THW Kiel überzeugt beim klaren Heimsieg gegen TuSEM Essen
Seit Sonntagnachmittag, 17.33 Uhr, ist das Abenteuer LIQUI MOLY Handball-Bundesliga für Aufsteiger TuSEM Essen beendet. Der Altmeister hätte ausgerechnet beim amtierenden Titelträger THW Kiel gewinnen müssen, um seine letzte hauchdünne Chance auf den Klassenerhalt wahren zu können. Das blieb ein Traum, denn die Hürde Kiel erwies sich wie erwartet als deutlich zu hoch: Die Zebras triumphierten nach einer überzeugenden und torreichen Partie mit 37:25 (21:14) Toren und behaupteten sechs Spieltage vor Saisonende ihre Tabellenführung in der "stärksten Liga der Welt".
Quenstedt mit starker Leistung
Torverhinderer und Torschütze: Dario Quenstedt
Die Torjägerkrone auf THW-Seite teilten sich gleich drei Spieler: Sven Ehrig, Domagoj Duvnjak und Sander Sagosen trafen je sechsmal ins Schwarze, Sagosen dabei fünfmal von der Siebenmeterlinie. Eine starke Leistung zeigte zudem Torhüter Dario Quenstedt, der anstelle von Welthandballer Niklas Landin 60 Minuten zwischen den Kieler Pfosten hin- und herhechtete, insgesamt elf Paraden in seiner Statistik hatte, darunter einen Siebenmeter gegen Essens besten Torschützen Noah Beyer (7/4). Außerdem trug Quenstedt sich mit einem Treffer ins leere Essener Gehäuse auch noch selbst in die Torschützenliste ein. Fazit: Ein rundum gelungener Auftritt des Kieler Torhüters.
Essen ohne "maximale Überzeugung"
Die aufmerksame Kieler Abwehr verbuchte viele Ballgewinne
Beim 31:27-Hinspielsieg der Kieler vor rund fünf Wochen hatte TuSEM deutlich mehr Gegenwehr gezeigt. Trainer Jamal Naji führte das auf eine enttäuschende erste Halbzeit seiner Mannen zurück. "Wir sind nicht mit maximaler Überzeugung in die Partie gegangen, haben zuviele Fehler gemacht und die Sieben-Tore-Halbzeit-Hypothek selbst verschuldet." Der früh feststehende Abstieg nach der deutlichen Abfuhr in Kiel ist für ihn eine Herausforderung für die kommenden Aufgaben in der Zweiten Liga. "Wir haben unfassbar viel Erfahrung sammeln dürfen in diesem Erstligajahr. Davon werden wir profitieren. Die Mannschaft bleibt zusammen, und so wollen wir ganz schnell zurück ins Oberhaus des Handballs."
Reinkind erzielt 1000. Saisontor des THW Kiel
Harald Reinkind erzielte das Jubiläums-Tor
Beim überaus kräftezehrenden Saisonausklang mit Spielen im Drei-Tage-Rhythmus setzte THW-Trainer Filip Jicha auf Rotation, brachte nahezu jeden Spieler seines Kaders auf die Platte und fand vor allem in der zweiten Halbzeit Zeit und Möglichkeit, seinen Stammkräften Schonung zu gönnen. Trotzdem geriet kein Sand ins Getriebe, der Angriffsmotor schnurrte, die Abwehr rührte über weite Strecken Beton an. An diesem durfte auch Oskar Sunnefeldt mitmischen: Der junge Schwede ackerte 45 Minuten in Abwehr und Angriff und erzielte fünf Treffer. Dennoch: Bis zum 6:6 in der elften Minute blieben die Gäste vom Ergebnis her allerdings auf Augenhöhe, Harald Reinkind eröffnete den Torreigen, weiter trafen zweimal Sven Ehrig und dreimal Domagoj Duvnjak für den Meister. Der folgende 5:0-Lauf führte die Zebras dann früh in die Erfolgsspur. Hendrik Pekeler, zweimal Sven Ehrig, Pavel Horak und schließlich Harald Reinkind trafen zum 11:6 - der Treffer des norwegischen Linkshänders war zugleich das 1000. Saisontor der Kieler, die mit Abstand die torhungrigste Mannschaft der Liga stellen.
