Zebras verlieren deutlich gegen den SC Magdeburg
Die LIQUI MOLY Handball-Bundesliga hat sie wieder - ihre EM-Hauptdarsteller. Am Mittwochabend standen insgesamt 22 EM-Teilnehmer auf dem Parkett der ausverkauften Kieler Wunderino Arena. 10285 Zuschauer erlebten im Aufeinandertreffen der Giganten zwischen Meister THW Kiel und Champions-League-Sieger SC Magdeburg einen Kampf auf Biegen und Brechen. Am Ende hatte Bundesliga-Tabellenführer Magdeburg die Nase mit 33:26 (15:13) vorn. Die zwei Punkte waren nicht unverdient, weil die Gäste weniger technische Fehler machten, ihre Angriffe mit einer unglaublichen Effizienz abschlossen und mit Torhüter Nikola Portner wie im Hinspiel den entscheidenden Mann zwischen den Pfosten hatten.
Niclas Ekberg bester Kieler Torschütze
Der THW Kiel startete gut in die Partie, erlebte dann aber einen Einbruch, der einen 8:1-Lauf für die Gäste zur Folge hatte. Dem Rückstand liefen die Zebras trotz energischen Aufbäumens bis zum Schlusspfiff erfolglos hinterher. Magdeburg strotzte hingegen vor Selbstbewusstsein, erlaubte sich kaum Fehler. Kein Wunder: Das Team aus der Börde blieb zum 28. Mal in Folge in einem Pflichtspiel unbesiegt. Erfolgreichster Kieler Torschütze war Niclas Ekberg, der sieben Mal traf. Für Magdeburg war Tim Hornke bester Werfer, der SCM-Rechtsaußen verzeichnete eine Wurfquote von 90 Prozent und versenkte den Ball neunmal im Kieler Tor. "Das war sehr, sehr bitter", bilanzierte später Kiels Kapitän Patrick Wiencek, "wir haben einfach zuviele technische Fehler gemacht, Magdeburg hat dagegen sehr solide agiert. Das Positive ist jetzt nur, dass wir alle drei Tage ein Spiel haben werden. Da haben wir die Chance, es wieder besser zu gestalten.“
Starker Kieler Start
Schon vor den ersten Ballkontakten war die Lautstärke in der Wunderino Arena schnell auf hohen Dezibel-Werten: Die EM-Teilnehmer auf beiden Seiten wurden mit Geschenken bedacht, aber als der einzige Europameister auf dem Parkett, Kiels französischer Torhüter Samir Bellahcene, sein Präsent aus den Händen von Geschäftsführerin Sabine Holdorf-Schust entgegennehmen durfte, gab's stehende Ovationen für den EM-Helden. Die angeheizte Stimmung vor der Partie nahmen die Zebras dann auch mit in die ersten Minuten. Die Kieler Abwehr stand gut, vorne lief der Ball nach Wunsch. Tim Hornke brachte die Gäste mit dem ersten Angriff zwar in Führung. Doch Eric Johansson setzte die ersten gewonnenen Bälle der THW-Abwehr vorne in Zählbares um, brachte den THW mit zwei Gewaltwürfen in Front, Hendrik Pekeler erhöhte in der 4. Minute per Dreher auf 3:1. Die Gäste kamen durch Nationalspieler Mertens auf 2:3 heran, Harald Reinkind traf aber postwendend zum 4:2.
5:0-Lauf der Gäste wird zur Kieler Hypothek
Die Gäste, die den Vorteil im Gepäck mitbrachten, drei Tage vorher im Pokal-Viertelfinale bereits Spielpraxis sammeln zu dürfen, egalisierten durch Felix Claar und nochmals Hornke zum 4:4. In der neunten Minute war dann Steffen Weinhold zur Stelle, tankte sich durch die SCM-Abwehr und erzielte die erneute Kieler Führung. 5:4. Es sollte der letzte Jubelmoment in dieser Partie für die Zebras bleiben. Denn die Gäste starteten - begünstigt durch eine Vielzahl höchst umstrittener Entscheidungen des alles andere als souverän agierenden Schiedsrichter-Duos Brodbeck/Reich, einen 5:0-Lauf, den sie kurz darauf auf einen 7:1-Run ausbauten. Mertens brachte den Ball in der 17. Minute schließlich zum ernüchternden 11:6 für die Gäste im Kieler Tor unter. Gar sieben Tore lagen die Gäste nach dem Treffer von Bergendahl in der 23. Minute noch vorn, dann ging ein Ruck durchs schwarz-weiße Team.
