Zebras nehmen aus Topspiel-Abwehrschlacht in Lemgo einen wichtigen Punkt mit nach Hause

Bundesliga

Zebras nehmen aus Topspiel-Abwehrschlacht in Lemgo einen wichtigen Punkt mit nach Hause

Riesenkampf, große Emotionen, Spannung bis zum letzten Wimpernschlag: Nach vier Toren Rückstand eine Viertelstunde vor Schluss kämpften sich die Zebras zurück in die Partie und belohnten sich mit einem ganz wichtigen Auswärtspunkt. Im ausverkauften Hexenkessel Phoenix Contact-Arena sahen die Zuschauer eine wahre Abwehrschlacht beider Clubs, die am Ende mit einem 23:23 (9:10)-Unentschieden endete. Die Zebras haderten allerdings mit dem letzten eigenen Angriff, den die Lemgoer, "Mannschaft der Stunde" in der stärksten Liga der Welt, abwehren konnten. Beim THW Kiel glänzte Andreas Wolff mit 16 Paraden, Elias Ellefsen á Skipagötu war mit sechs Treffern erfolgreichster Werfer seiner Mannschaft. 

Zebras ohne drei Leistungsträger in Lemgo

THW-Trainer Filip Jicha, der neben dem Langzeitverletzten Emil Madsen in Lemgo auch auf Bence Imre (Bauchmuskelzerrung) und auch kurzfristig auf den eigentlich für die Abwehr gesetzten Petter Överby (Infekt) verzichten musste, lobte nach dem Remis seine Mannschaft für ihren Willen: "In der zweiten Halbzeit waren wir bei vier Toren Rückstand fast schon weg, aber dann hat sich meine Mannschaft großartig zurückgekämpft. Dennoch bin ich traurig, dass es für den Sieg nicht gereicht hat. Wir haben eine großartige Abwehr mit einem überragenden Andy Wolff im Tor gestellt, leider war unsere Wurfquote mit weniger als 50 Prozent zu schlecht. Über jeden Big Point in Lemgo darf man sich freuen, heute war es einer." 

Kieler Abwehr mutiert schnell zur Festung

Ein Handballspieler in einem blauen Trikot versucht, ein Tor zu erzielen, während er von zwei Spielern in weißen Trikots während eines intensiven Spiels verteidigt wird, während die Zuschauer im Hintergrund zuschauen.So starteten die Zebras in der Abwehr gegen die - wie erwartet - zunächst ohne Kreisläufer spielenden Lemgoer mit Veron Nacinovic und dem gerade erst zurückgekehrten Hendrik Pekeler im Mittelblock, auf den Halbpositionen verteidigten Domagoj Duvnjak und Harald Reinkind. Und im Tor stand Andreas Wolff. Deutschlands Schlussmann Nummer eins war dann auch von der ersten Minute an ein bärenstarker Rückhalt der THW-Defensive, die nach dem 0:2-Rückstand durch Samuel Zehnders Siebenmeter und dem Gegenstoß-Treffer des Schweizers schnell zur Festung avancierte. Wolff parierte gegen Suton, Hutecek und den beim THW Kiel ausgebildeten Jarnes Faust. Vorne zauberten die Zebras bis zur neunten Minute einen grandiosen 4:0-Lauf aus dem Hut, dämmten den Höllenlärm in der Lemgoer Arena auf normale Lautstärken: Elias Ellefsen á Skipagötu traf nach Außensperre von Veron Nacinovic, Eric Johansson brachte eine "Schleuder" aus neun Metern im TBV-Tor unter, Harald Reinkind versenkte den Ball aus dem Rückraum, ehe Veron Nacinoviv einen Tempogegenstoß zum 4:2 abschloss.