Frühe Rotation
Sven Ehrig überzeugte mit sechs Treffern
Das stellten die Zebras auch gegen Essen unter Beweis: Bis zum Halbzeitpfiff netzten Duvnjak und Co. 21 Mal ein. Bemerkenswert: Kiels Tore 18, 19 und 20 erzielte Duvnjak - und zwar allesamt mit offenem Auge quer übers gesamte Feld ins jeweils leere Essener Tor. Der taktische Schachzug der Gäste, den THW mit sieben gegen sechs Feldspieler unter Druck zu setzen, ging nicht auf, die aufmerksame Kieler Abwehr und Duvnjak erzwangen technischen Fehler des TuSEM und bestraften diese auf der Stelle. Gäste-Trainer Naji stellte schnell wieder um, während Jicha die Rotationsmaschine anwarf: Neben dem 20-jährigen Sven Erhig auf Rechtsaußen brachte er früh Leon Ciudad für Hendrik Pekeler. Das junge, erst 18-jährige Eigengewächs der Nachwuchsarbeit beim Rekordmeister überzeugte erneut, traf erstmals zum 15:9 in der 19. Minute, holte Siebenmeter heraus, packte in der Abwehr entschlossen zu und traf am Ende dreimal für die Schwarz-Weißen.
Kieler schrauben den Deckel drauf
Zum 20. - und hoffentlich letzten - Mal musste der THW Kiel vor leeren Heim-Rängen spielen
In den zweiten Durchgang starteten die Zebras gleich mit einem 5:0-Lauf zum 25:14-Zwischenstand, nervten die TuSEM-Angreifer mit der offensiven 3:2:1-Abwehr, in der Magnus Landin den agilen Frontmann gab, und ließen das erste Essener Tor des zweiten Durchgangs erst in der 39. Minute durch Kluth zu. Somit legten die Zebras selbst die Basis für einen konzentrierten, aber doch entspannten Spaziergang durch die zweite Halbzeit, bauten ihren Vorsprung kontinuierlich aus und verbuchten am Ende mit dem 37:25 einen Sieg, der auch in der Höhe dem Leistungsvermögen beider Teams an diesem Nachmittag gerecht wurde. "Mit kompakter Abwehr haben wir unser Ziel, Essen zu beherrschen, gut über die Bühne gebracht", freute sich der junge Sven Ehrig nach seiner tadellosen Leistung über die gesamten 60 Minuten. "Geklappt hat vor allem die vom Trainer angestrebte Belastungssteuerung. Jetzt freuen wir uns alle auf das REWE Final4 am Donnerstag!"
REWE Final4 voraus
Oskar Sunnefeldt ackerte 45 Minuten in Angriff und Abwehr
Nach der Partie begann für die Zebras die Vorbereitung auf den ersten, großen Saison-Höhepunkt - obwohl dieser strenggenommen der vergangenen Saison zugeordnet werden muss: Am Donnerstag steigt für die Zebras das Halbfinale gegen den TBV Lemgo Lippe beim REWE Final4 2020. "Natürlich sind wir in der Favoritenrolle, und die nehmen wir auch gerne an", sagt THW-Geschäftsführer Viktor Szilagyi, "aber die Vergangenheit oder die Bundesligatabelle entscheidet kein Pokal-Halbfinale. Da kommt es auf die Tagesform an, und deshalb nehmen wir das Spiel gegen Lemgo ernst wie ein Finale." Anwurf zum ersten Showdown des REWE Final4 ist um 17 Uhr, live verfolgen kann man die Kieler Begegnung bei Sky und im Stream unter www.zdf.de/sport , ab 17:50 Uhr schaltet dann auch das reguläre TV-Programm des ZDF in die Barclaycard-Arena. Weiter geht es mit dem Kampf um den DHB-Pokal, Kiel!
