." Um 11 Uhr hebt am Freitag der Flieger von Hamburg in Richtung Barcelona ab. An Bord sind alle Zebras, auch die verletzten Christian Dissinger, René Toft Hansen und Niclas Ekberg, der nicht spielberechtigte Blazenko Lackovic. Dieser Betriebsausflug ist kollektive Verpflichtung. Am späten Nachmittag wird in einer Nebenhalle des Palau Blaugrana trainiert, was nicht zu trainieren ist: die Mutter aller Handball-Fights. Schwer sei es, sagt Gislason, sich in dieser von Mythen umrankten Halle zu verständigen. "Es strahlt laut aus allen Richtungen, es wird sicher hektisch werden, jedes Foul wird zelebriert. Das alles? Müssen wir ausblenden", so der Isländer. Zweimal in Folge hat es der 56-Jährige vorgemacht, wie es geht, dort zu triumphieren: 2008 und 2009, jeweils in der Gruppenphase. Heute werden die Karten neu gemischt. Wieder wird Gislason auf Patrick Wiencek setzen, auch Rechtsaußen Christian Sprenger wird trotz gereiztem Knie zum (Kurz-)Einsatz kommen. Der FCB habe, vermutet Gislason, damit gerechnet, in Kiel zu gewinnen oder ein engeres Ergebnis zu erzielen. "Trotzdem ist die Ausgangslage unverändert. Der Druck für die Spanier ist groß, aber damit können sie umgehen. Wir brauchen noch einmal so ein gutes Spiel wie in Kiel, müssen uns das Final Four hart verdienen." Große Erwartungen setzt der Kieler Chefcoach in "seinen" Spanier Joan Cañellas: "Er kennt den Palau Blaugrana, er kommt von dort. Er muss - genau wie Domagoj Duvnjak - eine Führungsrolle übernehmen." Auch Dener Jaanimaa könnte wieder ein Faktor werden. Wie ein VHS-Video im Schnell-Vorlauf spulte der Este im Hinspiel seine Aktionen ab, erzielte zwei wichtige Tore. Am Freitag sitzt er nach dem Essen im Hotelzimmer, kommt an in der Mittelmeer-Metropole. Der 26-Jährige ist urplötzlich zum Ersatz-Rechtsaußen für Sprenger und Ekberg geworden. "Ich habe da früher nie gespielt. Aber wenn Alfred es will, dann mache ich das", sagt Jaanimaa. Er habe im Hinspiel "nicht übertreiben, safe spielen" wollen. Er überzeugte; keine Show, immer im Dienst der Mannschaft, in der es Jaanimaa "sehr cool" findet. Noch scheint sein Abschied aus Kiel nicht beschlossene Sache, hängt wohl auch von Christian Sprengers Verletzungs-Prognose ab. "Wenn Kiel will, würde ich sofort ja sagen", sagt Jaanimaa. Am Freitag will die Tageszeitung "El Mundo Deportivo" auf ihrer Internetseite wissen: Schafft der FCB das Comeback? Nur 52 Prozent der User stimmen mit "Ja". Am Abend zuvor sperrt Xavi Pascual, Trainer der Katalanen ("Wenn wir unsere Arbeit nicht machen, gibt es auch keine Magie"), die Presse vom Training aus. Angeblich seien zwei Spieler verletzt. Wer das ist, solle nicht an die Öffentlichkeit dringen. Das für Mittwoch angesetzte Spiel in der Liga Asobal gegen SD Teucro wurde kurzerhand auf den 11. Mai verlegt. Ausnahmezustand? Angst? Gibt es dafür einen Grund? Fünf Tore Rückstand aus dem Hinspiel haben die Katalanen bisher im Palau Blaugrana immer gedreht: im Viertelfinale 2005 gegen den THW (25:30 und 33:27) oder 2014 im Viertelfinale, als den Rhein-Neckar-Löwen sogar ein 38:31 im Hinspiel nicht reichte (Rückspiel 24:31). Ein Stachel, der bei Niklas Landin - damals Keeper der Löwen - tief sitzen dürfte. Dominik Klein, Igor Anic, Christian Sprenger, Alfred Gislason - sie alle haben schon im Palau Blaugrana gewonnen, kennen das Gefühl. Das Gefühl, im Viertelfinale auszuscheiden, erlitt Barca zum letzten Mal 2012 (23:29 und 36:33). Gegner damals: AG Kopenhagen - mit Niclas Ekberg und René Toft Hansen. (Von Tamo Schwarz, aus den Kieler Nachrichten vom 30.04.2016)