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KN: Balsam für die Zebraseele

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KN: Balsam für die Zebraseele

Porto. Regeneration - im Flieger, im Bus, wieder einmal. Via München reiste der THW Kiel nach dem knappen 30:29 am Mittwochabend am Donnerstagmittag aus Porto zurück in die Heimat, landete nach 20 Uhr in Hamburg. Zwei Punkte machten die üblichen Wehwehchen zumindest teilweise vergessen. Matchwinner Harald Reinkind, der seit dem Ausfall Steffen Weinholds im September den Alleinunterhalter auf Halbrechts gibt, musste allerdings zugeben: "Langsam tut es weh."

Erleichterung zwischen Porto und dem Spitzenspiel gegen Hannover

Wer Porto erkundet, durchschreitet Wellentäler wie im Spiel des THW Kiel beim Last-Minute-30:29 in der Dragao Arena. In der Standseilbahn "Funicular dos Guindais" geht es waghalsig steil bergab hinunter zum Douro unterhalb der imposanten Ponte Luiz. Steil bergab ging es für die Zebras zunächst auch in Halbzeit zwei bis zum beängstigenden 14:19 in der 33. Minute.

Mit der Imposanz von Raubtieren warfen Akteure wie der Kubaner Yoan Balázquez oder der Portugiese André Gomes ihre gesamte Masse in den Kieler Defensivriegel. Mit der Zerstörungswut eines Wrestlers präsentierte sich Zwei-Meter-Koloss Daymaro Salina am Kreis auf Krawall gebürstet, zelebrierte jeden Zweikampf mit anschließendem Joker-Grinsen. "Wir konnten sie teilweise nicht stoppen, aber meine Spieler haben den Kampf angenommen", sagte ein erleichterter Kieler Chefcoach Filip Jicha nach dem Gewaltakt. "Porto hat eine unfassbare Energie, solche Zweikämpfe erlebst du nicht in der Bundesliga."

Genau dort steht am Sonntag (13.45 Uhr) das nächste Spitzenspiel bevor, gastiert Tabellenführer TSV Hannover-Burgdorf an der Förde. Maßgeblichen Anteil an dem auch im Hinblick darauf nach zwei Niederlagen in Folge "wertvollen Erfolg, auch für die Seele" (THW-Geschäftsführer Viktor Szilagyi) hatte THW-Linkshänder Harald Reinkind.

Nicht in erster Linie seine acht Tore verblüfften, nicht der fantastische Siegtreffer fünf Sekunden vor dem Schlusspfiff waren das Frappierendste an dem Auftritt des 27-jährigen Norwegers. Sondern sein Scheitern: an Torwart Alfredo Quintana in der 5., 11., 20., 31., 40. Minute; im Eins-gegen-Eins auf den Schnittstellen zwischen Gomes und Victor Iturriza, weil sich Reinkind auf beeindruckende Weise unbeeindruckt zeigte, eine neue, gefestigte Qualität in seinem Spiel offenbarte und schließlich wichtige Tore zum 18:21, 24:24, 25:26 und eben 30:29 erzielte.

"Respekt vor Harrys (Reinkind, d. Red.) Leistung, nicht nur heute, sondern insgesamt, seitdem Steffen Weinhold verletzt ist. Wir müssen gut auf ihn aufpassen", sagte Kollege Nikola Bilyk nach der Partie. "Mir hat sehr gefallen, wie Harald nach vier verlorenen Aktionen den Kampf angenommen hat. Wir arbeiten daran, er ist momentan Alleinunterhalter und trägt einen schweren Rucksack der Verantwortung. Er macht es gut und hat sich belohnt", lobte Filip Jicha seinen Schützling.

Der war trotz aller Erschöpfung zu Scherzen aufgelegt: "Der letzte Spielzug war genau so angesagt. Ich sollte nicht früher als drei, vier Sekunden vor dem Ende werfen. Es waren fünf, ich war zu früh", sagte Reinkind, dessen Performance seit Wochen Fans und Mitspieler beeindruckt. "Früher konnte ich Fehlwürfe nicht einfach ausblenden, habe das mehr und mehr gelernt, auch durch Filip. Das ist nicht immer einfach. Aber ich helfe niemandem, wenn ich mich schone", so der Norweger weiter.

Konnte Portos Coach Magnus Andersson nach dem Hinspiel noch frohlocken, waren die Rollen an diesem lauwarmen Mittwochabend in Portugal vertauscht. "Ich hasse es, zu verlieren. Aber wir haben zu viele einfache Fehler gemacht nach der Pause. Wir spielen nicht so häufig auf dem Niveau", sagte der Schwede. Kiel sei eben "abgezockter gewesen", ergänzte Djibril M‘Bengue, während die Kieler bemüht waren, ihrerseits den Gegner für sein Auftreten in den beiden Partien zu loben. "Das ist keine Bauerntruppe, sondern eine richtig, richtig gute Mannschaft. Porto spielt mit viel Qualität, aber untypisch. Ich habe trotzdem nie gedacht, dass es heute schiefgehen würde", sagte Kiels Rückraumspieler Nikola Bilyk.

Der Rest waren schließlich Freude und Zuversicht nach einem "Riesenspiel mit 100 Prozent Einsatz" (Szilagyi). Freude, wieder "in der Spur" zu sein, wie Linksaußen Magnus Landin betonte, der mit neun Treffern als bester Schütze und auch als Ekberg-Ersatz am Siebenmeter-Strich brillierte. "Wir haben Charakter gezeigt und in den entscheidenden Momenten weniger Fehler gemacht", sagte Spielmacher Miha Zarabec. "Das hat uns vor dem Spiel gegen Hannover Sicherheit gegeben, aber es waren schon auch noch viele Fehler in Abwehr und Angriff da."

 (Von Tamo Schwarz aus den Kieler Nachrichten vom 15.11.2019, Foto: FC Porto Sofarma)