KN: Beste Abwehr der Welt: Hendrik Pekeler und Patrick Wiencek
Köln. 19, 21, 22, 25, 23, 19, 21. Die Zahl an Gegentoren der deutschen Handball-Nationalmannschaft bei der Heim-WM klingt nach Weltklasse. Nach einer Weltklasse-Abwehr. Man of the Match werden immer andere. Die Torjäger. Doch auf einmal reden alle über Defensive. Diese Geschichte ist in Kiel eine alte Leier. Die Kieler kennen sie. Doch jetzt ist es die Geschichte von der besten Abwehr der Welt. Die Geschichte von Patrick Wiencek und Hendrik Pekeler.
Zwei Kieler sind der Schrecken aller Angreifer
Alle Zeitungen überschlagen sich: "Die menschliche Mauer", "Die sanften Killer", schreiben sie. Gemeint sind immer Wiencek und Pekeler, diese beiden Abwehrstrategen vom Handball-Rekordmeister THW Kiel. Hast du Wiencek (29 Jahre alt/2,00 Meter) und Pekeler (27/2,03) in deinen Reihen, brauchst du dir über Feinde keine Gedanken zu machen. Feinde, das sind immer die gegnerischen Angreifer, und bei dieser WM geht es denen meistens ziemlich schlecht. 19, 21, 22, 25, 23, 19, 21. Diese Zahlen sprechen eine deutliche Sprache. In der 3:2:1-Deckung steht Pekeler vorne, stört, nervt, antizipiert, nimmt die Spieler in Empfang, stemmt sich gegen diese heranpreschenden Dampfloks. Dahinter muss Wiencek in diesem Konstrukt organisieren, laufen, schieben, laufen. In der 6:0 stehen beide nebeneinander im Innenblock. Sie frönen ihrer Lust am Zerstören.
"Ein Block, ein Steal, eine gelungen Aktion sorgen für ein ähnliches Glücksgefühl wie ein Tor", sagt Pekeler. Wie die Isländer leiden mussten. Oder Domagoj Duvnjak im Dress der Kroaten. Da war kaum ein Vorbeikommen an dieser Mauer, an diesen Armen, an diesem Kraftzentrum. "Sie kennen Duvnjak aus dem Effeff, haben hart, aber fair gedeckt, ihm mit ihren Blocks nur einen Wurf gegönnt, ihn clever unter Druck gesetzt, seine Assists zum Kreis verteidigt. Davor habe ich einen Riesenrespekt", sagte Bundestrainer Christian Prokop am Dienstag.
Peke und Bamm-Bamm, das Traumduo von der Förde. Pekeler, dieser stoische Gentleman, zuweilen unbeteiligt wirkend, über den DHB-Vize Bob Hanning sagt: "Pekeler hat mich restlos begeistert. Er ist da, wo man ihn nicht erwartet. Das habe ich in den letzten fünf Jahren bei keinem Spieler auf der Welt gesehen." Oder Wiencek, der nach den ersten gelungenen Aktionen das Publikum anpeitscht, mit den Armen rotiert wie ein Rückenschwimmer, explodiert. "Er hat eine gespaltene Persönlichkeit", sagt Pekeler über seinen Mitspieler aus Kiel. "Auf dem Feld hart, emotional, aber fair. Privat der liebste Kerl, den man sich vorstellen kann." Er gehe, sagt Hanning, "dahin, wo er sich wehtut". "Das passt gar nicht zu dem Menschen Wiencek. Wie sich jemand in wenigen Minuten so verändern kann, habe ich sauch noch nicht erlebt." Beide tragen in jedem Spiel Blessuren davon. "Der erste Meter zur Toilette morgens ist der schwerste", sagt Wiencek und lacht. Blessuren kümmern ihn nicht.
Peke und Bamm-Bamm, die kongenialen Partner aus dem Defensivzentrum von Alfred Gislason bei den Zebras. Und von Christian Prokop. "Wenn unsere Abwehr steht, sind wir schwer zu bezwingen. Wir verstehen uns blind", sagt Pekeler und betont: "Alle reden jetzt über uns, aber ohne die Verteidiger auf den Halbpositionen geht es nicht - besonders in der 3:2:1." "Es ist ein Riesenvorteil, dass wir uns täglich sehen. Spielen bei der WM ja fast das gleiche System wie in Kiel", so Wiencek. Zwei Abwehr-Riesen, zwei ähnliche Lebensmodelle. Beide sind verheiratet, beide haben zwei Kinder, sind liebevolle Väter. "Die Familie ist die Nummer eins", sagt Wiencek, der sich am Dienstag so auf den Besuch von Ehefrau Fabiane, Tochter Lotta und Söhnchen Paul freute. Pekeler (Pries) und Wiencek (Molfsee) wohnen in Kiel an unterschiedlichen Enden der Stadt. Manchmal aber, nach den Spielen in der Sparkassen-Arena, spielen Lotta (4) und Pekelers Tochter Fine Sophia (3) zusammen, würden laut Pekeler aber noch keine Mauer bilden, anderen Kindern nicht das Leben schwer machen - so wie es ihre Väter es auf dem Handballfeld tun und der Lust am Zerstören frönen.
(Von Tamo Schwarz, aus den Kieler Nachrichten vom 23.01.2019, Foto: Archiv/Sascha Klahn)