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Spannung im Handball-Land: Zebras empfangen Titel-Favorit Flensburg zum 111. Derby

Bundesliga

Spannung im Handball-Land: Zebras empfangen Titel-Favorit Flensburg zum 111. Derby

Es ist soweit: Die "Mutter aller Derbys" steht in den Startlöchern, und die Handball-Welt schaut am Sonntag einmal mehr auf die Wunderino Arena. Zum 111. Mal duelliert sich der THW Kiel mit der SG Flensburg-Handewitt. Diese ist in der aktuellen Spielzeit von vielen Experten zum Top-Favoriten auf den Titel erklärt worden, reist nicht nur mit einer illustren Mannschaft um Superstar Simon Pytlick, sondern auch mit dem Selbstbewusstsein des souverän gewonnenen Pokalspiels in Hannover an die Kieler Förde. Aber auch die Zebras haben mit dem Pokal-Erfolg gegen Magdeburg gezeigt, dass sie mit ihrer jungen Mannschaft - am Mittwoch standen sechs Spieler, die im Jahr 2000 oder später geboren wurden, auf dem Spielberichtsbogen - mit Emotionalität, Willen und Qualität bestehen können. Die Arena ist - wie könnte es auch anders sein - seit Wochen restlos ausverkauft, die Vorfreude auf den Handball-Klassiker im Land zwischen den Meeren beinahe greifbar. Anpfiff ist um 14 Uhr, neben Dyn überträgt auch der NDR das Spiel im Free-TV. Die THW-FANWELT öffnet Sonntag um 11 Uhr.

Dieses Spiel ist besonders

Derby-Debütant: Emil Madsen

Keine Frage: Dieses Spiel ist besonders. "Was vorher war und was danach kommt, zählt nicht. Sonntag geht es nur darum, all-in zu gehen und das Derby zu gewinnen", sagt beispielsweise THW-Geschäftsführer Viktor Szilagyi, der als Spieler die Sicht beider Erzrivalen auf das Derby kennenlernte und deshalb weiß: "Das ist das Spiel der Spiele in Deutschland, schon seit Wochen wird man darauf angesprochen." THW-Coach Filip Jicha, der seit vielen Jahren in Schleswig-Holstein lebt, unterstreicht: "Das Derby ist eine einmalige Sache. Der Hass früherer Jahre ist zum Glück weg, geblieben ist aber diese große Rivalität. Als Handballer möchtest du unbedingt bei diesem Spiel dabei sein." Zum ersten Mal das Duell Kiel gegen Flensburg mitgestalten wird Emil Madsen, dänischer Neuzugang des THW Kiel und und mit seinen 23 Jahren einer der Youngsters in Schwarz-Weiß: "Das ist eines der größten Spiele der Welt zwischen zwei Spitzenmannschaften, die in den vergangenen 20 Jahren sehr viele Titel gewonnen haben."

"Wenn wir das Herz in die Hand nehmen, helfen uns unsere Fans"

Sportlich wartet auf den THW Kiel am Sonntag eine erneute Herkules-Aufgabe. "Wir brauchen nichts weniger als das beste Heimspiel der Saison, um Flensburg bezwingen zu können", ist sich Filip Jicha sicher. "Wir müssen sogar im Vergleich zum Spiel gegen Magdeburg noch eine Schippe draufpacken, um die Flensburger vor Aufgaben zu stellen." Trotz aller Emotionalität der Partie sei es für die Kieler besonders wichtig, nicht zu überdrehen, so der schwarz-weiße Erfolgs-Coach weiter. "Wir sollten immer vor Augen haben, dass das Spiel nicht in den ersten fünf, sondern in 60 Minuten entschieden wird. Wenn wir unser Herz in die Hand nehmen, helfen uns auch unsere Fans. Es geht um jede gelungene Situation, jeden gehaltenen Wurf, jeden einzelnen Angriff." Sonntag komme es vor allen Dingen darauf an, neben einer guten Torhüter- und Abwehrleistung auch eine hohe Wurf-Effektivität zu haben: "Solche Spiele werden von den Torhütern entschieden. 55 oder mehr Prozent unserer Würfe müssen im Tor landen, sonst haben wir gegen diese SG keine Chance." Denn schließlich habe Flensburg ein kollektiv starkes Team. Jicha: "Nicht umsonst haben viele Experten die SG zum Meisterschaftskandidaten Nummer eins erkoren."

