Es ist Derby-Zeit: Sonntag Landes-Duell gegen die SG
Bis zu sieben Derbys möglich
Bisher überzeugende SG-Saison
Zunächst kommen die Schützlinge von Trainer Ljubomir Vranjes als Bundesliga-Spitzenreiter in die Sparkassen-Arena. Zwei Punkte und sieben Tore Differenz trennen die führende SG Flensburg-Handewitt, die zudem ein Spiel weniger aufzuweisen hat, derzeit von ihrem ärgsten Verfolger, dem THW Kiel. Ein Sieg mit vier Toren Vorsprung und die "Zebras" stünden Sonntagabend wieder an der Spitze der DKB Handball-Bundesliga. Doch davor wartet die momentan wohl härteste Aufgabe der Liga auf den THW Kiel, gewann die SG doch bisher alle neun Saisonspiele und demonstrierte ihre Stärke unter anderem beim souveränen 21:17 beim amtierenden Meister aus Mannheim oder dem klaren 26:21 gegen die MT Melsungen, die im Vorjahr noch die "Hölle Nord" gestürmt hatte.
Flensburg Meisterfavorit
Nur ein Neuzugang
Zur neuen Spielzeit wurden deshalb nur minimale Veränderungen im Kader vorgenommen: Den freien Kaderplatz von Kresimir Kozina nahm Ivan Horvat ein. Ansonsten blieb das Team um die dienstältesten Spieler Anders Eggert, Thomas Mogensen und Lasse Svan, die im Jahresrhythmus zwischen 2006 und 2008 an die nördlichste Förde wechselten, zusammen. Die drei Dänen zählen auch in diesem Jahr wieder zu den Leistungsträgern und liegen in der internen Torschützenliste auf den Plätzen zwei bis vier. Angeführt wird die Gruppe von Holger Glandorf, der 46 Mal ins Schwarze traf und vor Kurzem ein Angebot des FC Barcelona zugunsten der Vertragsverlängerung bei den Nordlichtern ausschlug.
Rasmus Lauge wieder fit
Rechtzeitig zum Derby meldete sich auch Rasmus Lauge wieder fit: Nach seiner Knieverletzung beim "Rewe Final Four" in Hamburg und monatelanger Reha-Phase kehrt der ehemalige Kieler ausgerechnet vor der Derby-Triologie wieder zurück aufs Feld. SG-Trainer Ljubomir Vranjes wird also am Sonntag aus den Vollen schöpfen können, während THW-Trainer Alfred Gislason auf Christian Dissinger verzichten muss. Einige Spieler kehrten zudem angeschlagen aus Plock zurück, wo die "Zebras" die kraftraubende Derby-Generalprobe beim polnischen Vizemeister am Mittwoch verloren. Die SG gewann hingegen ihr Spiel bei den Kadetten Schaffhausen mit 29:26 und zog in der Vorrunden-Tabelle am THW vorbei.
