40:28: THW Kiel deklassiert den HSV Hamburg im „kleinen Derby“
Sechstes Spiel, sechster Sieg in der LIQUI MOLY Handball-Bundesliga: Der THW Kiel blieb am Sonntagnachmittag auf Kurs, triumphierte im "kleinen Nordderby" gegen den Handball Sport Verein Hamburg und verteidigte in der erstmals in dieser Saison ausverkauften Wunderino Arena mit dem souveränen 40:28 (21:14) seine Tabellenführung. Die Zebras feierten im 40. Spiel gegen den Nordrivalen ihren 29. Sieg. Beste Kieler Torschützen waren Linkshänder Harald Reinkind und der schwedische Neuzugang Eric Johansson, die beide je siebenmal ins Hamburger Tor trafen. Sieben Tore erzielte auf der anderen Seite auch Hamburgs Däne Casper Mortensen, Bo Andersen war sechsmal erfolgreich.
Notfalleinsatz in der Pause
In der Halbzeitpause stand die Fortsetzung der Partie auf der Kippe, weil ein Zuschauer kollabierte. Der sofort eingeleitete Notfalleinsatz, bei dem auch der THW-Mannschaftsarzt Dr. Frank Pries zur Hilfe eilte, war erfolgreich. Der Patient wurde nach etwa einer halben Stunde in stabilem Zustand ins Krankenhaus gebracht und winkte beim Abtransport, um zu zeigen, dass es ihm den Umständen entsprechend wieder gut geht. Nach einer weiteren, kurzen Warmmachphase beider Mannschaften konnte die Partie dann fortgesetzt werden.
Weinhold musste kurzfristig passen
Das Team von Ex-THW-Spieler Torsten "Toto" Jansen war lediglich bis zur elften Spielminute und dem 7:7 auf Augenhöhe, danach hatten die Hamburger dem Kieler Torfestival nichts Gleichwertiges mehr entgegenzusetzen. Dabei hatte der HSV in der Liga zuletzt drei Siege in Folge gefeiert, die kurze Reise zum Nachbarn mit viel Selbstvertrauen angetreten. Allerdings erwiesen sich die hochmotivierten Gastgeber in großartiger Spiellaune, und das ohne ihre verletzungsbedingten Spieler Sander Sagosen, Hendrik Pekeler und Sven Ehrig, die allesamt noch lange ausfallen. Am Sonntag gesellte sich auch noch Rückraum-Ass Steffen Weinhold hinzu, den eine Corona-Infektion erwischt hat.
Überragende Kieler Abwehrwand
Den entscheidenden Unterschied zwischen beiden Teams machte vor allem aber das überragende Kieler Abwehrverhalten. Hinter dem THW-Defensivverband glänzte zudem Torhüter Niklas Landin, der insgesamt 16 Bälle abwehrte, seine Kollegen im Hamburger Tor, Johannes Bitter und Ivan Budalic, deutlich in den Schatten stellte. "Mit der ersten Halbzeit können wir noch zufrieden sein", analysierte HSV-Kapitän Weller, "aber dann haben wir Kiel auch mit unseren Fehlern ins Spiel gebracht. Und ihre Qualität ist dann einfach brutal." Die Fans in der Wunderino Arena erfreuten sich gleich zu Beginn an einer wahrhaftigen Torflut. Jeder Wurf ein Treffer, lautete die Bilanz in den ersten zehn Minuten. Hamburgs Linksaußen Casper Mortensen traf nach 40 Sekunden zum 1:0, Eric Johansson glich aus, Bo Anderson brachte die Gäste erneut in Front, Harald Reinkind egalisierte, und so setzte sich der Torreigen wechselweise fort. Nach sieben Minuten und dem 4:4-Ausgleich durch Reinkind standen insgesamt acht Treffer zu Buche.