LIQUI MOLY HBL, 32. Spieltag: THW Kiel - TuSEM Essen: 37:25 (21:14)
THW Kiel: N. Landin (n.e.), Quenstedt (1.-60., 10/1 Paraden, 1 Tor); Ehrig (6), Duvnjak (6), Sagosen (6/5), Reinkind (2), M. Landin (3), Sunnefeldt (5), Weinhold, Ekberg, Ciudad (3), Dahmke (n.e.), Zarabec (1), Voigt (1), Horak (1), Pekeler (2); Trainer: Jicha
TuSEM Essen: Bliß (19.-40., 4 Paraden) Diedrich (1.-19., 40.-60., 7/1 Paraden); Beyer (7/4), Rozman, Durmaz, Homscheid, Becker (2), Ignatow, Szczesny (2), Müller (3), Firnhaber (2), Seidel, Morante Maldonado (4), Klinger (1), Kluth (3(, Zechel (1); Trainer: Naji
Schiedsrichter: Steven Heine / Sascha Standke
Zeitstrafen: THW: 1 (Ehrig (57.)) / TuSEM: 5 (Müller (23.), 3x Firnhaber (33., 50., 59.), Zechel (43.))
Disqualifikation: Firnhaber (TuSEM, 3. Zeitstrafe (59.))
Siebenmeter: THW: 6/5 (Diedrich hält Ekberg (2.)) / TuSEM: 5/4 (Quenstedt hält Beyer (35.))
Spielfilm: 1:1 (4.), 2:2, 4:2 (5.), 5:3, 5:5 (9.), 6:6, 11:6 (15.), 13:7 (17.), 15:9 (19.), 15:11 (22.), 17:11 (24.), 18:13, 20:13 (27.), 21:14;
26:14 (38.), 28:15 (42.), 28:18 (44.), 31:21 (48.), 33:21 (50.), 35:23 (55.), 37:25.
Zuschauer: keine (Wunderino Arena, Kiel)
Stimmen zum Spiel:
THW-Trainer Filip Jicha: Ich bin sehr zufrieden, wie wir diese Begegnung angegangen sind, mit welcher Intensität und welchem Fokus wir diese Aufgabe abgearbeitet haben. Wir haben die Essener in Situationen gezwungen, in denen sie viele Ballverluste hatten. Gefreut hat mich, dass wir die Belastung auf mehreren Schultern verteilen konnten. Diejenigen, die am meisten angeschlagen sind, mussten so heute wenig bis gar nicht spielen. Diejenigen, die eingesprungen sind, haben einen guten Job gemacht. Gratulation! Für uns war es wichtig, dass wir dieses Spiel auch in dieser Höhe dominiert haben und gegen schnell spielende Essener auch im Rückzug gut waren. Vor uns steht eine Woche, die richtig wichtig für den gesamten Verein ist. Wir werden uns darauf vorbereiten, und ich freue mich, dass wir am Montag endlich mal wieder eine Krafteinheit einlegen können. Das letzte Mal, dass wir das angesichts unseres Wahnsinns-Programm konnten, ist schon unglaublich lange her.
TuSEM-Trainer Jamal Naji: Glückwunsch an den THW Kiel zu diesem hochverdienten Sieg. Sieben Tore Rückstand zur Pause waren eine zu hohe Bürde, direkt nach Wiederanpfiff wurde der Rückstand dann noch einmal größer. Es gibt zwei Szenarien heute: In Szenario eins sind wir mit einer Zwölf-Tore-Niederlage gut bedient, weil wir eine horrende Anzahl an technischen Fehlern produziert haben. 25 Fehler reichen normalerweise für zwei Spiele bei uns. In Szenario zwei hätten wir mit etwas clevererem und mutigerem Angriffspiel die Partie ein wenig erträglicher gestalten können.