76. Landesderby: THW in Flensburg ohne Chance
Auch 10/4 Treffer von Marko Vujin reichten in der Flens Arena nicht. © Sascha KlahnSchwarzer Sonntag für den THW Kiel: Beim 76. Landesderby in der ausverkauften Flens Arena unterlagen die "Zebras" am Nachmittag einer starken SG Flensburg-Handewitt mit 30:34. Nach ausgeglichener Anfangsphase machten die Kieler im Angriff zu viele Fehler, scheiterten überdies zu oft an Torhüter Mattias Andersson und lagen bereits zur Pause mit 14:21 zurück. Auch insgesamt 19 Treffer von Marko Vujin und Filip Jicha halfen nichts - durch die 25. Derbyniederlage musste der THW Kiel auch die Tabellenführung der DKB Handball-Bundesliga an den Landesrivalen abtreten.
Brodelnde Stimmung
Es war ein umkämpftes Derby von Anfang an. Hier setzt sich Filip Jicha durch. © Sascha KlahnDie seit Wochen ausverkaufte Flens Arena brodelte schon lange vor Spielbeginn. Kein Wunder, hatten die Gastgeber doch nach ernüchterndem Saisonstart zuletzt 17:1 Punkte eingefahren und konnten mit einem Erfolg gegen den Erzrivalen - auch dank bereits einer mehr absolvierten Partie - gar die Tabellenspitze in der Liga erobern. Die elektrisierende Stimmung von den Rängen sprang auch sofort aufs Parkett über, denn gleich im ersten Kieler Angriff gab es den ersten Aufreger: Filip Jicha spielte den an den Kreis aufgelösten Niclas Ekberg frei, der aber unsanft vom unglücklich reinrutschenden Steffen Weinhold gebremst wurde. Die Schiedsrichter Fabian Baumgart und Sascha Wild schickten den zukünftigen Kieler folgerichtig sofort für zwei Minuten auf die Bank, und glücklicherweise ging es für Niclas Ekberg nach der Schrecksekunde weiter. Filip Jicha nutzte den resultierenden Siebenmeter zum 1:0 für die Gäste, doch Flensburg drehte in Unterzahl zunächst das Blatt: Eggert sorgte mit einem Dreher an Sjöstrand vorbei für das 1:1, Mattias Andersson lenkte ein Jicha-Geschoss an den Pfosten und Mogensen sorgte bei Passivspiel-Vorwarnzeichen mit einem unglaublichen Stemmwurf zum 2:1 für das erste große Ausrufzeichen auf dem Parkett und den Rängen. Die Kieler konnten die erste Überzahlsituation des Derbys nicht zum eigenen Vorteil nutzen - ein Zustand, der sich wie ein roter Faden durch die Partie ziehen sollte.
THW auf Augenhöhe
Steffen Weinhold spielte eine starke erste Halbzeit gegen seinen zukünftigen Verein. © Sascha KlahnIn der Anfangsphase agierten die "Zebras", die erneut mit ihrer 6:0-Deckung um Rene Toft Hansen und Patrick Wiencek im Mittelblock agierten, dennoch mindestens auf Augenhöhe mit den Gastgebern: Marko Vujin sorgte für das 2:2, und nachdem sein Abwehrpendant Christian Zeitz in einen Pass Mogensens auf Nenadics sprintete und damit das 3:2 durch Patrick Wiencek ermöglichte, lagen die Kieler wieder vorne. Diese hatten in Filip Jicha ihren Motor im Angriff, der zunächst nicht zu stoppen war und vier der ersten sechs THW-Treffer erzielte, während auf Seiten der SG sich besonders Steffen Weinhold hervor tat, der mit seinen zwei Durchbrüchen jeweils Strafwürfe für sein Team herausholte.
Anderssons Paraden: Vier-Tore-Lauf der SG
Mattias Andersson ebnete mit seinen Paraden den Weg zur deutlichen Flensburger Pausenführung. © Sascha KlahnBis zum 6:5 durch einen Jicha-Sprungwurf blieben die Kieler auf Kurs und hatten mit einem Gegenstoß sogar die Chance zu erhöhen. Doch nun wurde Mattias Andersson erstmals zum Faktor, indem er den Wiencek-Konter parierte und in den nächsten Kieler Angriffen auch gegen Vujin und Palmarsson zur Stelle war. Die SG bestrafte dies konsequent per zweiter Welle, Mogensen und zweimal der bärenstarke Weinhold sorgten flugs für das 8:6 aus Sicht der Gastgeber. Im Anschluss blieb dann sogar noch Filip Jicha zweiter Sieger im Siebenmeter-Duell mit Andersson, und auf der Gegenseite sorgte Lasse Svan gar für das 9:6 - die Flens Arena tobte.