Duvnjak: "Wir brauchen einen richtigen Hexenkessel"
KN: Manege frei zum 89. Landesderby: Die Halle muss brennen
Kiel. THW Kiel gegen SG Flensburg-Handewitt, das ist mehr als nur ein Spiel. Und das 89. Aufeinandertreffen der Schleswig-Holsteiner ist am Sonntag (15 Uhr) auch mehr als nur ein Derby: In der Handball-Bundesliga geht es um die Tabellenspitze. Das Vier-Punkte-Spiel ist der Auftakt zu drei Derbys innerhalb von zehn Tagen. "Wir müssen die Halle hinter uns bringen, damit die Fans uns nach vorn peitschen und uns den Extra-Schub geben", sagt THW-Linkshänder Steffen Weinhold. Ein Derby dürfte die 10 000 Kieler Fans ohnehin genug motivieren, hinzu kommt der Stellenwert der Partie. "Ein Derby ist immer sehr besonders, dieses ist noch dazu sehr wichtig für die Meisterschaft", erklärt der Ex-Flensburger Weinhold, der das Zebra auf der Brust längst verinnerlicht hat. Ist die SG nach neun Siegen in neun Ligaspielen und der THW-Pleite in Plock der Favorit? "Die Niederlage wird nicht in den Köpfen sein", ist Weinhold sicher. "Es ist ein anderer Wettbewerb und ein ganz anderes Spiel." Dem stimmt Nikola Bilyk zu. "Dieser Stachel darf nicht tief sitzen, bei uns sind alle Augen auf Flensburg gerichtet", sagt der Österreicher, der mit einer leichten Erkältung von der Nationalmannschaft nach Kiel zurückgekehrt ist. Die Achillesferse der Zebras ist momentan der Angriff, in dem auch die Shootingstars Bilyk und Lukas Nilsson auf der Suche nach ihrer Saison-Frühform sind. "Ja, im Moment läuft es nicht so gut", sagt Bilyk. "Aber Lukas und ich haben gesprochen, wir machen uns keinen Druck. Natürlich wünsche ich mir, dass ich wieder besser spiele - aber die Hauptsache ist, dass wir am Sonntag das Derby gewinnen." Für den 19-Jährigen ist es das erste Landesduell. "Ich habe viel darüber gehört, aber ich lasse mich überraschen", sagt er. Ein alter Derby-Hase ist Steffen Weinhold, der sich voll auf das Duell fokussiert. "Vor dem ersten Derby denke ich nicht an die anderen, die noch kommen", sagt er. "Es geht um dieses eine Spiel." In dem muss der THW seine Offensive entscheidend verbessern. "Wir müssen es schaffen, mehr aus dem Tempospiel zu kommen und durch unsere gute Abwehr mehr leichte Tore aus der ersten und zweiten Welle machen", erklärt Weinhold. "Wir können und müssen alle Vollgas geben, mehr laufen und kämpfen. Unser Kader ist groß genug, wir können wechseln und haben dadurch keinen Qualitätsverlust." 17 Kieler und 18 Flensburger sind einsatzbereit, nur je 14 können Alfred Gislason und Ljubomir Vranjes einsetzen. Das Gigantenduell zieht bundesweit Aufmerksamkeit auf sich, lockt mehr als 80 Journalisten und die ARD-Sportschau in die Sparkassen-Arena, wird unter den Augen von Schleswig-Holsteins Ministerpräsidenten Torsten Albig und Innenminister Stefan Studt sowie HBL-Präsident Uwe Schwenker stattfinden. Es ist alles angerichtet für das 89. Derby, das Vier-Punkte-Spiel um die Meisterschaft. Und die Halle wird brennen. (Von Niklas Schomburg, aus den Kieler Nachrichten vom 12.11.2016)
KN-Interview mit Ljubomir Vranjes über das Nordderby
Flensburg. Es gibt nicht viele Titel, die Ljubomir Vranjes als Spieler und Trainer noch nicht gewonnen hat. Der 43-Jährige war als Spieler Welt- und Europameister, als Trainer DHB-Pokal- und Champions-League-Sieger. Was ihm noch fehlt: der deutsche Meistertitel. Was noch negativ zu Buche schlägt: die Nordderby-Bilanz gegen den THW Kiel mit nur neun Siegen in 23 Spielen, seit Vranjes im November 2010 das Traineramt bei der SG übernahm.
Herr Vranjes, jetzt kommen drei Nordderbys in Folge. Sie könnten Ihre Bilanz aufmöbeln ...
[lacht] Es ist ja schon das dritte Jahr in Folge mit so vielen Spielen gegen Kiel. In der Vorsaison waren es sechs. Alltag ist es gewiss noch nicht, und Spaß macht es immer, gegen Kiel zu spielen. Kiel ist eben Kiel und wird immer Kiel sein. Aber: Das ganz besondere Gefühl ist weg, es ist nicht mehr wie vor zehn Jahren.
Ein Abnutzungseffekt, den sie bedauern?
