Handball-Gala nach verrückter erster Hälfte: THW Kiel holt sich den Gruppensieg!
Der THW Kiel legte am Mittwochabend auf internationalem Parkett eine weitere Handball-Gala hin: Im neunten Spiel innerhalb von 28 Tagen machten die Zebras in der Wunderino Arena gegen den HC Zagreb mit einem begeisternden Auftritt den letzten Schritt Richtung Gruppensieg in der Machineseeker EHF Champions League: Die Zebras besiegten den kroatischen Serienmeister mit 33:22 (17:15) und erkämpften sich nach 60 intensiven Minuten eine glänzende Ausgangsposition in der europäischen Königsklasse. 9021 völlig begeisterte Fans, darunter am "Tag der Vereine" besonders viele junge Zuschauer, feierten ihre Helden noch lange nach dem Schlusspfiff, einer Partie, die vor allen Dingen im ersten Durchgang einen verückten Verlauf genommen hatte.
Nikola Bilyk bärenstark
Ein nahezu volles Haus in Kiel: Vor 9021 Fans auf den Tribünen, Kieler Rekordbesuch am letzten Vorrunden-Spieltag der Königsklasse, war Niclas Ekberg mit neun Toren bester THW-Schütze. Den Weg zum Gruppensieg ebnete vor allen Dingen Nikola Bilyk: Der bärenstarke Österreicher glänzte mit Tempo, Spielfreude und einem konsequenten Abschluss, traf sieben Mal und ließ die Fans jubeln. Darunter waren rund 1700 zumeist junge Mitglieder und Ehrenamtliche von 31 Clubs aus dem Land zwischen den Meeren, die das THW-Angebot zum "Tag der Vereine" angenommen hatten und gemeinsam mit den weiteren Fans für Gänsehaut-Atmosphäre in der Arena sorgten.
Youngster Magnus Bierfreund mit seinen ersten THW-Paraden
Gefeiert von den Tribünen wurde auch THW-Torhüter Tomas Mrkva, der die Gäste mit zehn wichtigen Paraden aus dem Konzept brachte, zum großartigen Rückhalt seiner Mannschaft avancierte. Die Stimmung explodierte dann förmlich, als Filip Jicha Youngster Magnus Bierfreund, fünf Minuten vor dem Abpfiff ins internationale Rampenlicht stellte. Der 21-Jährige bedankte sich mit seinen ersten beiden Paraden im THW-Trikot, hielt unter dem Jubel des THW-Anhangs sogar einen Siebenmeter von Cavar.
Bellahcene und á Skipagötu müssen passen
Filip Jicha hatte seinen Kapitän Domagoj Duvnjak nach kurzer Schonzeit wegen einer Zerrung wieder im Kader. Gut so, denn "Dule" ging gegen seinen ehemaligen Klub natürlich mit ganz besonderem Ehrgeiz ins Rennen, war der gewohnt starke Mann in der Kieler Abwehr und drückte phasenweise auch dem THW-Angriffsspiel seinen Stempel auf. Dafür fehlte Elias Ellefsen á Skipagötu, der sich im Abschlusstraining die Schulter geprellt hatte. Auf Europameister Samir Bellahcene mussten die Kieler zudem erneut verzichten, der THW-Torhüter kämpft weiterhin gegen Oberschenkelprobleme. Im THW-Tor stand mit Tomas Mrkva aber ein Könner seines Fachs. Der Tscheche wurde vor allem in der grandiosen Anfangsphase der Kieler und in der starten zweiten Hälfte zum prima Rückhalt für sein Team.
Überragender Kieler Start
Mrkva nagelte nach dem schnellen 0:2 für lange zehn Minuten seinen Kasten zu und ermöglichte so den folgenden großartigen Kieler 9:0-Lauf, der die Zebras nach zwölf Minuten auf 9:2 davonziehen ließ. Die Kroaten, zuletzt auch verdienter Sieger über Paris Saint-Germain, waren ohne vier Leistungsträger in die Landeshauptstadt gereist und wurden in den ersten Minuten förmlich überrollt. Beim 6:2 nach neun Minuten nahm RK-Trainer Nikolic erbost eine Auszeit, forderte von seinem Team mehr Konzentration und Kampfbereitschaft. Aber seine Mannschaft machte weiter technische Fehler und rannte sich in der dichtgestaffelten THW-Abwehr fest. Die Kieler waren enorm präsent, Mrkva stand den Würfen von Dibirov und Glavas im Weg. Vorne war Magnus Landin erfolgreicher Ball-Dieb, spitzelte Glavas das Spielgerät aus den Händen, traf zum 8:2 ins leere RK-Gehäuse. Niclas Ekberg vollendete den Kieler 9:0-Lauf schließlich mit eiskaltem Abschluss nach großartigem Johansson-Pass.
