THW Kiel nimmt nach starker Leistung Erlanger Heimfestung in Nürnberg ein
Der THW Kiel hat dem HC Erlangen die erste Heimniederlage der Saison beigebracht. Die Kieler ließen sich in der Nachholpartie des neunten Spieltags auch nicht von einem zwischenzeitlichen Drei-Tore-Rückstand aus der Ruhe bringen und siegten am Ende verdient und klar mit 34:27 (16:16). Überragende Akteure im weißen Trikot waren der neunfache Torschütze Nikola Bilyk und der stark haltende Niklas Landin, der insgesamt 15 Würfe der Gastgeber stoppte. Mann des Tages war allerdings ein anderer: Kreisläufer Hendrik Pekeler feierte 181 Tage nach seinem Achillessehnenriss sein Comeback auf dem Handballfeld und krönte seinen ersten Einsatz in dieser Saison mit dem fantastischen Dreher in der 26. Minute.
Johansson angeschlagen nicht dabei
Allerdings musste THW-Trainer Filip Jicha vor dem Anpfiff eine schlechte Nachricht verkraften: Eric Johansson war angeschlagen und wurde deshalb nicht eingesetzt. Endlich wieder dabei hingegen war Hendrik Pekeler: Der Kreisläufer ist zurück im THW-Team, elendig lange 181 Tage nach seinem Achillessehnenriss, erlitten im Spiel gegen Paris Saint-Germain, stand Kiels Abwehr-Ass im Duell der LIQUI MOLY Handball-Bundesliga bei. HC Erlangen für kurze Zeit wieder im Mittelblock an der Seite von Patrick Wiencek oder Petter Överby. Verständlich, dass "Peke" noch Pausen brauchte, aber unter dem Strich feierte der 31-Jährige sein Comeback zünftig mit einem Sieg. 34:27 (16:16) hieß es nach 60 intensiven Minuten in der Arena Nürnberger Versicherung, Pekeler krönte sein Comeback mit einem Dreher in der 26. Minute zum 13:14-Zwischenstand. "Ich bin mega happy, dass ich wieder auf der Platte stehen durfte, auch wenn es nur jeweils zweimal fünf Minuten waren. Und ich bin happy, dass wir gewonnen haben. Der November bringt noch schwere Spiele, ich werde jetzt meine Belastung in Spiel und Training weiter vorantreiben. Ich freue mich auf die kommenden Wochen."
THW trumpft nach Halbzeit auf
Dreimal egalisierten die Zebras in der ausgeglichenen ersten Halbzeit einen Drei-Tore-Rückstand, um die Franken in der zweiten Halbzeit quasi an die Wand zu spielen. Überragender Torschütze in Reihen des deutschen Rekordmeisters war Nikola Bilyk, der neunmal traf, Rechtsaußen Yannick Fraatz hatte eine hundertprozentige Wurfausbeute, trug sich bei sieben Versuchen siebenmal in die Torjägerliste ein.