Bei den Gastgebern klappt alles
SG wie im Rausch zur Pausenführung
Aron Palmarsson erzielte vier Treffer, konnte aber an seine zuletzt starken Leistungen nicht anknüpfen. © Sascha KlahnAlfred Gislason hatte bereits seine erste Auszeit genommen, und der Abwärtstrend konnte tatsächlich etwas gestoppt werden - zweimal Vujin und Jicha verkürzten auf 14:11, nachdem Palicka gegen Mogensen parieren konnte. Doch es blieb ein kurzes Strohfeuer des Rekordmeisters, der auch eine weitere Überzahlchance nach Zeitstrafe gegen Knudsen ungenutzt ließ: Jicha scheiterte doppelt am überragenden Andersson, und Weinhold sorgte nicht nur für das 16:11, sondern auch für eine Zeitstrafe gegen Wiencek. Nachdem auch Vujin überhastet in Andersson seinen Meister fand, sorgte Lasse Svan im Gegenzug gar für die erste Sechs-Tore-Führung für Flensburg. Und bis zum Pausenpfiff mussten die "Zebras" noch weitere Demütigungen über sich ergehen lassen: So sah Rene Toft Hansen bereits seine zweite Zeitstrafe, auch Publikumsliebling Christian Zeitz musste noch für zwei Minuten runter. Zudem sorgten Eggert mit einem frechen Dreher vom Siebenmeterstrich und Weinhold mit bereits seinem fünften Treffer für Jubelstürme unter den heimischen Fans, die es schon lange nicht mehr auf ihren Sitzen hielt. Vujin und Jicha sorgten zwar mit ihren Toren für leichte Hoffnungsschimmer unter den mitgereisten schwarz-weißen Schlachtenbummlern, doch der Rückstand war bis zur Halbzeit beim 14:21 bereits auf ein gewaltiges Maß angewachsen.
THW lässt zu viele Chancen aus
Flensburg lässt nichts mehr anbrennen
Jubel bei Thomas Mogensen und Co. © Sascha KlahnNach Wiederanpfiff sorgte der bislang unauffällige Drasko Nenadic für das wichtige 24:17 und ließ den Knoten bei den Flensburgern wieder platzen. Mogensen beantwortete Palmarssons Treffer mit einem wuchtigen Stemmwurf, und nachdem Nenadic Zeitz' Kreisanspiel antizipierte und per Gegenstoß auf 26:18 erhöhte, war nach 40 Minuten schon fast mehr als nur die Vorentscheidung gefallen. Der THW versuchte es zwar weiterhin mit der Brechstange, die unermüdlichen Jicha und Vujin versuchten es weiterhin aus allen Lagen. Und in der Abwehr stellte Gislason auf eine 5:1-Deckung mit dem vorgezogenen Jicha um. Indes: All dies half nicht, den Rückstand noch einmal entscheidend zu verkürzen. Zumal auch drei weitere Überzahlsituationen nicht zur Aufholjagd genutzt konnten, lagen die Gastgeber nach zwei Glandorf-Krachern nach 50 Minuten trotzdem noch mit 30:23 in Front. Erst in den letzten vier Minuten, nach dem 33:27 durch Mogensen, konnten die "Zebras" noch ein wenig Ergebniskosmetik betreiben: Palmarsson mit einem tollen Hüftwurf, der von Zeitz in Szene gesetzte Toft Hansen und Zeitz mit einem seiner unnachahmlichen Geschosse sorgten so für das etwas schmeichelhafte Endergebnis.
Am Mittwoch kommt Lübbecke
Enttäuschung pur: Traurige Gesichter beim THW nach dem Abpfiff. © Sascha KlahnDie Tabellenführung ist damit erst einmal futsch für den neu formierten THW Kiel. Mit 24:4 Punkten haben die "Zebras" aber weiterhin die wenigsten Minuspunkte in der Liga und können daher spätestens im Nachholspiel gegen den TBV Lemgo am 18. Dezember wieder an der SG (25:5) vorbeiziehen. Bis dahin ist es aber noch ein langer Weg, auf dem weitere schwere Hürden wie Plock in der Champions League, die Füchse Berlin und der Bergische HC in der Liga sowie die Rhein-Neckar Löwen im Pokal auf den THW warten. Den Anfang macht aber erst einmal am kommenden Mittwoch das Heimspiel gegen den TuS N-Lübbecke. Viel Zeit, die schmerzhafte Derby-Niederlage zu verarbeiten, bleibt den Kielern somit nicht. (Sascha Krokowski)