Knappe Pausenführung
Cupic war schließlich zur Stelle, beendete die Zagreber Torlos-Minuten mit dem Treffer zum 3:9. Eric Johansson antwortete prompt mit frechem Dreher zum 10:3, und Nikola Bilyk ließ die Herzen der THW-Fans mit seinem Kracher zum 11:5 in der 14. Minute höherschlagen. Aber es sollte für lange Zeit der letzte THW-Torerfolg bleiben, plötzlich kam mächtig Sand ins Getriebe des deutschen Meisters. Technische Fehler schlichen sich ein, auch Holztreffer und verzogene Würfe verhinderten Zählbares in einer nun vogelwild wirkenden Begegnung. Die Gäste nutzte die gedankliche Auszeit der Zebras, legten durch Dibirov, Walczak und Kos ihrerseits einen makellosen 4:0-Lauf hin. Beim 11:9 war die Partie nach 19 Minuten vollkommen offen, jetzt drückte Filip Jicha auf den Buzzer, nutzte energisch die Auszeit, um seine Mannen wachzurütteln. Mit Erfolg. Bilyk beendete die Torflaute per Solo zum 12:9. Aus dem spielerisch-leichten Beginn wechselten die Zebras in den Kampfmodus: Duvnjak hechtete hinter einem verlorenen Ball her, erntete den Lohn durch Bilyks Treffer aus zwölf Metern bei drohendem Zeitspiel in der 28. Minute zum 15:13. Petter Överby erzielte dann fast mit dem Pausenpfiff Kiels 17:15-Führung.
Kieler Abwehrbollwerk knackt Zagreb
Aus der Kabine kehrten dann jene Zebras zurück, die die ersten 20 Minuten mit traumhaftem Handball bestimmt hatten. Rune Dahmkes Einläufer stoppte die HC-Abwehr mit einem Foulspiel, den fälligen Siebenmeter netzte Ekberg zum 18:15 ein. Es war der Auftakt zum zweiten Torefestival der Kieler. Die Abwehr verschob und packte zu, dass es eine helle Freude war. Dahinter wurde Tomas Mrkva zum Albtraum für die Zagreb-Angreifer, machte auch den Strafwurf von Dibirov unschädlich. So blieben die Zebras nach Wiederanpfiff 13 (!) Minuten ohne Gegentor und insgesamt 17 Minuten ohne Gegentor aus dem Feld. Wahnsinn! Dank der überragenden Abwehrleistung und treffsicheren Schützen zogen die Kieler bis zur 42. Minute auf 24:15 davon.
Kieler Abwehrbollwerk knackt Zagreb
Großen Anteil an diesem 7:0-Lauf hatte auch der neu ins Spiel gekommene Steffen Weinhold. Hinten eine Mauer, vorne Anspieler und erfolgreicher Torschütze. Die Kieler spielten sich jetzt in einen Rausch, nahmen das begeisterte Publikum an die Hand, erstickten jeden Zagreber Angriff im Keim. Sie wurden wieder und blieben das klar dominante Team, das traumhafte Treffer erzielte. Weinhold jagte den Ball um den Gegenspieler herum ins Tor, Bilyk hämmerte den Ball in der 45. Minute zum 26:16 und der ersten Zehn-Tore-Führung unter die gegnerische Latte. Ekberg vollendete eine großartige Ballstafette zum 27:17, Karl Wallinius stieg vor dem 30:19 hoch - Traumhandball zum Gruppensieg. Die Partie war längst entschieden, die Zebras blieben auch in der Restspielzeit konzentriert, zeigten Spielfreude, glänzten mit sehenswerten Toren und sorgten für eine vortreffliche Unterhaltung für ihre Fans. Es war ein rundum gelungener Abschluss einer souveränen, bärenstarken Gruppenphase in der Handball-Königsklasse.
Als Gruppensieger direkt ins Viertelfinale
Für die Kieler endete mit der Partie gegen Zagreb der extrem kraftraubende Neustart nach der Handball-Europameisterschaft. In 28 Tagen hatten sie neun Spiele zu absolvieren, schafften in dieser Zeit durch das Unentschieden in Kielce, dem Sieg gegen Pellister, in Szeged und heute gegen Zagreb den Sieg in der Gruppe A. Dass der THW das Achtelfinale umschifft, stand bereits vor der Partie gegen Zagreb fest, jetzt wartet im Viertelfinale der Sieger zwischen dem Fünften der eigenen Gruppe und dem Gruppenvierten der Parallelgruppe B. Dabei könnten die Zebras erneut auf Zagreb treffen, wenn Ende April und dann Anfang Mai in Kiel der letzte Schritt auf dem Weg zum TruckScout24 Final4 gemacht werden soll, das am Wochenende des 8./9. Juni zum 15. Mal in der Kölner Lanxess-Arena angepfiffen wird.
Nach neun Spielen in 28 Tagen steht eine Nationalmannschafts-Pause an
Auch in der LIQUI MOLY HBL hielten sich die Zebras nach der Auftakt-Niederlage gegen den Titelfavoriten aus Magdeburg, der bisher einzigen im Kalenderjahr 2024, in den vier folgenden Partien schadlos. Jetzt verstreut sich die Zebraherde wieder in alle Himmelsrichtungen: Die Nationalmannschaften rufen zu Lehrgängen, Test-Turnieren und zur Olympia-Qualifikation. Die Zebras sind erst wieder am Samstag, 23. März, gefordert: In der ausverkauften Wunderino Arena empfangen sie dann die Flensburger Handballer zum Derby, das live bei Dyn und in der ARD Sportschau zu sehen sein wird. Also erstmal kurz Luft holen, Kiel!