SG ist Gislasons Meister-Favorit

SG-Superstar Simon Pytlick

Tatsächlich hatte vor dem Saisonstart auch Bundestrainer Alfred Gislason über seinen Meisterschaftsfavoriten gesprochen - und tippte dabei nicht auf einen seiner ehemaligen Klubs, den Titelverteidiger SC Magdeburg oder den Rekordmeister THW Kiel. Stattdessen sah Gislason die SG Flensburg-Handewitt ganz vorne und begründete die Entscheidung unter anderem mit einem "sehr, sehr guten und breiten Kader". Doch in den bis dato letzten vier Bundesliga-Partien büßte die SG gleich fünf Punkte ein. "Das ist überraschend", findet Gislason. Beim VfL Gummersbach kamen die Flensburger nicht über ein Unentschieden (29:29) hinaus, gegen den SC Magdeburg unterlagen sie daheim mit 27:29 und in Hannover verloren sie denkbar knapp mit 30:31. Zuletzt aber demonstrierten die Mannen von der dänischen Grenze zweimal ihre wahre Stärke: Beim 36:22 gegen die HSG Wetzlar war die Überlegenheit der SG ähnlich drückend wie am Mittwochabend im Pokal, als man in Hannover Revanche für die Bundesliga-Niederlage nahm und den Gastgebern beim 33:26 keine Chance ließ.

Hohe Ansprüche im Norden

Cheftrainer Nikolej Krickau

Unter dem Strich deckt sich das Auftreten der Flensburger in der DAIKIN HBL aber noch nicht mit den hohen Ansprüchen in Flensburg. "Zum jetzigen Zeitpunkt schon fünf Minuspunkte zu haben, ist zu viel", sagte SG-Sportchef Ljubomir Vranjes zuletzt. Vor dem Saisonstart hatte Vranjes die Favoritenrolle ohne zu zögern angenommen: "Wir haben den Kader und die Kompetenz, um ganz oben mitzuspielen. Wir wollen Meister werden. Aber wir müssen auch Geduld haben", hatte der Schwede, der die SG Flensburg-Handewitt 2014 als Cheftrainer zum Champions-League-Sieg führte, gefordert. Personell jedenfalls können die Schleswig-Holsteiner aus den Vollen schöpfen. Immerhin stehen gleich fünf dänische Olympiasieger und der deutsche Silbermedaillen-Gewinner Johannes Golla im Aufgebot. SG-Trainer Nicolej Krickau, der in seine zweite Saison an der
Flensburger Förde geht und im vergangenen Jahr mit dem Gewinn der EHF European League den ersten Titel seit 2019 nach Flensburg holte, ist daher auch zum Erfolg verdammt. 

Eingespielte Flensburger Mannschaft

Neuzugang Niclas Kirkelökke

Denn Krickau hat bei der SG eine mit Topstars gespickte Mannschaft, die so gut wie unverändert gegenüber der Vorsaison geblieben ist und demnach äußerst eingespielt ist. Mit dem Dänen Niclas Kirkelökke - er kam von den Rhein-Neckar Löwen - musste im Sommer lediglich ein neuer Akteur in das Spielsystem eingebunden werden, während mit Teitur Einarsson und Boris Zivkovic zwei Spieler aus der zweiten Reihe den Klub wieder verließen. Der langjährige Kopf des Flensburger Angriffs, der Schwede Jim Gottfridsson, absolviert derweil seine letzte Bundesliga-Saison. Er wird Flensburg nach zwölf Jahren verlassen und im kommenden Jahr bei Pick Szeged noch einmal eine neue Herausforderung angehen. Ein Abschied ohne Titel allerdings wäre nicht in seinem Sinne. Und so will die SG, die in Linksaußen Emil Jakobsen (70), Superstar Simon Pytlick (48) und eben Kirkelökke (30) ihre besten Torschützen hat, nach der Nationalmannschaftswoche auch in der DAIKIN Handball-Bundesliga in den Angriffsmodus schalten.

Duvnjak wünscht sich emotionale weiße Wand

präsentiert das Derby

Alles ist also berteit für das 111. Aufeinandertreffen (siehe auch Gegnerstatistik im THW-Archiv) der Erzrivalen. Los geht's um 14 Uhr, mit schwarz-weißen Fanartikeln eindecken kann man sich in der THW-FANWELT, die ab 11 Uhr geöffnet hat. Schiedsrichter des Duells, das live bei Dyn und im Free-TV im NDR-Fernsehen gezeigt wird, sind Hanspeter Brodbeck und Simon Reich. Das Spiel ist seit Wochen ausverkauft, in nur 40 Minuten waren alle restlichen Tickets vergriffen. "Diese Halle ist brutal, diese Atmosphäre muss man erleben", freut sich besonders THW-Kapitän Domagoj Duvnjak auf das Derby mit den eigenen Fans im Rücken. "Ich bin so dankbar, dass ich hier sein kann. Das Derby wird wieder ein brutales, schweres Spiel. Wir werden alles geben, dass wir auch dieses gewinnen. Mit unseren Fans, für unsere Fans. " Duvnjak wünscht sich eine noch emotionalere Atmosphäre als am Mittwoch im Pokal gegen Magdeburg. "Wir müssen erneut alle an einem Strang ziehen, um mit der weißen Wand endlich wieder ein Derby zu gewinnen!" Weiter geht's gegen Flensburg, Kiel! 

Fotos: Sascha Klahn / Ingrid Anderson-Jensen