Schiedsrichter übernehmen die Hauptrolle
Niclas Ekberg verkürzte auf 8:14, und als der gerade für Samir Bellahcene eingewechselte Tomas Mrkva den Siebenmeter von Omar Magnusson bravourös meisterte, gab's die Initialzündung. Mrkva war jetzt dreimal in Folge zur Stelle, vorne veredelten Niclas Ekberg, Petter Överby und nochmals Ekberg per Tempogegenstoß die Paraden ihres Torhüters. Mit der offensiven 3-2-1-Deckung setzten die Zebras Nadelstiche, bis zur verhängnisvollen 28. Minute: Domagoj Duvnjak hatte den in die Abwehr stürzenden Janus Smarason getroffen, die Schiedsrichter entschieden - ohne den Videobeweis zu Rate zu ziehen - auf Rot. Eine Entscheidung, die nicht nur TV-Kommentator Stefan Kretzschmar ratlos machte. "Aber warum schauen sie es nicht an? Da müssen sie sich schon sehr sicher sein." Den Videobeweis bemühten Brodbeck/Reich dafür aber kurz vor der Halbzeit, als Smarason theatralisch den Kopf nach hinten warf, um so eine Strafe für Patrick Wiencek zu provozieren. Lange schauten die Referees auf den Bildschirm, entschieden sich richtigerweise gegen eine Strafe für Wiencek, ließen Samarasons Schauspiel-Einlage, der im zweiten Durchgang weitere folgen sollten, aber ungesühnt.
Gäste setzten sich wieder ab
Die Stimmung in der Arena? Jetzt so hitzig wie lange nicht mehr. Als erneut Niclas Ekberg eiskalt verwandelte, stand es in der 29. Minute nur noch 12:14. Der THW hatte sich herangekämpft, alles schien beim Halbzeit-13:15, das Magnus Landin erzielte, wieder möglich. Den besseren Start in die zweite Halbzeit hatten dann aber erneut die abgeklärten Gäste. Tomas Mrkva glänzte zwar mit erneuter Siebenmeter-Parade gegen Magnusson, aber die Kieler Angreifer fanden erneut ihren Meister an Nikola Portner. Statt des erhofften Spiels auf Augenhöhe, liefen die Kieler schnell wieder einem Rückstand von, drei, vier oder fünf Toren hinterher. Tim Hornke zeigte jetzt auch von der Siebenmeterlinie keine Nerven, verwandelte in der 38. Minute zum 20:15. Hoffnung beim Kieler Anhang keimte dann noch einmal auf, als Ekberg und Elias Ellefsen á Skigagötu zum 17:20 verkürzten (40.).
Vorentscheidung durch Neun-Tore-Hornke
Rune Dahmke heizte das Kieler Feuer beim 18:21 weiter an, doch näher heran kamen die Kieler nicht. Auch, weil das Schiedsrichtergespann wieder die eine oder andere fragliche Entscheidung traf, Pekeler für zwei Minuten auf die Bank schickte, Weinhold erst ein nicht vorhandener Schrittfehler attestiert und später ein klares Stoßen im Wurf gegen den Linkshänder nicht geahndet wurde. Nach dieser Aktion traf Hornke zum 25:20 - die Vorentscheidung. Denn nun blieb es dabei, dass sich der SC Magdeburg nicht mehr beirren ließ und das Spiel effizient und souverän nach Hause brachte.
Zebras haben lange Auswärtsreise vor der Brust
Kaum ist die Runde wieder gestartet, machen sich die Zebras bereits auf ihre erste große Reise im Jahr 2024: Am Samstag geht es für den THW Kiel zunächst nach Düsseldorf, wo am Sonntagabend um 18 Uhr in der Mitsubishi Electric Hall die schwere Liga-Partie beim um den Klassenerhalt kämpfenden Bergischen HC ansteht. Nach dieser Begegnung bleiben die Zebras im Rheinland und bereiten sich im BHC-Trainingszentrum auf die direkt folgende Hammer-Begegnung in der Königsklasse vor: Am Mittwoch empfängt KS Kielce mit Nationaltorhüter Andreas Wolff den THW Kiel in Polen. Anwurf ist um 20:45 Uhr, beide Partien sind live bei Dyn zu sehen. Weiter geht’s am Sonntag in Düsseldorf, Kiel!