Für den so stark in die Saison gestarteten Gastgeber, den erstmals in dieser Saison 5.768 Fans in der Halle in Nürnberg unterstützten, traf Nationalspieler Christoph Steinert am besten: Zehnmal wuchtete der Linkshänder den Ball ins Kieler Tor, in dem Niklas Landin erneut eine überragende Leistung bot, insgesamt 15 Bälle unschädlich machte und Rückhalt der bärenstarken THW-Abwehr war. Die Kieler, die im 15. Spiel den 15. Sieg über Erlangen feierten, verbesserten sich mit diesem Gala-Auftritt auf Tabellenrang zwei, Der HCE bleibt trotz der Niederlage guter Tabellensechster. „Wir waren 25 Minuten die bessere Mannschaft“, resümierte später Erlangens bester Schütze Christoph Steinert, „aber die Kieler haben unseren jeweiligen Vorsprung immer wieder zusammengeschmolzen. Ein Faktor war vor allem Torhüter Niklas Landin. Aber: 25 Minuten haben wir gegen eine sehr, sehr gute Mannschaft mitgehalten, das wollen wir ausbauen, das macht Hoffnung für die Zukunft.“
Erlangen hält 30 Minuten mit
Mit Trainer Raul Alonso und Sebastian Firnhaber stehen auch zwei ehemalige Kieler in Reihen der Süddeutschen, die ihrerseits THW-Neuzugang Petter Överby nach Kiel ziehen lassen mussten. Överby fühlte sich an alter Wirkungsstätte sichtbar wohl, glänzte mit enorm starker Abwehrleistung, war gegen seine ehemaligen Mitspieler ein nerviger Prellbock. Den besseren Start erwischten indes die Gastgeber, gingen durch Rechtsaußen Sellin mit 1:0 in Führung. Indes, es sollte der einzige Treffer des ehemaligen Berliners bleiben. Sellin tauchte später fünfmal frei vor Niklas Landin auf, jedesmal kaufte ihm der dänische Weltklassetorhüter den Ball ab, wurde zum Albtraum für den Flügelflitzer, der in der zweiten Halbzeit schließlich entnervt ausgewechselt wurde. Dennoch: Die Gastgeber boten in den ersten 30 Minuten eine starke Partie, zeigten, warum sie in der Liga bisher so überzeugend auftrumpfen.
Yannick Fraatz markiert Unentschieden zur Halbzeit
Bis zum 6:6 waren beide Teams auf Augenhöhe, dann zogen die Gastgeber durch einen 3:0-Lauf in der 13. Minute auf 9:6 davon. Und die Kieler? Konterten mit einem 3:0-Lauf zum 9:9! Die Tormacher: Harald Reinkind mit einem Kracher in den Torwinkel, Nikola Bilyk, der den Ball per Rückhandwurf zum 8:9 ins Tornetz zauberte und Niclas Ekberg per Siebenmeter. Vier Minuten später waren die Gastgeber dann erneut drei Tore enteilt. Zweimal Steinert und Jeppsson überwanden Kiels Abwehr, trafen zum 13:10, die Nürnberger Halle kochte, die Fans waren begeistert, hofften auf die Überraschung, als Torhüter Ferlin und Nico Büdel in der 27. Minute jeweils ins leere Tor und zum 16:13 trafen. Doch der Favorit ließ sich nicht aus der Ruhe bringen. Yannick Fraatz erzielte mit einem meisterhaften Wurf ins lange Eck den Anschluss, Petter Överby traf zum 15:16 und fast mit dem Halbzeitpfiff war erneut der junge Fraatz zur Stelle, markierte den Ausgleich.
THW kommt in Fahrt
Mit breiter Brust kehrte der THW dann aufs Parkett zurück, Nikola Bilyk erzielte seinen sechsten Treffer zum 17:16 und zur ersten THW-Führung, dann klaute Petter Överby den Ball, Steffen Weinhold veredelte die Aktion seines Mitspieler per Solo zum 18:16, und als Fraatz per Tempogegenstoß zum 19:16 einnetzte, lagen die Zebras erstmals mit drei Toren vorn. Einmal noch, beim 19:20 durch Bissel in der 39. Minute, robbten sich die Gastgeber kurz an den THW heran. Die Antwort aber folgte prompt und beeindruckend. Miha Zarabec, Niclas Ekberg, Nikola Bilyk, Yannick Fraatz und Domagoj Duvnjak trafen am Stück für Kiel, setzten die von der aufopferungsvoll kämpfenden Abwehr gewonnenen Bälle vorne in Zählbares um. 25:19 hieß es nach 44 Minuten, in der Halle wurde es still, der THW-Motor lief auf Hochtouren. Als dann Steffen Weinhold nach einem feinen Wackler und Nikola Bilyk per Dreher um die eigene Köperachse zehn Minuten vor dem Abpfiff zum 28:21 trafen, war die Vorentscheidung früh gefallen, der Rest ein entspanntes Schaulaufen mit abschließendem Doppelschlag von Yannik Fraatz zum 34:27-Sieg.
