KN: "Wir sind noch nicht fertig"
Kiel. Pokalsieger plus EHF-Cup-Sieger gleich Double. Aber der THW Kiel will mehr, will Titel Nr. 21 in der Handball-Bundesliga, will die SG Flensburg-Handewitt noch abfangen, ein Handball-Märchen schreiben. "Wir sind noch nicht fertig", sagt Viktor Szilagyi, Sportlicher Leiter der Zebras. Ein Satz, der an der Flensburger Förde nachhallen wird in den kommenden Wochen bis zum letzten Spieltag am 9. Juni.
Viktor Szilagyi, der THW Kiel und die ungebremste Lust auf die 21. Meisterschaft
"Wir hatten das klare Ziel, um die Meisterschaft mitzuspielen, und jetzt werden wir das auch bis zum letzten Spieltag tun", sagt Szilagyi. Der 40-jährige Österreicher kennt das Geschäft, kennt den Druck, kennt Flensburg, spielte selbst von 2010 bis 2012 bei der SG und wurde dort 2012 Europapokalsieger der Pokalsieger. Bis jetzt hat der THW alles richtig gemacht, den Druck hochgehalten, das 99. Derby für sich entschieden, aufgeschlossen. Zur Erinnerung: Die SG führt die Tabelle mit 58:4 Punkten an. Der THW liegt zwei Zähler dahinter (56:6), hat die um elf Tore bessere Tordifferenz. Ein Ausrutscher der Flensburger, und das Blatt könnte sich wenden.
Aber gegen wen? Seit Dienstag ist klar, dass die Plätze drei bis sechs den Sprung in den EHF-Cup bedeuten. Die Füchse Berlin (Platz fünf/36:26 Punkte), die MT Melsungen (6./36:26) der Bergische HC (7./36:26) und Frisch Auf Göppingen (8./34:28) wollen nach Europa. Flensburg spielt noch gegen die Füchse und am letzten Spieltag beim Bergischen HC. Nach dem EHF-Cup-Finale sagte Fuchs Fabian Wiede: "Ich habe schon mit meinen Kollegen aus der Nationalmannschaft vom THW gesprochen: Wir werden weiterhin alles geben und versuchen, Flensburg zu schlagen." Das hören Steffen Weinhold, Patrick Wiencek, Andreas Wolff und Hendrik Pekeler sicher gern. Der National-Halblinke Paul Drux von den Füchsen sieht alles etwas egoistischer: "Wer deutscher Meister wird, sollen die da oben schön unter sich ausmachen. Aber wir wollen natürlich für uns gewinnen."
Der THW will mehr, will Titel Nr. 21. "Seit dem EHF-Cup-Sieg am Wochenende ist es eine überragende Saison für uns. Und selbst wenn wir mit sechs Minuspunkten am Ende nur Zweiter werden, wird sich daran auch nichts ändern. Das große i-Tüpfelchen wäre, wenn aus dem Double noch das Triple wird", sagt Szilagyi. Für Rechtsaußen und EHF-Cup-Finals-MVP Niclas Ekberg war das Ziel ohnehin "die ganze Saison über das Triple". Steffen Weinhold freut sich auch erst einmal nur über eine "zu zwei Dritteln geile Saison", die mit der Meistertitel zum Triple veredelt würde. Druck empfinde Viktor Szilagyi in seiner Zebraherde keinen. Warum auch? "Wir spüren keinen Druck, nur unsere eigene Erwartungshaltung. Wir haben ja schon zwei Titel. In Flensburg allerdings muss der Druck, den Titel noch zu verspielen, sicher groß sein." Er, der ehemalige Weltklasse-Spielmacher, kennt Flensburg und kennt das Restprogramm der SG, die noch in Stuttgart ("Dort kann Jogi Bitter ein Spiel entscheiden"), gegen die Füchse Berlin und am letzten Spieltag beim Bergischen HC antreten muss. "Der BHC spielt zum dritten Mal in Düsseldorf. Wir haben am eigenen Leib erfahren, wie es dort ist in einer vollen Halle, die wieder ausverkauft sein wird. Und der BHC hat im Saisonfinale auch noch die Aussicht auf Europa. Im Kampf um den sechsten Platz ist noch Bewegung. Es ist noch nichts entschieden."
Die Liste der unglaublichen Aufholjagden in der Sportgeschichte ist lang. "Die Löwen haben die Meisterschaft im letzten Jahr noch verspielt, Bayern hatte in dieser Saison in der Fußball-Bundesliga schon neun Punkte Rückstand, Liverpool sieben Punkte Vorsprung", sagt Szilagyi. Dennoch habe man viel Respekt für den Nordrivalen. "Wenn die Flensburger das wirklich bis zum Ende durchziehen, ist es verdient und wir sind die ersten, die gratulieren. Trotzdem können sie gerne unseren Atem spüren."
(Von Tamo Schwarz, aus den Kieler Nachrichten vom 23.05.2019, Foto: Sascha Klahn)