Text: Reimer Plöhn / Fotos: Sascha Klahn
LIQUI MOLY HBL; 20. Spieltag: THW Kiel - SC Magdeburg 26:33 (13:15)
THW Kiel: Mrkva (14.-46., 5/2 Paraden), Bellahcene (1.-14., 46.-60., 1 Parade); Ehrig (n.e.), Duvnjak, Reinkind (1), M. Landin (1), Øverby (1), Weinhold (2), Wiencek (2), Ekberg (7/2), Johansson (6), Dahmke (2), Wallinius (n.e.), Bilyk (1), Pekeler (1), á Skipagøtu (2); Trainer: Jicha
SC Magdeburg: Hernandez (1 Siebenmeter, keine Parade), Portner (1.-60., 13/1 Paraden, 1 Tor); Meister, Chrapkowski, Musche, Claar (5), Samarason (3), Magnusson (4/1), Hornke (9/1), Weber, Lagergren, Mertens (6), Saugstrup (2), O’Sullivan (2), Damgaard, Bergendahl (2); Trainer: Wiegert
Schiedsrichter: Hanspeter Brodbeck / Simon Reich
Siebenmeter: THW: 3/2 (Portner hält Ekberg (34.)) / SCM: 4/2 (Mrkva hält 2x Magnusson (25., 33.))
Zeitstrafen: THW: 2 (Øverby (20.), Pekeler (43.)) / SCM: 4 (Claar (19.), 2x O’Sullivan (22., 43.), Mertens (29.))
Rote Karte: Duvnjak (THW, grobes Foulspiel (28.))
Spielfilm: 0:1, 3:1 (4.), 4:2 (6.), 4:4 (8.), 5:4, 5:10 (16.), 7:11, 7:14 (23.), 12:14 (30.), 13:15;
2. Hz.: 13:18 (35.), 15:20, 17:20 (40.), 20:23 (46.), 21:25 (49.), 22:27 (52.), 24:27 (53.), 24:29 (55.), 26:31 (57.), 26:33.
Zuschauer: 10285 (ausverkauft) (Wunderino Arena, Kiel)
Stimmen zum Spiel:
THW-Trainer Filip Jicha: Es ist ein sehr ernüchternder Abend. Wir wussten vor dem Spiel nicht, wo wir stehen. Jetzt wissen wir es. Der Magdeburger Lauf vom 5:5 auf 5:10 war der Knackpunkt, danach waren wir verunsichert und sind dem Spiel nur noch hinterhergelaufen. Magdeburg hat der Partie den Stempel aufgedrückt, was wir unbedingt verhindern wollten. Und der SCM hat das sehr souverän, sehr gewachsen runtergespielt. Es war heute ein sehr gebrauchter Tag, wir wollten deutlich mehr.
SCM-Trainer Bennet Wiegert: Das war alles andere als zu erwarten. Der 33:26-Sieg ist überragend, das ist ein großartiges Gefühl. Dabei haben die ersten zehn Minuten eher für Kiel gesprochen, der 5:0-Lauf von uns war dann die entscheidende Phase. Das gab Selbstbewusstsein, wir hatten Vertrauen – da spricht viel für uns. Das Halbzeit-Ergebnis ist dann nicht mehr so gut, aber wie wir in die zweite Häflte starten, ist phänomenal. Das 20:15 hat Sicherheit gebracht, dann verteidigen wir fantastisch und bekommen dadurch die Torwart-Paraden. Es war sicherlich von Vorteil, dass wir am Wochenende schon gespielt haben, um Selbstsicherheit in unser Handeln zu bekommen. Am Ende bleibt heute ein überragendes Gefühl über das Wie wir in Kiel bestanden haben. Denn mit dem THW Kiel ist immer zu rechnen. Aber zwei Punkte mehr zwischen uns und einen direkten Konkurrenten zu packen, tut uns sehr gut.