Wichtige Punkte geholt: THW Kiel gewinnt erstmals seit 37 Monaten wieder in Wetzlar

Bundesliga

Wichtige Punkte geholt: THW Kiel gewinnt erstmals seit 37 Monaten wieder in Wetzlar

Drei der letzten fünf Spiele hatte der THW Kiel gegen die HSG Wetzlar verloren, wartete seit mehr aks drei Jahren auf einen Erfolg in der hessischen Handball-Hochburg. Am Sonntagnachmittag, vier Tage nach der unglücklichen Niederlage beim FC Barcelona, stemmten sich die durch zahlreiche verletzte oder angeschlagene Spieler gehandicapten Zebras dann mit aller Macht gegen ein erneutes Negativ-Erlebnis. Mit vollem Erfolg: Nach einer schwierigen Anfangsphase, in der man zeitweise einem Drei-Tore-Rückstand hinterherlief, und einer deutlichen  Leistungssteigerung gewannen die Kieler am Ende klar und hochverdient mit 31:25 (15:13) Toren, festigten Rang zwei in der Tabelle und setzten ein Ausrufezeichen im Kampf um die Meisterschaft. Aus einer großartigen Mannschaftsleistung ragten Torhüter Niklas Landin, Sander Sagosen und Nikola Bilyk noch heraus. Beste Torschützen waren Bilyk, Sagosen, Magnus Landin und Niclas Ekberg, die alle fünfmal trafen.

Lange Liste verletzter und angeschlagener Spieler

THW-Trainer Filip Jicha hatte auch in der Buderus Arena in Wetzlar eine lange Verletztenliste zu beklagen, musste mit Eric Johansson (Mittelhandbruch), Steffen Weinhold (Kreuzbandanriss) und Sven Ehrig (Kreuzbandriss) auf drei Spieler ganz verzichten, außerdem gingen Bilyk (Oberschenkel), Karl Wallinius (Knie) und auch Miha Zarabec (Wadenmuskelzerrung) angeschlagen in die Partie. Zarabec lief letztlich gar nicht auf, Wallinius kam nur kurzfristig zur Entlastung, Bilyk biss auf die Zähne, zeigte auf der Mittelposition eine prima Leistung.

Wetzlar mit hoher Effektivität im Angriff

Fünf Treffer: Nikola Bilyk

Im Kieler Startaufgebot stand Tomas Mrkva zwischen den Pfosten, der schwungvollen Anfangsoffensive der Wetzlarer hatte Kiels Torhüter allerdings zunächst nur wenig entgegenzusetzen: Nikolic und Schelker brachten die Hausherren mit 2:0 in Führung, Harald Reinkind erzielte den Anschluss. Doch Wetzlar blieb im Flow, krönte das gute eigene Spiel der ersten Minuten mit einer brutalen Effektivität im Abschluss und mit Toren, die die Fans in der Buderus-Arena jubeln ließen. Sie hofften auf eine erneute Überraschung gegen den deutschen Rekordmeister, und bekamen für diese Hoffnung weiter Nahrung: Rückraumschütze Lenny Rubin erzielte nach sechs Minuten die erste Drei-Tore-Führung für die HSG, Patrick Wiencek vom Kreis und Harald Reinkind, der per Solo erfolgreich war, verkürzten auf 5:6, aber nach 13 Minuten lagen die Grün-Weißen durch Schelker und Novak beim 8:5 erneut mit drei Treffern in Front.