Hamburger Führung rüttelt Zebras wach
Dani Baijens und Weller sorgten mit ihren Toren gar für die Hamburger 6:4-Führung, die den THW dann wachrüttelte. Niklas Landin fand mit tollen Paraden gegen Baijens und Weller in die Partie, Domagoj Duvnjak brachte seine Farben in der 13. Minute beim 8:7 mit einem Solo erstmals in Führung, Niclas Ekberg traf per Siebenmeter zum 9:7. Fortan rannten sich die Hamburger immer wieder in der beweglichen Kieler Abwehr fest: Die Zebras deckten mal defensiv 6:0, mal offensiv 3:2:1 mit Duvnjak oder Magnus Landin an der Spitze. Das Ergebnis: Die HSV-Angriffsreihe produzierte Fehler über Fehler, die der THW gnadenlos mit Toren bestrafte. In der 18. Minute traf Harald Reinkind zum 11:8, in der 21. war der Norweger zum 13:9 zur Stelle, außerdem trafen auch der tempomachende Nikola Bilyk und Eric Johansson wie sie wollten. Ein Kracher aus dem Rückraum von Karl Wallinius führte beim 20:13 in der 29. Minute zur ersten Kieler Sieben-Tore-Führung, geradezu akrobatisch traf dann Kreisläufer Patrick Wiencek zum 21:14: Es war gleichzeitig der Halbzeitstand, weil Niklas Landin den völlig frei vor ihm auftauchenden Mortensen mit einer weiteren Glanzparade düpierte.
Hamburger Führung rüttelt Zebras wach
Nach der verlängerten Halbzeitpause war Magnus Landin dann erster Torschütze in Halbzeit zwei, Mortensen traf zum 22:15 für Hamburg. Dann führte ein 3:0-Lauf zwischen der 37. und 40. Minute (zweimal Överby, Bilyk) zum 26:16 und zur ersten Kieler Zehn-Tore-Führung. Hamburgs Angriffsreihe hatte reichlich Sand im Getriebe, brachte nur zwei Treffer in zehn Minuten zustande. Auf der anderen Seite ließen es die Zebras krachen - vor allen Dingen Eric Johansson, der Bitter den Ball erst mit 110, dann per Leger und dann mit 115 km/h um die Ohren drosch. Der THW hatte alles im Griff - eine gute Gelegenheit für THW-Trainer Filip Jicha, auch seinen jungen Leuten eine Chance zu geben, eigene stark belastete Leistungsträger zu schonen. Henri Pabst, Ben Connar Battermann und Luca Alexander Schwormstede sammelten auf diese Weise viele Minuten Bundesliga-Handball, Battermann und Schwormstede trugen sich beim 36:24 und dem abschließenden 40:28 sogar noch in die Kieler Torschützenliste ein. "Zwei Punkte, viele Tore und ein gutes Gefühl. So macht Handball Spaß", freute sich später THW-Rückraumspieler Harald Reinlkind
Spitzenspiel-Doppelpack vor der Länderspielpause
Nach zuletzt zwei Heimspielen gehen die Kieler Handballer jetzt wieder auf große Tour: Gleich zwei Spitzenspiele stehen beim THW Kiel vor der Länderspielpause noch auf dem Programm – in Kielce und dann in Berlin geht es um richtig wichtige Zähler in der Königsklasse und in der "stärksten Liga der Welt". Los geht’s am Donnerstag in der Machineseeker EHF Champions League mit der Begegnung beim letztjährigen Finalisten Lomza Industria Kielce. Anpfiff im ausverkauften Hexenkessel "Hala Legionow" ist um 20:45 Uhr, DAZN überträgt live. Weiter geht’s in Kielce, Kiel!
