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KN: Der Sinn des Siebten

Bundesliga

KN: Der Sinn des Siebten

Mannheim. Das Spitzenspiel verloren, in der Bundesliga sechs Punkte Rückstand auf die Rhein-Neckar Löwen - der THW Kiel ist so schlecht gestartet wie seit 13 Jahren nicht mehr. Damals hatten die Zebras nach neun Spielen 6:12 Punkte auf dem Konto, nun ist der Stand immerhin umgekehrt. Dabei hatten die Zebras in Mannheim eigentlich vieles richtig gemacht, belohnten sich aber nicht für eine taktische Raffinesse.

Überzahltaktik des THW Kiel reichte bei den Löwen nicht zum Sieg

"In den vorherigen Spielen hatten wir große Probleme mit der 3:3-Deckung der Löwen", erinnerte sich THW-Kapitän René Toft Hansen. "Deshalb haben wir anders gespielt." Anders, überraschend, einfallsreich - die Kieler Variante, der offensiven Löwen-Deckung mit einem siebten Feldspieler zu begegnen, hatte niemand so richtig auf dem Zettel. Auch der Coach der Badener, Nikolaj Jacobsen, nicht: "Damit habe ich überhaupt nicht gerechnet, das hat Alfred noch nie gemacht." THW-Trainer Alfred Gislason und seiner Mannschaft gelang es durch diese Maßnahme, die Löwen in eine 6:0-Formation zurückzudrängen. Dass es am Ende trotzdem nicht zum Sieg reichte, lag nicht daran, dass die Zebra-Taktik des siebten Mannes fehlgeschlagen wäre, sondern an der zu hohen Fehlerquote und der auch in ungewohnter Deckung unbestrittenen Qualität der Gastgeber. In der ersten Halbzeit orientierte sich Christian Sprenger im schwarzen Leibchen an den Löwen-Kreis. Der etatmäßige Rechtsaußen war nicht ins Spiel eingebunden und sorgte für keine echte Überzahlsituation, doch die Rechnung ging zunächst auf: Die Löwen wichen an die Sechs-Meter-Linie zurück, der THW hatte Platz im Rückraum. "Das hat die Löwen gestört, aber uns auch ein bisschen", beschrieb Gislason. Sein Kapitän Toft Hansen analysierte später: "Wir haben zu viel Stress gehabt. Sie sind zurückgegangen, aber dann haben wir falsch reagiert." Trotz der entstandenen Räume entfalteten die Zebras keinen Druck, sondern fabrizierten technische Fehler und unsaubere Abschlüsse wie am Fließband. "Wenn wir aus den drei Tempogegenstößen, die wir vor der Pause wegwerfen, drei Tore machen, kommen wir gar nicht in die Situation, einem so hohen Rückstand hinterherlaufen zu müssen. Das hat uns den Sieg gekostet", ärgerte sich Gislason über den "enttäuschenden Halbzeitstand". Nach der Pause war es Dragos Oprea, der als siebter Feldspieler immer wieder mit Torhüter Niklas Landin wechselte. Es mutete zwischenzeitlich etwas merkwürdig an, wie der 33-Jährige von der Bank zum gegnerischen Kreis sprintete, nur um auf dem Fuß Kehrt zu machen und den Weg zurückzulaufen. Doch wieder zogen sich die Löwen zurück, wieder hatten die Zebras Räume. Bis zur 45. Minute wurde offenbar, dass die THW-Taktik einen Weg darstellte, die unangenehme Löwen-Deckung auszuhebeln. "Da hätten wir das Spiel drehen können, aber wir haben wieder zu viele Fehler gemacht", sagte Gislason. Zudem leisteten Stefan Kneer und Gedéon Guardiola im Mittelblock der Löwen-6:0 hervorragende Abwehrarbeit, und die Zebras wurden zunehmend müde. "Wegen Patrick Wienceks Verletzung bekam Domagoj Duvnjak keine Pause in der Abwehr", erklärte Toft Hansen. Joan Canellas musste neben dem Dänen im Mittelblock decken, dem Meister schwanden die Kräfte. "Da müssen wir Mamelund und Dissinger noch besser einbauen, um den anderen mehr Pausen zu geben. Wir werden in den nächsten beiden Spielen noch mehr rotieren", zog Gislason die ersten Schlüsse aus dem höchst interessanten Taktikkampf. Das Experiment trug in Mannheim durchaus Früchte, zwei Punkte brachte es nicht ein. Der siebte Mann wird nicht nur deshalb vorerst wohl wieder in der isländischen Taktikkiste verschwinden. "Das ist kein dauerhaftes Mittel, es war nur für die Löwen-Deckung gedacht", sagte der THW-Coach. Beim kommenden Spiel in Plock wird es kein schwarzes Leibchen geben. Zeit, um sich auf den Champions-League-Gegner einzustellen, haben die Zebras bis Sonnabend. Der Tross machte sich gestern direkt aus Mannheim via Flughafen Frankfurt auf den Weg nach Polen. (Von Niklas Schomburg, aus den Kieler Nachrichten vom 09.10.2015, Foto: Archiv/Sascha Klahn)