Deutschlands Traum vom Wintermärchen in der Wüste ist vorbei: Im Viertelfinale knüpfte die DHB-Auswahl nicht an ihre zuvor grandiosen Leistungen an und unterlag Gastgeber Katar mit 24:26 (18:14). Bis in die Schlussminute hatte die deutsche Mannschaft die Chance auf die Verlängerung, doch am Ende scheiterte Patrick Groetzki zweimal freistehend an Katar-Torhüter Danijel Saric. Katar trifft nun im Halbfinale am Freitag auf die polnische Mannschaft, die im Parallelspiel Domagoj Duvnjaks Kroaten mit 24:22 (12:10) besiegte.
Die deutsche Mannschaft startete mit einem Weinhold-Treffer in die Partie, kam aber trotzdem schwer ins Spiel. Die Abwehr Katars ging aggressiv auf die Rückraumspieler, und als dann auch noch Saric mit einigen guten Paraden hinzu kam, wurde aus der 3:2-Führung der Deutschen nach 13 Minuten ein 3:6-Rückstand. In der Abwehr bekam die DHB-Auswahl vor allem Kreisläufer Vidal nicht in den Griff, und vorne ließ sie klarste Chancen liegen. Als die Schiedsrichter eine Tätlichkeit von Roine an Gensheimer nicht ahndeten, entlud sich die Anspannung beider Teams in einer Rudelbildung. Bestraft wurden beide Beteiligten - mit jeweils zwei Minuten Pause.
Weinhold angeschlagen
Die tat der deutschen Mannschaft allerdings mehr weh als den Gastgebern: Ein Doppelschlag von Capote sorgte für einen Vier-Tore-Rückstand der Sigurdsson-Sieben, die weiterhin nach Lösungen gegen die Abwehr der Katari suchte. Allerdings: Sie fand sie immer seltener. Weil auch in der Defensive die Probleme nicht abgestellt werden konnten, nahm Sigurdsson nach 16 Minuten die Auszeit und brachte unter anderem Heinevetter für den glücklosen Lichtlein. Allerdings musste sich auch der bisher so überragende Weinhold am Oberschenkel behandeln lassen...
Starker Schlussspurt
Die Auszeit brachte zunächst wenig Besserung. Schlimmer noch: Die Gastgeber zogen über 13:7 auf 16:9 (25.) davon, lediglichlich mit Einzelleistungen kam die DHB-Auswahl in dieser Phase zu wenigen Treffern. Weil Gensheimer gleich zweimal per Siebenmeter an Stojanovic scheiterte, wurde die Aufgabe nicht leichter. Allerdings: Heinevetter kam nun besser rein, parierte einige wichtige Bälle. Die Belohnung: Ein Traumpass auf Groetzki zum 11:16 (27.) und innerhalb von 20 Sekunden das 13:18 durch Pekeler und das starke 14:18 mit dem Halbzeitpfiff, vor dem Groetzki einen langen Heinevetter-Pass von der Grundlinie auf den heranstürmenden Gensheimer zurückgab.
Beim Vier-Tore-Rückstand blieb es zunächst - doch die deutsche Abwehr schien nun ein Mittel gegen Vidal gefunden zu haben. Nachdem die Gastgeber zum 20:15 getroffen hatten, folgte die stärkste Phase der deutschen Mannschaft. Strobel traf zum Anschluss, bekam danach aber zu Unrecht ein Stürmerfoul abgepfiffen. Doch der Regisseur machte weiter, nutze eine Heinevetter-Parade zum 17:20, urz darauf klaute sich die deutsche Abwehr den Ball und Groetzki traf zum 18:20, was Katar-Trainer Valero Rivera mit einer Auszeit quittierte. Doch die schien mehr den Deutschen zu nützen: Heinevetter parierte erneut und bediente Groetzki, der mit einem frechen Heber zum 19:20-Anschluss traf.
Zuviele Chancen ausgelassen
Doch zum Ausgleich kam die DHB-Auswahl nicht mehr. Das lag auch am gebürtigen Kubaner Rafael Capote: Immer, wenn es eng wurde, netzte er ein. So bei angezeigtem Zeitspiel zum 22:19 oder beim 23:20. Zum anderen ließen die Deutschen, bei denen Weinhold sichtlich angeschlagen war, einfach zuviele Chancen liegen. So verpasste es Wiencek zweimal, einen Abpraller zu versenken. Oder Strobel: Er scheiterte an Saric und dem Gebälk. Weil dazu auch noch einige merkwürdige Pfiffe kam, war das alles zusammen ein wenig zuviel.
Nächstes Ziel: Platz für die Olympia-Quali
Und trotzdem: Nach Wienceks 24:26-Anschluss hatte die DHB-Auswahl gleich mehrfach die Gelegenheit, zumindest eine Verlängerung zu erzwingen - doch dann kam Saric und parierte die letzten beiden freien Bälle von Groetzki. Das abrupte Ende des Traums vom Wintermärchen in der Wüste war gekommen. "Wir waren ein Stück weit zu hektisch", sagte ein enttäuschter Steffen Weinhold nach de Partie. "Jetzt müssen wir dieses Spiel aus dem Kopf bekommen und uns auf die nächste Aufgabe konzentrieren. Denn es geht nun weiter: In den Platzierungsspielen geht es um die Möglichkeit, sich noch einen Platz in der Olympia-Qualifikation zu sichern. Ob Weinhold aber in diesen Spielen dabei sein kann, ist fraglich ...