Zebras drehen die Partie noch vor dem Wechsel

Pure Spielfreude: Sander Sagosen

Patrick Wiencek, der als Defensiv-Chef neben seinen beiden Kreisläufer-Kollegen Petter Överby und Hendrik Pekeler deckte, verwandelte dann einen Tempogegenstoß überlegt und eiskalt zum 6:8. Tomas Mrkva stoppte Rechtsaußen Novak, dann brachte Filip Jicha Sander Sagosen in Minute 14 und stellte wenig später Niklas Landin zwischen die Kieler Pfosten. Die Wechsel zeigten Wirkung. Sagosen war nach seiner langen, verletzungsbedingten Auszeit in extremer Spiellaune, erzielte sein erstes Tor quasi aus dem Nichts, dann verwandelte Niclas Ekberg einen fälligen Strafwurf, der THW war in der 17. Minute beim 8:9 wieder dran. Pech dann, als Ekberg von der Strafwurflinie nur den Pfosten traf, doch die Kieler ließen sich auch davon nicht mehr aus dem Konzept bringen: Magnus Landin traf mit seinem dritten Wurf zum dritten Mal ins HSG-Tor, Patrick Wiencek nutzte seine Chance, warf den Ball ins leere Wetzlarer Torgestänge. Das erste Unentschieden nach dem Kieler 3:0-Lauf zum 11:11 ging dann auf die Rechnung von Niclas Ekberg, der den Ball unter die Latte schmetterte, Nationalkeeper Klimke keine Abwehrchance ließ. Und immer wieder Niklas Landin: Der Ausnahme-Schlussmann kam, sah und hielt, brachte mit seinen Paraden gegen Rückraum-Ass Rubin und Wetzlars Außen die eigenen Angreifer in Position: Patrick Wiencek nutzte das Anspiel von Nikola Bilyk in der 28. Minute zum 14:13 und zur ersten THW-Führung, den Siebenmeter kurz vor der Halbzeitsirene nahm Sagosen in die Hand, verwandelte: Kiel hatte die Partie gedreht, ging mit 15:13 in die Kabine.

Kieler bleiben cool

Abwehrchef Patrick Wiencek war viermal erfolgreich

Den Torreigen der zweiten 30 Minuten eröffnete Wetzlars Halbrechter Jovica Nikolic, Harald Reinkind und Nikola Bilyk antworteten prompt, trafen in einer hektischen, bisweilen wild anmutenden Anfangsphase der zweiten Hälfte zum 17:14 für Kiel. Lenny Rubin verkürzte, doch die Kieler nahmen die Partie jetzt fest in ihre Hände, stellten eine bärenstarke Abwehr, in der auch Hendrik Pekeler nach seiner langen Auszeit immer besser in Schwung kommt. Im Angriff stellte der THW Wetzlars Defensive mit schnellem Spiel und vielen Finten vor unlösbare Probleme. Rune Dahmke schnappte sich geistesgegenwärtig den zweiten Ball, verwandelte an dem gewiss nicht schlechten Klimke vorbei zum 18:15, wenig später zum 19:16. Wetzlars Spieler schauten ratlos, in der Arena wurde es deutlich ruhiger - außer bei den vielen THW-Fans, die ihre Mannschaft in Mittelhessen unterstützten und ordentlich Alarm für ihre Mannschaft machten. Erst recht, als Niklas Landin mit einem Riesenreflex den Kempa-Trick von Rubin vereitelte, der Schweizer verfehlte wenig später das leere THW-Tor von der Mittellinie - Stück für Stück entledigten sich die Zebras  der schweren "Angstgegner-Weste" in Grün und Weiß. 

Landins Paraden und THW-Angriffsmaschinerie

Endlich wieder jubeln in Wetzlar: Rune Dahmke und Niklas Landin

Die wichtige, erste Vier-Tore-Führung erzielte nach einigen zuvor erfolglosen Versuchen dann Nikola Bilyk in der 46. Minute: Er traf mit einem Hammer zum 22:18, die folgende HSG-Auszeit bewirkte nichts, der THW blieb am Drücker, auch wenn Wetzlar mit einer 3-3-Formation, später auch mit einer 4-2-Abwehrvariante alles versuchte, den Kieler Lauf zu stören. Aber Landin verzeichnete zwischenzeitlich eine sensationelle Quote von 50 Prozent im Kieler Tor. Und vorne lief die Kieler Tormaschine auf Hochtouren: Sander Sagosen drosch den Ball mit 130 (!) km/h unter die Querlatte, Hendrik Pekeler erzielte das 24:19, Magnus Landin in der 51. Minute per Siebenmeter die 26:20-Führung. Doch spätestens durch Harald Reinkinds Tor zum 29:23 in der 55. Minute war das abwechslungsreiche Spiel vorentschieden. Niclas Ekberg setzte noch einen frechen Dreher-Doppelpack zum 30:23 und 31:24 ins Wetzlarer Netz, bevor die Kieler ihren Coup beim Angstgegner mit einem kleinen Siegertänzchen feierten und sich bei den vielen lautstarken THW-Fans bedankten - 37 Monate nach dem letzten Erfolg in Mittelhessen gab es für Schwarz und Weiß endlich wieder zwei wichtige Punkte zu feiern!

