Zebras fügen den Füchsen Berlin im Kieler Hexenkessel die erste Saison-Niederlage zu
Der THW Kiel hat drei Tage nach der Königsklassen-Klatsche gegen Aalborg Handbold sein anderes Gesicht gezeigt: In der LIQUI MOLY Handball-Bundesliga bezwangen die Zebras den bis dato ungeschlagenen Tabellenführer Füchse Berlin mit 30:26 (14:10). Angetrieben von 10.285 unermüdlichen Fans und einem wie entfesselt vorangehenden Kapitän Domagoj Duvnjak holten sich die Kieler am Samstagnachmittag zwei wichtige Zähler in der stärksten Liga der Welt. Mit Willen, Leidenschaft und den richtigen Entscheidungen im richtigen Moment rissen die Zebras, die im neun Mal erfolgreichen Duvnjak ihren besten Torschützen hatten, ihre Fans von den Sitzen.
Fans entfachen akustisches Feuer unter dem Arena-Dach
Die Fans des Rekordmeisters haben nicht nur in den Schlussminuten gegen Aalborg ihre feines Gespür für die aktuelle Situation des Rekordmeisters unter Beweis gestellt: Vor dem Füchse-Spiel empfingen einige von ihnen im strömenden Regen die Spieler und Trainer des THW Kiel mit Gesang und aufmunternden Plakaten. Ein Zeichen für den Zusammenhalt in der THW-Familie und Mut machende Unterstützung vor diesem wichtigen Spiel. In der Arena setzte sich das mentale Aufbau-Programm von den Tribünen fort: Die 10285 Fans entfachten ein akustisches Feuer unter dem Arena-Dach, das gerade in den schwierigen Phase dieses intensiven, extrem spannenden und hart umkämpften Spiels bei den Zebras zusätzliche Energie freizusetzen schien. Allen voran bei Domagoj Duvnjak: Der 35-Jährige rackerte in der Abwehr, schmiss sich auf Abpraller und traf vorn in den ganz wichtigen Phasen mit Willen und Übersicht. Am Ende gab es für den vollkommen ausgelaugten Kapitän "Dule"-Sprechchöre von den Rängen.
Füchse kontern Kieler Traumstart
THW-Trainer Filip Jicha verzichtete in der Startformation auf Nikola Bilyk: Der Österreicher war in der Nacht zum ersten Mal Vater geworden, machte sich trotzdem auf den Weg zur Wunderino Arena, um seiner Mannschaft gegen die bis dato so überragend auftretenden Berliner zu helfen. Die stellten ihre Klasse nach dem 2:0-Start der Zebras auch schnell unter Beweis: Hinten wurde Torhüter Dejan Milosavljev zum Stoppschild für die wütend vorgetragenen Kieler Angriffe, vorn mühte sich der insgesamt neunmal erfolgreiche Mathias Gidsel, Lücken in die kompakt stehende und mit Verve verschiebende Kieler Defensive zu reißen. Gidsel war es auch, der seine Farben nach elf Minuten beim 6:5 erstmals in Führung brachte und diesen knappen Vorsprung im Verbund mit Lasse Andersson auch bis zum 8:7 (20.) verteidigte. Doch trotz des Rückstandes zeigten die Zebras Zähne, ließen die Füchse nicht davoneilen - und fanden Lösungen. Wie bei Niclas Ekbergs 6:6 vom Kreis, wie bei Patrick Wienceks Heber zum 7:7.
Kieler führen zur Pause
Der THW Kiel blieb in Reichweite, und Jicha tauschte früh das Personal. Brachte Karl Wallinius, der vor allen Dingen in der Abwehr wichtige "Drecksarbeit" erledigte, und auch vorn Akzente setzte. Harald Reinkind traf zum Ausgleich, Hendrik Pekeler klaute einen Ball, den Duvnjak im unnachahmlichen Eins-gegen-Eins zur neuerlichen Führung verwertete. Die Wunderino Arena - ein Tollhaus, das die Gäste auch zu beeindrucken schien: So traf Andersson nur den Pfosten, was Duvnjak mit dem 10:8 beantwortete. So zielte Gidsel zu hoch, was Wallinius von Halbrechts zum 11:8 nutzte. Und nach Tollbrings schnellem Anschluss und Jichas Auszeit war es erneut Duvnjak, der ein Zeichen setzte: Mit 121 km/h jagte er einen Hüftwurf zum 12:9 in die Maschen von Milosavljev, der zu diesem Zeitpunkt bereits zehn Paraden auf seinem Konto hatte. Andersson zielte erneut zu hoch, und Magnus Landin nutzte die Gunst der Stunde. Er netzte zur ersten Vier-Tore-Führung für den THW Kiel ein (28.). Gut, dass Tomas Mrkva Gidsels Wurf entschärfte und Reinkind kurz vor der Sirene zum 14:10-Halbzeitstand traf. Pause.