Taktik- und Abwehrschlacht im Topspiel

Mehrere Handballspieler in blau-weißen Trikots sind in Aktion, springen und greifen nach dem Ball in einem intensiven Spiel, während im Hintergrund eine große Menschenmenge von der Tribüne aus zusieht.Der THW Kiel hatte offensichtlich seine Hausaufgaben gemacht, sich großartig auf die langatmige Spielweise von Lemgo ohne Kreisläufer und mit vier Rückraumspielern eingestellt. So war die Partie von Beginn an geprägt von Taktiken mit wechselnden Angriffsvarianten und ein Messen von zwei extrem starken Abwehrreihen. Kiels Bank bejubelte schon nach zehn Minuten die fünfte Wolff-Parade, auf der anderen Seite verhinderte der Österreicher Möstl einen höheren Rückstand seiner Mannschaft. Es war lange Zeit ein zähes Spiel, geprägt durch die Spielweise der Gastgeber, die ihre Angriffe oft bis zum Zeitspiel durchexerzierten. Die Zebras bewahrten aber ihre Ruhe, stellten vor allem eine grandiose Abwehr. Bis zur 20. Minute führten die Kieler hochverdient mit drei Toren, verpassten aber offensiv, sich für den eigens angerührten Abwehrbeton zu belohnen.

Gastgeber drehen die Partie

Ein Handballspieler in einem weiß-schwarzen Trikot springt, um den Ball zu werfen, und zielt dabei auf das Tor, während ein Torwart in Hellblau sich darauf vorbereitet, den Ball abzuwehren. Die Zuschauer auf der Tribüne im Hintergrund schauen aufmerksam zu.TBV-Trainer Florian Kehrmann musste reagieren, setzte im Angriff auf das Sieben gegen Sechs und stellt zwischenzeitlich mit Willecke auch einen Kreisläufer an die THW-Linie. Der aufmerksame á Skipagötu traf in der 23. Minute nach einem Solo zum 9:6 für die Zebras. Dann kassierte Rune Dahmke wegen eines angeblichen Fußspiels in der Abwehr eine Zwei-Minuten-Strafe, und die tat dem THW Kiel nicht gut: Die Gastgeber nahmen das Geschehen in ihre Hände. profitierten von Ballverlusten der Schwarz-Weißen und von Lukas Zerbes Pech mit einem Siebenmeter-Lattentreffer. Treffsicher in der gesamten Partie zeigte sich vor allem TBV-Linksaußen Samuel Zehnder, und nach einem 4:0-Lauf für Lemgo hieß es beim Pausenpfiff einigermaßen schmeichelhaft 10:9 für den TBV Lemgo Lippe. Die Gastgeber hatten das Spiel gedreht. "Es könnte besser laufen", sagte Elias Ellefsen á Skipagötu vor dem Gang in die Kabinen. "In der Abwehr stehen wir gut, Andy hält super, aber in der zweiten Halbzeit müssen wir es vorn besser machen."

Kieler stellen um und gehen All-in

Ein Handballspieler in einem weiß-schwarzen Trikot springt, um den Ball während eines Spiels zu werfen, während im Hintergrund eine Menge von Zuschauern aufmerksam zusieht. Ein anderer Spieler in einem blauen Trikot steht ihm gegenüber.Besser machte es zunächst aber der TBV Lemgo Lippe. Harald Reinkind scheiterte frei an Möstl, Suton traf auf der anderen Seite zweimal, Versteijnen war auch zur Stelle, und als Schagen in der 41. Minute zum 15:11 einnetzte, einen halbzeitübergreifenden 9:2-Lauf für den TBV krönte, drückte Filip Jicha auf den Buzzer, rief zur Auszeit. "Wir haben noch 20 Minuten, müssen Ruhe bewahren, unser Spiel finden", forderte der Kieler Trainer - und stellte seine Offensive um: Für den glücklosen Harald Reinkind ging á Skipagötu in den rechten Rückraum, auf der Mitte zog nun Duvnjak die Fäden. Außerdem setzten die Zebras fortan auf den siebten Feldspieler, gingen All-in. Und tatsächlich, die Kieler arbeiteten sich zurück in die Partie. Johansson stieg, traf aus dem Rückraum. Lukas Zerbe war per Siebenmeter erfolgreich, Veron Nacinovic mit einem Tempogegenstoß. Seinen Anteil an der Kieler Aufholjagd hatte auch Magnus Landin, den Jicha nach 35 Minuten ins Spiel beorderte. Der Däne stopfte Köcher in der Abwehr, war immer auf schnellen Beinen unterwegs. 