Heimspiel gegen Nantes am Donnerstag

Die Zebras dankten den vielen Kieler Fans in Wetzlar

Am Donnerstag (18:45 Uhr) sind die Zebras endlich wieder zurück in Kiel: In der Machineseeker EHF Champions League trifft der THW Kiel auf den starken französischen Vizemeister HBC Nantes, der bisher noch ungeschlagen gegen den THW ist und den Kielern im Hinspiel beim 30:38 eine der empfindlichsten Niederlagen der Saison beibrachte. "Wir freuen uns auf jeden, der uns in diesem wichtigen Spiel unterstützt", sagt THW-Kapitän Domagoj Duvnjak. "Mit unserer weißen Wand wollen wir unseren personellen Problemen trotzen und Nantes einen heißen Kampf liefern." Für die Partie gegen die Franzosen, aktuell auf Platz drei der Vorrunden-Gruppe B, gibt es noch Tickets in allen Kategorien. Erhältlich sind diese bei CITTI, in famila-Märkten mit Ticketservice, in der THW-FANWELT und online unter www.thw-tickets.de. Weiter geht’s gegen Nantes, Kiel! 

Text: Reimer Plöhn / Fotos: HSG/Oliver Vogler

LIQUI MOLY HBL, 15. Spieltag: HSG Wetzlar – THW Kiel 25:31 (13:15)

HSG Wetzlar: Klimpke (1.-60., 13/2 Paraden), Suljakovic (1 Siebenmeter, keine Parade); Nyfjäll (2), Lipovina, Schmidt (1), Nikolic (5), Becher (1), Weissgerber (2/1), Schelker (2), Wagner, Mellegard (2), Cepic, Rubin (5), Novak (5/1); Trainer: Camdciz/Mirkulovski
THW Kiel: N. Landin (16.-60., 14 Paraden), Mrkva (1.-16., 3 Paraden); Duvnjak, Sagosen (5/2), Reinkind (4), M. Landin (5/2), Øverby, Wiencek (4), Ekberg (5/1), Pabst (n.e.), Fraatz (n.e.), Dahmke (2), Zarabec (n.e.), Wallinius, Bilyk (5), Pekeler (1); Trainer: Jicha

Schiedsrichter: Hanspeter Brodbeck / Simon Reich
Zeitstrafen: HSG: 4 (Wagner (4.), Nikolic (18.), Schmidt (22.), Weissgerber (43.)) / THW: 5 (Wiencek (5.), Bilyk (9.), M. Landin (27.) Øverby (41.), Wallinius (60.))
Siebenmeter: HSG: 3/2 (Novak überweg (30.)) / THW: 8/5 (Ekberg an den Pfosten (18.), Klimpke hält Ekberg (22.) und Sagosen (37.))
Spielverlauf: 2.0 (2.), 3:2 (4.), 5:2 (6.),6:3 (9.), 6:5 (11.), 8:5 (13.), 8:7 (15.), 9:8, 11:8 (19.), 11:11 (24.), 13:12 (26.), 13:15 (30.);
14:15, 14:17 (34.), 15:18, 18:20 (45.), 18:23 (47.), 19:25 (49.), 21:27 (53.), 23:30 (57.), 25:31 .
Zuschauer: 4246 (Buderus Arena, Wetzlar)

Stimmen zum Spiel: 

THW-Torhüter Niklas Landin bei Sky: Wir waren relativ konsequent im Angriff, haben wenig Fehler gemacht und gut gedeckt. Wir wussten, dass wir hier nicht so viele Angriffe bekommen würden, deshalb war es umso wichtiger, dass wir die Chancen reingemacht haben. Vielleicht war es gut, dass wir direkt nach dem Barcelona-Spieler ausgerechnet in Wetzlar antreten mussten. Niemand bei uns hat die HSG unterschätzt, die ganze Mannschaft, der ganze Verein war bereit für Wetzlar. Wir hatten hier offene Rechnungen, die wollten wir begleichen. Für mich und meinen Kopf war es gut, heute nicht von Anfang an im Tor zu stehen. Es ist brutal schwer, so viele Partien durchzuspielen und immer anzufangen. Das ist mental sehr schwer.
Vincent Gerard ist eine gute Wahl für den THW Kiel. Er ist sehr erfahren und hat alles gewonnen, außer die Bundesliga. Das kann er mit dem THW Kiel nachholen.

HSG-Rückraumspieler Jonas Schelke bei Sky: Wir sind richtig gut in dieses Spiel gekommen, haben viel aufs Tempo gedrückt – das hat super funktioniert. In den ersten 20 Minuten hatten wir fast keine Fehlwürfe und technische Fehler, die Chancenverwertung war überragend. Wir wussten aber, dass Kiel kommen würde, und so ist es dann auch passiert. Dann verwerfen wir gegen Landin ein paar freie Bälle, und der THW war wieder da.