Samstag Topspiel in Magdeburg
Die nächste schwere Auswärtsbegegnung steht für die Kieler bereits am kommenden Samstag an: Dann sind die Zebras beim Meister SC Magdeburg zu Gast. Den Stellenwert der Partie in der ausverkauften Getec-Arena, in der der SCM in dieser Saison erst einen Punkt abgegeben hat, unterstreicht das Riesen-Medieninteresse: Neben Sky wird auch die ARD Sportschau die Begegnung des THW Kiel beim virtuellen Tabellenführer ab 18 Uhr live übertragen. Weiter geht’s in Magdeburg, Kiel!
Text: Reimer Plöhn / Fotos: Sport-/Pressefoto Wolfgang Zink
LIQUI MOLY HBL, 9. Spieltag: HC Erlangen – THW Kiel 27:34 (16:16)
HC Erlangen: Obling (45.-60., 2/1 Paraden), Ferlin (1.-45., 7/1 Paraden, 1 Tor); Heiny (3), Seitz, Sellin (1), Bialowas, Zehnder (3), Fäth, Firnhaber, Büdel (3), Bissel (3), Kurch, Link, Jeppsson (1), Steinert (10/4), Zechel (2); Trainer: Alonso
THW Kiel: N. Landin (1.-60., 15/1 Paraden), Mrkva (1 Siebenmeter, keine Parade); Duvnjak (2), Reinkind (4), Battermann, Øverby (1), Weinhold (3), Wiencek, Ekberg (3/2), Fraatz (7), Johansson (n.e.), Dahmke (1), Zarabec (2), Wallinius (1), Bilyk (9), Pekeler (1); Trainer: Jicha
Schiedsrichter: Nils Blümel / Jörg Loppaschewski
Zeitstrafen: HCE: 1 (Bissel (10.)) / THW: 2 (Ekberg (12.), Wiencek 32.))
Siebenmeter: HCE: 5/4 (Landin hält Steinert (12.))/ THW: 4/2 (Ferlin hält Ekberg (36.), Obling hält Ekberg (56.))
Spielverlauf: 1:0, 4:3 (8.), 6:6 (11.), 9:6 (14.), 9:9 (17.), 10:10, 13:10 (22.), 13:12, 14:13 (26.), 16:13 (28.), 16:16;
16:19 (34.), 17:20, 19:20 (39.), 19:25 (44.), 21:26 (47.), 21:29 (51.), 23:29, 23:31 (54.), 26:31, 27:34.
Zuschauer: 5768 (Arena Nürnberger Versicherungen, Nürnberg)
Stimmen zum Spiel:
THW-Trainer Filip Jicha: Ich muss meine Mannschaft zur tollen Leistung beglückwünschen. Wir wussten um die positive Welle, auf der Erlangen schwimmt, der HCE hat sich zu einer starken Mannschaft entwickelt. Kurz vor dem Spiel hat sich Eric Johansson zudem mit leichten Beschwerden gemeldet. Er hätte spielen können, aber ich wollte das Risiko nicht eingehen. Zum Spiel: Wir haben trotz des Drei-Tore-Rückstandes im ersten Durchgang die Ruhe bewahrt, haben engagiert weitergespielt. Dann hatten wir einen 3:0-Lauf bis zum Unentschieden zur Pause, und diesen haben wir in der zweiten Hälfte fortgesetzt. So konnten wir das dann souverän runterspielen, was hier nicht selbstverständlich.
HCE-Trainer Raul Alonso: Wir haben uns in der ersten Halbzeit exzellent präsentiert, wir wussten nicht, wieviel Benzin wir im Tank haben drei Tage nach der tollen Partie in Flensburg. Niklas Landin hat stark gehalten, dadurch kommen Situationen, in denen man kleiner wird. Die hat der THW Kiel genutzt. Heute haben wir unsere Grenzen kennengelernt und gespürt, was es heißt, maximal gefordert zu sein. Wir wurden richtig ernst genommen, das hat man gespürt und das ist auch ein Zeichen für die Entwicklung dieser Mannschaft.