Ja, der Handball macht sich selbst kaputt. Das Fernsehen, die EHF, der DHB, die Handball-Bundesliga bestimmen, und wir sind nur Marionetten. Dreimal in elf Tagen gegen den THW Kiel – der Handball ist leider so. Die Belastung im November ist unglaublich hoch, darum werde ich meine Spieler rotieren lassen wie immer. Aber es gibt einen Unterschied: In der Champions League ist es fast egal, ob ich Zweiter, Dritter oder Vierter in der Gruppe werde. In der Bundesliga werden die spielen, die einen guten Tag haben.
Der THW hat in dieser Woche in Plock verloren. Sie sagen, Ihre Mannschaft habe in Schaffhausen "nicht überragend ausgesehen" ...
... und trotzdem hoffe ich, dass sich beide Mannschaften am Sonntag stark präsentieren. Es ließ sich natürlich nicht verstecken, dass da an diesem Wochenende ein Saison-Highlight auf uns zukommt. Aber immerhin: Alle haben in Schaffhausen gespielt, alle sind im Rhythmus.
Ihr Verhältnis zu den eigenen Fans war zuletzt nicht unbelastet, in einem offenen Brief bei Facebook haben Sie mehr Unterstützung eingefordert. Wie wichtig sind die Flensburger Fans in den Partien gegen den THW?
Da brauche ich ganz bestimmt keinen Brief zu schreiben. In Schweden sagt man: Das ist wie ein schlafender Bär. Und wenn der THW da ist, wird er wach und steht wieder auf. Das ist für uns sicher ein Vorteil. Aber das ist in Kiel auch ein Vorteil für den THW, und da fangen wir ja jetzt an. Dort weht ein neuer frischer Wind, junge Spieler übernehmen viel Verantwortung, zusammen mit den Routiniers und zwei starken Torhütern. Der THW ist auf dem Weg zu einer Top-Mannschaft in Europa. Die Jungen brauchen noch Zeit.
In der Vorsaison hat die SG Ihrer Meinung nach den besten Handball gespielt, seit Sie in Flensburg Trainer sind. Hält dieses Hoch an?
Noch nicht ganz, aber wir sind auf dem Weg dorthin. Teilweise spielen wir überragend, besonders in der Bundesliga haben wir unsere Sache schon ganz ordentlich gemacht. Aber die Kontinuität ist noch nicht da. Vielleicht hat das auch mit meinem Coaching zu tun. In der Champions League habe ich vielen Spielern eine Chance geben wollen, habe sie zum Teil lange weiterspielen lassen, auch wenn es nicht optimal lief.
Es scheint, als pflege man in Flensburg ein gewisses Understatement, als würden Ansprüche auf den Meistertitel nur sehr leise geäußert. Dabei ist die SG doch irgendwie mal wieder dran mit der Meisterschaft, auf die sie seit 2004 so sehnlich wartet, oder?
Moment! Ich sage ganz deutlich: Wir verstecken uns nicht, ich habe ganz sicher den Kader, um Meister zu werden. Und übrigens fahren wir mit 18:0 Punkten nach Kiel. Aber niemand ist einfach nur ,dran’, die Spiele müssen erst gespielt werden, und wir haben vor jedem Gegner und vor der Liga Respekt.
Wäre die deutsche Meisterschaft der perfekte Abschied aus Flensburg? Der schwedische Verband wollte Sie schon als Coach der Tre Kronor, jetzt sind Sie als Nachfolger von Dagur Sigurdsson als deutscher Bundestrainer im Gespräch.
Wenn du Trainer der SG bist, ist das wohl so. Aber ich beschäftige mich gar nicht damit, habe noch nicht einmal darüber nachgedacht. Wenn eine offizielle Anfrage kommt, werde ich mich damit beschäftigen, bis dahin ist alles Spekulation. Ich glaube auch nicht, dass ich noch einmal gefragt werde, schließlich habe ich 2014 schon einmal abgesagt.
(Das Interview führte Tamo Schwarz, aus den Kieler Nachrichten vom 12.11.2016)