KN: Nach der Pflicht ist vor dem Top-Spiel
Kiel. Am frühen Montagmorgen um 2.30 Uhr landete auf dem Flughafen Kiel-Holtenau ein Charterflieger. An Bord: die Handballer des THW Kiel mit zwei weiteren Punkten im Gepäck, die den Weg zum Gruppensieg in der Champions League - und damit den direkten Sprung ins Viertelfinale - ebnen sollen. So reibungslos wie die Flugreise nach Zaporozhye mit Zwischenstopp in Warschau lief die Partie beim ukrainischen Meister und Gruppenletzten für die Zebras allerdings nicht. Alle Unkonzentriertheiten, die schlechte Chancenverwertung und der beinahe wieder verspielte Sechs-Tore-Vorsprung waren jedoch bei den Kielern mit dem Abflug am Sonntagabend in Richtung Heimat abgehakt.
Zebras starten Vorbereitung auf die Löwen - Den Schlendrian von Zaporozhye haben sie schon abgehakt
"Der ein oder andere Spieler ist bestimmt nicht zufrieden mit seiner Chancenverwertung, andere mit ihrer Abwehrleistung. Aber wir haben, was wir holen wollten - die beiden Punkte", sagte THW-Trainer Filip Jicha, dessen Mannschaft die Gruppe B nach sechs Spieltagen mit drei Punkten Vorsprung vor Vardar Skopje anführt. Auch Kreisläufer Hendrik Pekeler gab zu: "Berauschend war das nicht, Wir können froh sein, dass unsere individuelle Qualität gereicht hat. Das, was uns eigentlich auszeichnet, das Tempospiel und unbedingt dieses Tor machen zu wollen - das hat uns gefehlt."
In der ersten Halbzeit waren die Kieler reihenweise an Zaporozhyes Torwart Gennadiy Komok gescheitert. Allen voran Nikola Bilyk (fünf Versuche, kein Treffer) und Domagoj Duvnjak (drei Treffer aus acht Versuchen) taten sich im Angriff schwer. "Das war eines von diesen typischen Auswärtsspielen, in denen wir ganz klarer Favorit waren und wussten, dass wir klar besser sind. Aber wir haben es nicht auf die Platte gekriegt", sagte Pekeler. Erschwerend hinzu kam für die Kieler Abwehr der unorthodoxe Freestyle-Handball der Gastgeber, bei denen vor allem Ex-Zebra Dener Jaanimaa gegen seine früheren Teamkollegen aufdrehte und mit fünf Treffern gemeinsam mit Igor Soroka zum besten Motor-Schützen avancierte. "Jeder tippt mal und guckt, was passiert", beschrieb Pekeler seine Perspektive aus dem Kieler Innenblock. "Die haben gar keine richtige Auslösehandlung. Jeder macht gefühlt, was er will."
Als Warnschuss wollten die Zebras ihren Auftritt in der Ukraine aber nicht verstanden wissen. "In den letzten Wochen haben wir unsere Spiele gewonnen und auch gut gespielt. Es war klar, dass irgendwann mal ein Spiel dazwischen ist, das man nicht ganz so ernst nimmt, wie man es ernst nehmen sollte", sagte Pekeler. Auch Jicha nahm seinen Schützlingen den Schlendrian nicht übel. "Man muss das realistisch sehen. Dieses Spiel war eine Pflichtaufgabe und für uns eine menschliche Herausforderung. Zaporozhye hat bis zum Schluss gekämpft, wurde in der Abwehr immer offensiver", sagte der THW-Trainer, der seine Spieler bereits gestern um 16 Uhr bereits wieder versammelte, um mit der Vorbereitung auf die nächste Auswärtshürde zu beginnen.
Am Donnerstag tritt der THW in der Bundesliga zum Top-Spiel bei den Rhein-Neckar Löwen an, könnte mit einem Sieg vorübergehend bis auf einen Punkt auf Spitzenreiter TSV Hannover-Burgdorf heranrücken. Auch das direkte Duell gegen die Niedersachsen ist schon in Sichtweite: Am 17. November kommen die Recken zum Spitzenspiel nach Kiel. Vorher müssen die Kieler aber noch zweimal in der Champions League gegen den derzeit sechstplatzierten FC Porto ran (Heimspiel am 10.11., auswärts am 13.11). "Diese Partien sind auch enorm wichtig", sagt Pekeler mit Blick auf den Gruppensieg in der Königsklasse. "Gegen die Gegner weiter hinten in der Tabelle müssen wir die Spiele einfach gewinnen."
 (Von Merle Schaack aus den Kieler Nachrichten vom 05.11.2019)