KN-Interview mit Christian Prokop
Berlin. Christian Prokop mag es nicht gern, Personalentscheidungen zu rechtfertigen. Vielmehr fordert der Handball-Bundestrainer "den nötigen Respekt" für seine Nominierungen. Für die Länderspiele gegen Spanien hat der Nachfolger von Dagur Sigurdsson auf den Außenpositionen auch der zweiten Reihe eine Chance gegeben, doch der Erkenntnisgewinn durch die Leistungen von Yves Kunkel und Tim Hornke war überschaubar. Nach jetzigem Kenntnisstand wird also Rune Dahmke bei der EM im Januar dabei sein. Auch Patrick Wiencek ist in der Deckung unverzichtbar.
Christian Prokop über den EM-Fahrplan und die Zebras
Kieler Nachrichten: Herr Prokop, Deutschland ist Titelverteidiger. Wie ist der Start der "Mission Gold" Ihrer Meinung nach gelaufen?
Christian Prokop: Für eine ausformulierte Zielsetzung ist die EM noch zu weit weg. Ich bin zufrieden mit der Trainingswoche. Wir gehören sicher zum engen Favoritenkreis, müssen uns aber verbessern. Viel Zeit ist nicht mehr. Nach diesem Lehrgang treffen wir uns ja erst wieder zur unmittelbaren Vorbereitung Ende Dezember. Die zentralen Positionen im Kader stehen, da sind keine großen Überraschungen zu erwarten, das ist kein Geheimnis. Aber ich werde weiter alle Spieler beobachten, habe schon bis Oktober zehn der 18 Vereine besucht und werde weiter in die Hallen fahren.
Welchen Stellenwert werden die Spieler des THW Kiel in Ihren Überlegungen haben? Ich denke da beispielsweise an Linksaußen Rune Dahmke, der nicht für die Länderspiele gegen Spanien nominiert war.
Wir haben tolle Außenspieler in Deutschland, und ich bitte um Respekt für meinen Entschluss, Kunkel und Hornke zu nominieren. Rune hat sich in Kiel gesteigert, besonders nach der Nichtnominierung. Das ist genau die Reaktion, die ich sehen will.
Patrick Wiencek war wegen einer Zahn-Operation kurzfristig ausgefallen ...
... und hat uns besonders am Sonnabend in Magdeburg unheimlich gefehlt. Er ist in Kiel ein "Aggressive Leader" geworden, das bewundere ich. Es ist beeindruckend, wie er im Innenblock die Gegner unter Druck setzt. Da waren wir teilweise zu zaghaft, zu behäbig. Patrick ist ein fester Bestandteil der Nationalmannschaft.
Andreas Wolff bekommt in Kiel momentan kaum Einsatzzeit im Tor. Das könnte bis zur EM so bleiben. Wie wichtig ist Ihnen Spielpraxis?
Die Kieler wollen sicher auch zwei starke Torhüter haben. Hier ist Nationalmannschaft, da ist Kiel. Hier war Andi sofort heiß, hat ein gutes Gefühl vermittelt. Er hat mir in Magdeburg gut gefallen.
Worauf wird es ankommen, um in Kroatien bei der EM erneut zu begeistern?
Wir müssen hungrig sein, denn nur so eine Mannschaft, in der es keinen Top-Star gibt, hat eine Chance auf Erfolg. Natürlich müssen alle Spieler das Spielsystem verstehen. Aber Emotionen sind auch wichtig.
Und wie geht es jetzt weiter?
Mitte Dezember muss ich meinen 28-köpfigen Kader nominieren. Nur aus diesem Kader kann ich schöpfen. Kurz vor der Abreise nach Kroatien im Januar nächsten Jahres werde ich den Kreis dann auf 16 bis 18 Spieler reduzieren. 18, weil ich im Laufe des Turniers zwei Spieler ersetzen beziehungsweise nachnominieren darf.
Kurzer Exkurs in Ihr altes Betätigungsfeld, den Vereinshandball: Wie stehen Sie den Plänen für eine Reform der Champions League gegenüber?
Im Moment lese ich nur davon und nehme wahr, dass noch mehr Spiele für die Akteure aus den Top-Mannschaften hinzukommen. Das gefällt mir nicht. Diese Reform wird auf dem Rücken der Spieler ausgetragen. Aber: Wir als Deutscher Handballbund haben keine Handhabe. Die Frage ist doch, wie wir erfolgreich sein wollen. Ich habe natürlich einen großen Pool an Spielern. Aber ich sage auch, dass es unser Ziel sein muss, dass die Besten für Deutschland auflaufen. 
(Von Tamo Schwarz, aus den Kieler Nachrichten vom 30.10.2017, Foto: Sascha Klahn)