Zebras erkämpfen sich einen wichtigen Punkt

Ein laufendes Handballspiel zeigt einen Spieler in einem weißen Trikot, der auf dem blauen Spielfeld nach vorne springt, während ein Torwart in Grau den Ball abwehrt, während andere Spieler und ein großes Publikum im Hintergrund zusehen.Als Lukas Zerbe das Anspiel von á Skipagötu in der 49. Minute zum 17:18 im TBV-Netz versenkte, waren die Kieler wieder dran. Zehnder und Hutecek erhöhten zwar noch einmal auf 20:17, doch dann stoppte Wolff Versteijnen und Zehnder. Á Skipagötu tankte sich durch, und wenig später glich Magnus Landin zum 20:20 aus. Sechs Minuten vor dem Ende der Partie war alles wieder offen. Zeit für einen Routinier wie Domagoj Duvnjak: Der Kieler Kapitän war jetzt auch Mittelpunkt des Kieler Angriffsspiel, riss das Geschehen an sich, sorgte mit seinen Toren in der 57. und 58. Minute für das 22:21 - der ersten Führung seit der ersten Halbzeit. Hutecek traf zum 22:22, Möstl stoppte Hendrik Pekeler, doch 50 Sekunden vor dem Abpfiff traf á Skpiagötu zum sechsten Mal. 23:22 für Kiel. Dann ließ Versteijnen nach einem letzten langen, fast 40 Sekunden dauernden Angriff die Arena ein letztes Mal beben, ehe in den verbleibenden 15 Sekunden die letzten Kieler Angriffsbemühungen erst an einem Abwehrbein und dann im Block hängen blieben.

Donnerstag Pokal-Viertelfinale in Berlin

Eine Herren-Handballmannschaft in weißen Trikots bereitet sich in einer Halle auf ein Spiel vor. Die Zuschauer schauen von den Tribünen im Hintergrund zu.Am kommenden Donnerstag bestreitet der THW Kiel das letzte K.o.-Spiel des Jahres. Im Viertelfinale des DHB-Pokals reisen die Titelverteidiger aus Kiel zum Deutschen Meister Füchse Berlin und treffen in dieser Spielzeit zum dritten Mal nach dem nach Siebenmeter-Werfen verlorenen Supercup und der knappen 29:32-Bundesliga-Niederlage im November auf das Team von Superstar Mathias Gidsel. Wie schon bei den ersten beiden Duellen werden auch am Donnerstag die Schiedsrichter Robert Schulze und Tobias Tönnies heißen. Wer die Zebras in der Hauptstadt unterstützen möchte, bekommt im Online-Ticketshop des Meisters noch Eintrittskarten. "Der Pokal hat oft seine eigenen Gesetze", sagt THW-Trainer Filip Jicha, der gesteht: "Natürlich hätten wir lieber zu Hause gespielt, aber wir müssen die Herausforderung eben so nehmen, wie sie kommt." Dyn  überträgt das Pokal-Viertelfinale live. Weiter geht’s in Berlin, Kiel!

Text: Reimer Plöhn / Fotos: TBV/Sascha Cohen

DAIKIN Handball-Bundesliga, 17. Spieltag: TBV Lemgo Lippe - THW Kiel: 23:23 (10:9)

TBV Lemgo Lippe: Möstl (1.-60., 13 Paraden), Kastelic (n.e.); Hutecek (4), Theilinger, Zehnder (8/2), Mudrow, Simak (1), Schagen (1), Carstensen, Suton (4), Willecke (2), Versteijnen (3), Wagner, Faust; Trainer: Kehrmann
THW Kiel: Perez de Vargas (n.e.),Wolff (1.-60., 15 Paraden); Duvnjak (2), Reinkind (2), Landin (1), J. Dahmke (n.e.), Laube (n.e.), Johansson (5), Ankermann (n,e,), R. Dahmke, Zerbe (5/2), Bilyk, Pekeler, á Skipagötu (6), Nacinovic (2); Trainer: Jicha