Text: Reimer Plöhn / Fotos: Sascha Klahn
Machineseeker EHF Champions League: THW Kiel – HC Zagreb 33:22 (17:15)
THW Kiel: Bierfreund (55.-60., 2/1 Paraden), Mrkva (1.-55., 10/1 Paraden); Ehrig (1), Duvnjak (2), Reinkind (1), Landin (2), Øverby (1), Weinhold (3), Wiencek (1), Ekberg (9/4), Johansson (1), Dahmke, Gurbindo, Wallinius (2), Bilyk (7), Pekeler (3); Trainer: Jicha
HC Zagreb: Grbavac (14.-50., 9 Paraden), Mandic (1.-14., keine Parade), Panjtar (50.-60., 4 Paraden); Kos (2), Cavar (4/3), Walczak (4), Faljic (1), Klis, Molc, Sirotic (1), Cupic (2), Dibirov (4/2), Frankovic, Kavcic, Glavas (2), Suholeznik (2); Trainer: Nikolic
Schiedsrichter: Arthur Brunner / Morad Salah (SUI)
Siebenmeter: THW: 5/4 (Grbavac hält Ekberg (18.)) / Zagreb: 7/5 (Mrkva hält Dibirov (35.), Bierfreund hält Cavar (58.))
Zeitstrafen: THW: 1 (Johansson (14.)) / Zagreb: 3 (Suholeznik (7.), 2x Kos (9., 36.))
Spielfilm: 1. Hz.: 0:2 (2.), 9:2 (11.), 10:3 (12.), 11:5 (14.), 12:11 (20.), 14:11 (25.), 14:13 (27.), 16:14, 17:15;
2. Hz.: 24:15 (43.), 24:16, 26:16 (46.), 28:18 (48.), 30:19 (49.), 31:20 (55.), 33:22.
Zuschauer: 9021 (Wunderino Arena, Kiel)
Stimmen zum Spiel:
THW-Trainer Filip Jicha: Bevor die Gruppenphase startete, war Platz eins im Bereich eines Traumlandes. Dann haben wir uns die Position erarbeitet, im heutigen Spiel mit einem Punktgewinn Platz eins zu sichern. Deshalb war es unsere Aufgabe, heute zu gewinnen. Ich bin deshalb sehr stolz auf meine Jungs, sehr stolz auf die bisher von ihnen gezeigten Leistungen in der Machineseeker EHF Champions League und den Gruppensieg. Besonders stolz und glücklich macht mich aber heute, dass so viele junge Fans in der Arena waren. Danke an unsere THW-Mitarbeiter, die es mit viel Aufwand und Arbeit geschafft haben, heute für und mit den jungen Fans eine solch coole Atmosphäre zu schaffen.
Zagrebs Trainer Andrija Nikolic: Ich kann mich kurzfassen: Wir wussten, dass der THW Kiel ein großartiges Team hat und sie exzellenten Handball spielen können. Wir sind heute ohne vier Schlüsselspieler nach Kiel gekommen, deshalb war die Aufgabe noch schwieriger für uns. Wir haben uns im Training ein bisschen etwas Neues für Kiel überlegt. Das hat in der ersten Halbzeit sehr gut, in der zweiten Halbzeit nicht mehr so gut funktioniert.
Zagrebs Kreisläufer Patryk Walczak: Wir sind ohne vier unserer Stammspieler angereist. Wir wollten Kiel daher mit der einen oder anderen Taktik überraschen. In der ersten Halbzeit hat alles funktioniert. In der Pause muss Filip Jicha dann die richtigen Motivations-Worte gefunden haben, denn in der zweiten Halbzeit war vor allen Dingen die Kieler Abwehr viel stärker als zuvor. So kam am Ende das Ergebnis zustande.
THW-Torhüter Tomas Mrkva: Ich möchte zum Spiel nicht mehr so viel sagen, außer, dass wir sehr glücklich und stolz sind, Platz eins in dieser schweren Gruppe geholt zu haben. Ein großes Dankeschön geht heute auch an die Zuschauer, die Atmosphäre war wieder einmal fantastisch. Ich freue mich vor allen Dingen riesig für meinen jungen Kollegen Magnus Bierfreund, der in den letzten Minuten gespielt hat und zwei richtig tolle Paraden gemacht hat.
THW-Kapitän Domagoj Duvnjak: Es war schon ein Unterschied zu merken, weil Zagreb ohne vier Spieler angereist ist. Wir hatten trotzdem in der ersten Halbzeit Probleme mit dem Kreisläufer-Spiel unseres Gegners. Nach der Pause haben wir dann deutlich besser und konsequenter gespielt. Unser erstes Ziel war, dass Viertelfinale direkt zu erreichen. Jetzt ist es mir egal, gegen wen wir in der Runde vor Köln spielen: Wir sind nur noch einen Schritt vom Truckscout24 EHF Final4 entfernt, und den wollen wir Ende April, Anfang Mai machen.