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KN: Sky will Handball ganz neu erfinden

Champions League

KN: Sky will Handball ganz neu erfinden

Kiel. Am Sonnabend beginnt für den Handballfan in Deutschland ein neues Zeitalter: Wer das Heimspiel der Rhein-Neckar Löwen gegen Montpellier AHB sehen will, das erste Gruppenspiel eines der drei Bundesligisten in der Champions League, wird dafür bezahlen müssen. Die Europäische Handball-Föderation (EHF) verkaufte die Übertragungsrechte für die drei nächsten Spielzeiten an den Pay-TV-Sender Sky.

Eine Entscheidung, die Fans empört. Eine, die bei der EHF, Klubs und Spielern die Hoffnung schürt, endlich eine attraktive Plattform gefunden zu haben. Mit einer hochrangigen Delegation besuchten die EHF und Sky in der vergangenen Woche den THW Kiel und die SG Flensburg-Handewitt, neben den Löwen die weiteren Teilnehmer an der Champions League. In intensiven Gesprächen hinterließen die Gäste einen guten Eindruck. „Ich gehe davon aus, dass es eine super Sache wird“, sagt Kiels Trainer Alfred Gislason. „Ich habe bei fast allen Wünschen zugestimmt.“ Offenbar plant Sky eine völlig neue Darstellung der Spiele. Dabei will der Sender nicht nur einen hohen technischen Aufwand betreiben, sondern auch ganz dicht dran sein. „Mir war nur wichtig, dass die taktischen Besprechungen tabu bleiben“, sagt Gislason, der auch kein Problem damit hat, eine Pulsuhr zu tragen. Er würde regelmäßig amerikanische Sportsendungen verfolgen, da sei es längst selbstverständlich, dass das Fernsehen mittendrin ist. Der Isländer ist noch immer verwundert darüber, wie der NDR damit umging, als er zum letzten Mal bereit war, alle Türen aufzuschließen. Wochenlang begleitete Peter Carstens die Zebras, um für „THW Kiel hautnah“ hinter die Kulissen zu blicken. „Das war eine super Sendung“, sagt Gislason. „Aber dann strahlt der NDR das um kurz vor Mitternacht aus.“ Bei Sky werden die Sendezeiten besser sein, angepeilt sind feste Plätze am Mittwoch, Donnerstag (ab 19.30 Uhr), Sonnabend (21 Uhr) und Sonntag (19.30 Uhr), aber wer den THW auf internationaler Bühne sehen will, wird im Monat mindestens 24,90 Euro dafür bezahlen müssen. „Free-TV gibt es schon jetzt nicht mehr“, argumentiert Dirk Grosse. „Jeder Haushalt zahlt knapp 18 Euro im Monat Rundfunkbeitrag.“ Der Leiter der Sportkommunikation bei Sky verspricht, die Fans zufrieden zu stellen. „Beachvolleyball hat durch unsere Übertragung eine enorme Aufwertung erhalten, die Verband und Spieler glücklich gemacht haben“, sagt Grosse. „Das erhoffen wir uns auch vom Handball.“ Klar ist, dass für Sky nicht nur die Quote und die damit verbundene Werbewirksamkeit wichtig ist. In Deutschland machte der Konzern im vergangenen Jahr einen Umsatz von 1,5 Milliarden Euro, angeblich stammten mehr als 90 Prozent der Einnahmen aus den Abo-Gebühren der 3,8 Millionen Kunden. Was den Fans den Schritt ins neue Zeitalter erleichtern könnte, ist die Tatsache, dass es wohl keinen weiteren Interessenten gab. Eurosport hatte sich offenbar nur noch widerwillig bereit erklärt, in der vergangenen Saison ein letztes Mal zu übertragen. Wohl auch nur, weil MP & Silva, eine Agentur, die für die EHF die Rechte verhandelte, interessantere TV-Pakete als Gegenleistung versprach. „Eurosport hat den Handball lange gut in Szene gesetzt“, sagt Peter Vargo, Leiter der EHF-Marketing GmbH. „Aber was sie zuletzt gemacht haben, war an der unteren Akzeptanzgrenze.“ Vargo ist ein höflicher Mensch, deshalb kann er so nett umschreiben, wie der in Frankreich ansässige Sender tatsächlich mit den deutschen Top-Klubs umgegangen ist. So war es die Regel, dass bei Auswärtsspielen kein Mitarbeiter vor Ort war. Selbst bei Heimspielen des HSV in der Alsterdorfer Sporthalle sollen sich Moderator und Experte nur für die Vorberichterstattung in der Arena getroffen haben. Bei Anpfiff saßen sie im Hamburger TV-Studio und kommentierten anhand der Fernsehbilder, um die aufwändigere Technik für Übertragungen aus der Halle einzusparen. Eurosport hätte jahrelang hochwertig berichtet, widersprach Pressesprecherin Heike Gruner dem Vorwurf, diesen Wettbewerb zuletzt nur noch auf Sparflamme begleitet zu haben. „Dass diese Liga künftig bei Sky zu sehen ist, ist einzig und allein die Entscheidung der EHF.“ Was wäre passiert, wenn Sky das Paket nicht gekauft hätte? Das Regelwerk der EHF sieht vor, dass dann die Vereine die Produktion ihrer Heimspiele hätten übernehmen müssen. Vargo bezifferte die Kosten auf rund 20000 Euro pro Spiel. Ein Bundesligist, der die lukrative Endrunde verpasst, hätte mit den Prämien nicht einmal die TV-Kosten bestreiten können. Einen ersten Vorgeschmack bietet Sky Sport News HD heute ab 18.30 Uhr. Im Mittelpunkt von „Inside Report“ stehen Alfred Gislason und Dominik Klein. „Aus der Sicht eines Spielers ist das eine Abwechslung, die eine Chance bietet“, sagt der THW-Linksaußen. „Wir hoffen, dass wir so einige Fans dazugewinnen.“ (von Wolf Paarmann, aus den Kieler Nachrichten vom 24.09.2014)