Schiedsrichter: Fabian Baumgart / Philipp Dinges
Zeitstrafen: TBV: 2 (2x Wagner (11., 37.)) / THW: 1 (Dahmke (23.))
Siebenmeter: TBV: 2/2/ THW: 4/3 (Zerbe an die Latte (28.))
Spielfilm: 2:0 (5.), 2:4 (9.), 3:6 (12.), 5:8 (20.), 6:9 (23.), 10:9;
2. Hz:. 12:9 (33.), 13:11, 15:11 (41.), 16:12 (43.), 16:14 (45.), 18:15 (47.), 18:17 (49.), 20:17 (51.), 20:20 (53.), 21:22 (58.), 22:23 (60.), 23:23
Zuschauer: 4520 (ausverkauft) (Phoenix Contact Arena, Lemgo)

Stimmen zum Spiel: 

THW-Trainer Filip Jicha: Es war ein unglaublich intensives Spiel, das wir gesehen haben. Wir wussten, dass der TBV auf einer Erfolgswelle reitet, mit sehr viel Selbstbewusstsein agieren würde und eine Einheit mit den Zuschauern bildet. Uns war klar, dass wir nicht viele Angriffe zur Verfügung haben würden und dass mit den vier Rückraumspielern sehr, sehr viel Arbeit auf uns zukommen. Genau so war es auch: Es war eine wahre Abwehrschlacht, ich bin stolz darauf, was für eine unglaubliche Abwehr meine Jungs hingestellt haben - mit einem starken Andi dahinter. Das gleiche hat aber auch Lemgo gemacht, sehr antizipativ gedeckt mit einem Simak, der das stark löst, Stürmerfouls zieht und Lücken schließt. In der ersten Halbzeit setzen wir unseren Matchplan bis zur 20. Minute gut um, dann machen wir zehn Minuten kein Tor bekommen nach 9:6 das 9:10. Da hatten wir Ballverluste, haben unsere Chancen nicht genutzt und auch ein wenig den Mut verloren. Unser Ansatz für die zweite Halbzeit war dann, mit Sieben gegen Sechs durchzuspielen, solange unsere Kräfte halten. Lemgo lag mit vier Toren vorn, dann haben wir gebastelt. Elias in den rechten Rückraum gestellt, Dule auf die Mitte. Mit dieser Formation sind wir wieder zum Abschluss gekommen. Wir haben uns zurückgefightet, und das bedeutet was für uns! Denn heute morgen ist Petter mit Fieber aufgewacht, er sollte eigentlich 60 Minuten durchspielen, weil er momentan unser einziger Mittelblocker ist, der wirklich fit war: Laube ist sehr stark angeschlagen, Peke ist gerade erst wieder zurück. Die letzte Situation haben wir nicht cool genug durchgespielt, damit Zebu einen Alles-oder-Nichts-Wurf bekommt. Aber wir nehmen einen Big Point mit nach Hause, das müssen andere Mannschaften uns erst einmal nachmachen.

TBV-Trainer Florian Kehrmann: Es war ein sehr, sehr intensives Spiel mit zwei Abwehrreihen, die alles auf dem Feld gelassen haben. Wir haben in den ersten 20 Minuten Durchbrüche liegen lassen, kommen mit dem Sieben-gegen-Sechs zurück ins Spiel und haben halbzeitübergreifend bis zur 40. Minute das Spiel in unsere Richtung gelenkt. Da führen wir dann mit vier Toren, laden aber rund um die 50. Minute mit unseren beiden Fehlern Kiel wieder ins Spiel ein. Hintenraus entscheiden dann Kleinigkeiten. Wir haben den Punkt verdient, hätten das Spiel aber in der 50., 51. Minute eigentlich zumachen müssen. Auch daraus werden wir lernen.

THW-Rechtsaußen Lukas Zerbe: Hinten haben wir das gut gelöst, aber unser Angriffsspiel hat ein wenig gestottert. Angesichts eines Vier-Tore-Rückstands in der zweiten Halbzeit ist es eher ein gewonnener Punkt für uns, und ich bin stolz auf meine Mannschaft, dass wir diesen geholt haben.