KN: Medaillentraum geplatzt
Doha. Der Traum von der Medaille ist geplatzt: Nach einem völlig verpatzten Start bestand die deutsche Nationalmannschaft gestern im Viertelfinale gegen Katar ihre Reifeprüfung nicht und verlor mit 24:26 (14:18). Das Team von Dagur Sigurdsson fand erst in der zweiten Halbzeit zur gewohnten Stabilität in der Deckung – zu spät, um den Gastgeber noch in Gefahr zu bringen. In den Spielen um die Plätze fünf bis acht ist morgen nun Kroatien der erste Gegner. Domagoj Duvnjak (THW Kiel) & Co unterlagen in ihrem Viertelfinale Polen 22:24 (10:12). Bereits eine Stunde vor dem Anpfiff waren tausende Plätze in der Lusail-Arena besetzt. Der Veranstalter hatte im großen Stil Personal eingekleidet, in die Wüste transportiert und perfekt vorbereitet. Die deutsche Mannschaft zog sich noch um, da probten die "Fans" bereits die Hymne. Die Gastgeber hatten nichts unversucht gelassen, eine prächtige Kulisse zu erschaffen. Eine, die ihre Wirkung nicht verfehlte.
So souverän die Deutschen sich ins Viertelfinale gespielt hatte, so fahrig starteten sie diesmal. Die Abwehr, bisher das Prunkstück, präsentierte sich überraschend porös und fand keine Mittel gegen den bulligen Kreisläufer Borja Vidal. Und im Angriff zeigten auch Routiniers wie Uwe Gensheimer Nerven. Der Kapitän scheiterte in der ersten Halbzeit gleich zweimal von der Siebenmeterlinie an Goran Stojanovic. Aber nicht nur ihm zitterte die Hand. Zwischenzeitlich führte das Team von Valero Rivera mit sieben Toren (16:9/26.), den Deutschen drohte vor 14500 Zuschauern in der nahezu ausverkauften Arena ein Debakel. Dass es das nicht wurde, verdankten sie Silvio Heinevetter.
Wie in den beiden Spielen zuvor hatte Carsten Lichtlein begonnen. Beim 23:16 im Achtelfinale gegen Ägypten glänzte er mit einer sagenhaften Quote von 54 Prozent. Doch gegen Katar fand er nicht ins Spiel, was auch daran lag, dass seine Vorderleute Passierscheine verteilten. 16 Tore gegen Ägypten, 18 zur Pause gegen Katar - Zahlen, die viel über die Deckung aussagen.
Doch mit Heinevetter im Rücken fanden die Deutschen zur gewohnten Stabilität. Als Gensheimer "„Das war unser schlechtestes Spiel bei dieser WM") mit dem Pausenpfiff traf, hatte sie auf vier Tore (14:18) verkürzt - und sollte mit breiter Brust zurückkehren. Während der Lärmpegel immer neue Dimensionen erreichte, holten die Deutschen auf. Es entwickelte sich nun ein rassiges Spiel, in dem sie als Kollektiv versuchten, das auszubügeln, was den Individualisten Rafael Capote (8 Tore) und Zarko Markovic (4) in Diensten Katars mit großer Leichtigkeit zu gelingen schien. Die Abwehr stand, bis zum Abpfiff ließ sie nur acht Tore zu - eine starke Quote.
In der 48. Minute hätten die Deutschen erstmals nach einer halben Stunde wieder auf ein Tor verkürzen können. Doch der Kieler Patrick Wiencek verfehlte das leere Tor. Sechs Minuten später, es stand 25:23, wiederholte sich die Szene. Diesmal warf er daneben. "Wenn ich die Dinger mache, geht es vielleicht anders aus", ärgerte er sich. "Wir alle haben zu viele Chancen ausgelassen. Das ist sehr enttäuschend." Die "Fans" erhoben sich nun laut Drehbuch und durften endgültig feiern, als Patrick Groetzki 60 Sekunden vor dem Abpfiff mit einem Gegenstoß an Danjiel Saric scheiterte. Es wäre das 25:26 aus Sicht der Deutschen gewesen.
Während Sigurdsson taktische Fehler einräumte, erklärte DHB-Präsident Bernhard Bauer die mazedonischen Schiedsrichter zu Sündenböcken. "Jeder, der etwas von Handball versteht, hat gesehen, was hier heute abgelaufen ist."
Scheich-Barometer? 43 kamen, nur vier Sitze blieben frei. Und in den Logen drängelten weitere 23 um gute Sicht - während das Volk auf Knopfdruck reagierte, schien unter den Herrschenden der eine oder andere während des Spiels ehrliches Interesse am Handball entwickelt zu haben.
(Von Wolf Paarmann, aus den Kieler Nachrichten vom 29.01.2015)