Füchse sind wieder am Drücker
Die schien allerdings den Berlinern besser getan zu haben als dem THW Kiel, der gerade Ende der ersten Halbzeit zur Höchstform aufgelaufen war. Mit zwei schnellen Treffern brachte Gidsel die Füchse beim 12:14 wieder in Reichweite, beantwortete auch Wallinius' 15:12 postwendend. Allerdings nahm nun auch der THW-Express Fahrt auf, Wiencek jagte die Schnelle Mitte zum 16:13 in die Maschen. Tor Nummer fünf in 140 Sekunden. Da wollte Tomas Mrkva Ruhe hereinbringen: Der Kieler Keeper hielt den von Lindberg geworfenen Siebenmeter, und vorn wuchtete Wallinius den Ball zum 17:13 in die Maschen. Die Zebras hatten sich selbst aus der schwierigen Phase befreit, hielten die Vier-Tore-Führung bis zum 20:16. Dann ging es schnell - leider in die falsche Richtung. Tollbring traf, Milosavljev hielt gegen Wallinius und einen Gegenstoß von Pekeler, was Marsenic umgehend mit einem Doppelschlag bestrafte: Urplötzlich waren die Füchse beim 19:20 (42.) wieder dran und hatten das berühmte Momentum auf ihrer Seite.
Bellahcene hält Berlin auf Distanz
Eine Phase in der die Partie durchaus hätte kippen können. Jicha setzte einen weiteren Akzent, brachte Samir Bellahcene in die Partie. Und der Franzose sorgte in den Folgeminuten mit einigen Glanzparaden dafür, dass der Tabellenführer aus der Hauptstadt nicht zum Ausgleich kam: Bellahcene hielt gegen Gidsel, Freihöfer und einen Tempogegenstoß von Langhoff, sorgte für ordentlich Dezibel auf der Stimmungskurve und Ruhe im Kieler Spiel. Als sein Positionskollege Mrkva dann den zweiten Siebenmeter von Lindberg entschärfte und Magnus Landin zum 24:22 traf (50.), hatten die Zebras acht Drangminuten der Hauptstädter überstanden. Die Füchse nahmen eine Auszeit, die Ekberg jedoch ad absurdum führte: Der THW-Routinier klaute den Ball, Reinkind bediente den an den Kreis eingelaufenen Landin: 25:22.
"Dule" schraubt den Deckel auf den Erfolg
Dann entschärfte Bellahcene Lindbergs freien Wurf von Außen, was Bilyk mit dem 26:22 belohnte (54.). Und als in Überzahl Ekberg nach Bellahcenes Parade gegen Lichtlein ins leere Füchse-Tor zum 27:22 einwarf, nahm der mögliche Erfolg gegen den bis dato ungeschlagenen Tabellenführer scharfe Konturen an. Die Berliner reagierten mit schnellen Gegentreffern, der Rest war dann Kieler Chefsache: Mit seinen Toren sieben, acht und neun schraubte Domagoj Duvnjak den Deckel auf den 30:26-Sieg und feierte anschließend im Kreis seiner Teamkollegen mit der "weißen Wand" einen ganz starken Auftritt.
Zwei Auswärtsspiele voraus
Für die Zebras geht es in der kommenden Woche wieder auf Auswärtstournee: Zunächst kommt es am Mittwoch (18:45 Uhr) zum Rückspiel in der Machineseeker EHF Champions League bei Aalborg Handbold. Dabei werden die Zebras von rund 350 Fans begleitet. Und auch in der LIQUI MOLY HBL ist der THW Kiel auswärts gefordert: Am Sonntag geht es zum TVB Stuttgart. Anwurf in der Porsche-Arena ist um 18 Uhr. Beide Partien werden live von Dyn übertragen. Zuhause sind die Kieler dann wieder am Donnerstag, 30. November, gefordert: Um 18:45 Uhr erwarten sie Paris Saint-Germain zum Königsklassen-Klassiker: Tickets gibt es online unter www.thw-tickets.de, bei CITTI und in der THW-FANWELT. Weiter geht’s mit der weißen Wand in Aalborg, Kiel!