Text: Reimer Plöhn / Fotos:
LIQUI MOLY HBL, 6. Spieltag: THW Kiel – Handball Sport Verein Hamburg: 40:28 (21:14)
THW Kiel: N. Landin (1.-60., 16 Paraden, 1 Tor), Mrkva (n.e.); Duvnjak (2), Reinkind (7), M. Landin (2), Battermann (1), Øverby (5), Wiencek (2), Ekberg (3/2), Pabst, Johansson (7), Dahmke, Zarabec, Schwormstede (1), Wallinius (5), Bilyk (4); Trainer: Jicha
HSV Hamburg: Bitter (1.-18., 31.-60., 6 Paraden), Budalic (18.-30., 1 Parade); Schimmelbauer, Mortensen (7/2), Lassen (2), Weller (7), Axmann, Andersen (6), Niemann, Bergemann, Theilinger, Feit, Valiullin (4), Bajens (2); Trainer: Jansen
Schiedsrichter: Simon Reich / Hanspeter Brodbeck
Zeitstrafen: THW: 3 (Øverby (31.), Reinkind (45.), Johansson (58.)) / HSV: 4 (Bo Andersen (10.), Valiullin (26.), 2x Baijens (32., 40.))
Siebenmeter: THW: 2/2 / HSV: 2/2
Spielfilm: 0:1, 2:3 (3.), 4:4 (7.), 4:6 (8.), 6:6, 6:7 (10.), 9:7 (15.) 11:9, 13:9 (21.), 15:11, 16:12 (26.), 19:12 (28.), 21:14;
22:14, 23:16 (33.), 26:16 (40.), 27:19 (45.), 29:21 (49.), 30:22, 34:22 (53.), 37:25 (57.), 38:28 (59.), 40:28.
Zuschauer: 10.285 (Wunderino Arena, Kiel)
Stimmen zum Spiel:
THW-Trainer Filip Jicha: Ich bin sehr zufrieden, mit welcher Energie meine Mannschaft an diese Aufgabe rangegangen ist. Es war allerdings auch einfach, die Jungs für dieses Spiel zu motivieren. Auch wenn man heute vom "kleinen Derby" spricht, so waren einige meiner Spieler schon dabei, als es gegen den HSV ganz große Spiele gab. Zudem war heute die Arena zum ersten Mal in dieser Saison komplett ausverkauft, da wollten wir uns mit Energie und Willen präsentieren, was uns auch gelungen ist. Das waren 60 qualitativ gute Minuten von meiner Mannschaft, mehr gibt es zu dem Spiel auch nicht zu sagen. Morgen starten wir in eine Woche, in der es um vier Big Points in der Königsklasse und in der Bundesliga geht. Dafür müssen wir bereit sein.
Ich möchte die Möglichkeit nutzen, dem Zuschauer, der einen Notfall erlitten hatte, alles Gute zu wünschen. Meine Jungs haben alle nachgefragt, wie es ihm geht. Und als die Meldung kam, dass er stabil und auf dem Weg der Besserung ist, war die Erleichterung bei beiden Mannschaften im Kabinengang spürbar.
HSV-Trainer Torsten Jansen: Glückwunsch an den THW Kiel zum verdienten Sieg. Wir sind gut in die Partie gekommen, haben geführt und lagen kurz darauf auch nur knapp zurück. Wir haben den THW gezwungen, sein Abwehrsystem zu wechseln, das können wir uns auf die Fahnen schreiben. Danach nimmt das Spiel aber seinen Lauf, auch wenn der Halbzeitstand für meine Begriffe zu hoch war. Aber auch das war ein Beispiel für die Qualität des THW Kiel, in dieser Phase haben wir Lehrgeld bezahlt. Und wenn der THW dann einmal hoch führt, wird das nicht verwaltet, sondern mit Druck, Energie und Willen ausgebaut. Aber die Kieler sind eben eine europäische Spitzenmannschaft, das muss man anerkennen. Deswegen tut die Niederlage auch nicht so weh, auch wenn es in der Höhe ärgerlich war. Aber ich kann meiner Mannschaft da nicht allzu große Vorwürfe machen.