Fotos: Sascha Klahn
LIQUI MOLY HBL, 13. Spieltag: THW Kiel – Füchse Berlin 30:26 (14:10)
THW Kiel: Mrkva (1.-41. und ein Siebenmeter, 7/2 Paraden), Bellahcene (41.-60., 5 Paraden); Ehrig (n.e.), Duvnjak (9), Reinkind (5), M. Landin (4), Battermann, Øverby, Wiencek (3), Ekberg (3), Johansson (2), Gurbindo (n.e.), Wallinius (3), Bilyk (1), Pekeler, á Skipagøtu; Trainer: Jicha
Füchse Berlin: Milosavljev (1.-60., 13 Paraden), Ludwig (n.e.); Darj, Tollbring (4), Andersson (5), Lichtlein, Lindberg (2), Gidsel (9), Freihöfer (1), Langhoff, Beneke, Av Teigum, Kopljar, Jacobs, Marsenic (5); Trainer: Siewert
Schiedsrichter: Robert Schulze / Tobias Tönnies
Siebenmeter: THW: 0 / Füchse: 2/0 (Mrkva hält 2x Lindberg (34., 48.))
Zeitstrafen: THW: 1 (Duvnjak (5.)) / Füchse: 2 (Kopljar (38.), Tollbring (54.))
Spielfilm: 2:0 (4.), 2:2 (6.), 5:4 (10.), 5:6 (11.), 7:8 (20.), 11:9 (25.), 13:9 (28.), 14:10;
2. Hz.: 14:12 (31.), 15:13 (33.), 17:13 (35.), 20:16 (38.), 20:19 (42.), 23:22 (50.), 27:22 (54.), 28:23, 29:25 (57.), 30:26.
Zuschauer: 10.285 (ausverkauft) (Wunderino Arena, Kiel)
Stimmen zum Spiel:
THW-Trainer Filip Jicha: Die Glückwünsche nehme ich heute besonders gerne an, möchte aber Jaron und den Füchsen ebenfalls zu den Leistungen in dieser Saison gratulieren. Deshalb hatten wir heute auch einen überdimensionalen Respekt vor der Aufgabe. Meine Jungs haben heute eine enorme Arbeitslaune gezeigt, waren fleißig, waren aggressiv. Wir haben die Phasen mit guter Qualität und gegen die Berliner Angriffe abgearbeitet. Wir waren da, die Fans waren da, wir waren präsent. Was mich besonders gefreut hat war die Reaktion auf die Phasen, in denen es nicht so lief. Die Füchse kommen mit einem schnellen 2:0 aus der Kabine, Dejan Milosvljev hat sein Tor zugenagelt – aber die Jungs haben einfach weitergearbeitet. Dann kam Samir und hat ein paar wichtige Bälle geholt, und Dule war natürlich sehr stark auch im Angriff. Das war heute nicht einfach nach dem Wechselbad der Gefühle: Vor drei Tagen saßen wir hier und hatten eine richtige Klatsche bekommen, heute haben wir dann wieder unser anderes Gesicht gezeigt. Morgen müssen wir aufstehen, meinen Jungs wird alles weh tun. Aber so muss das sein, und dann starten wir wieder die Jagd nach mehr Konstanz.
THW-Torhüter Tomas Mrkva: Das war heute ein Sieg der THW-Familie. Wir Spieler, unser Trainerteam, die Mitarbeiter und die unglaublichen Fans haben heute zusammen die Punkte geholt. Nur so kann es in dieser Phase gehen.
Füchse-Coach Jaron Siewert: Glückwunsch an Filip und den THW Kiel zu den zwei verdienten Punkten. Wir müssen die Niederlage gegen den THW Kiel aufgrund dessen kämpferischer und spielerischer Leistung akzeptieren. Wir kamen in der ersten Halbzeit nicht in unser Angriffsspiel, weil Kiel eine sehr robuste und physische Abwehr gestellt hat und uns dadurch viele unserer Waffen geraubt hat. Das Zusammenspiel zwischen Abwehr und Torwart hat bei uns hingegen sehr gut funktioniert. In der zweiten Halbzeit bekommen wir das Kieler Tempospiel dann nicht mehr so geblockt, dafür waren wir im Angriff besser, kamen in die Tiefe. Wir hatten dann auch viele Chancen, das Ding zu drehen. Samir Bellahcene hat uns dann den Zahn gezogen, als er uns einige freie Würfe wegnahm.