KN: Reise ins Ungewisse
Kiel/Dammam. Um 11 Uhr ist der THW Kiel am Montag in Hamburg abgehoben ins Abenteuer Super Globe. Zwischenlandung in Frankfurt am Main, Zwischenlandung in Kuwait-Stadt, Landung in Dammam in Saudi-Arabien abends um 22.05 Uhr. Mit an Bord: der gesamte Tross des Handball-Rekordmeisters, ein mulmiges Gefühl und ein achtseitiger Verhaltenskodex für den sechstägigen Trip an den Persischen Golf.
THW Kiel startet heute bei der Vereins-WM in Saudi-Arabien
Es gibt einladendere Länder als Saudi-Arabien. Das wissen auch die Kieler Handballer. "Wir wissen nicht genau, was uns erwartet", sagt THW-Geschäftsführer Viktor Szilagyi. "Es war notwendig, alle Spieler auf die Gegebenheiten vorzubereiten. Wir werden uns dort mit Respekt bewegen." Für vier Jahre hat der Handball-Weltverband IHF die Klub-Weltmeisterschaft in die Hafenstadt Dammam vergeben. Zuvor wurde der Super Globe neunmal in Doha/Katar ausgetragen.
Die Themen Menschenrechte und Pressefreiheit, Terrorgefahr und kriegerische Auseinandersetzungen in der Grenzregion zum Jemen sind das eine. Doch auch im Alltag könnten einige Tücken auf die Kieler Zebras lauern. Nicht nur in der religiösen Hochburg Dammam sind kurze Ärmel oder Hosenbeine tabu, dürfen Personen - insbesondere Frauen - nicht fotografiert werden, was auch für militärische, religiöse und andere öffentliche Gebäude gilt. Glücksspiel, Alkohol, Homosexualität - alles ist verboten und wird streng von der religiösen Scharia-Polizei überwacht. Es drohen Gefängnis- und Prügelstrafen.
"Ein bisschen ist es schon ein mulmiges Gefühl. Es ist eine andere Welt. Dort herrschen viele Regeln, die es bei uns nicht gibt", sagt THW-Nationalspieler Hendrik Pekeler. "Es ist irgendwie eine Reise ins Ungewisse. Aber es ist auch eine Ehre, und diesen Titel würden wir gerne mitnehmen." Auch andere Spieler äußern sich zu der ungewöhnlichen Reise zum Super Globe. "Bedenken ja, Angst nein", sagt Torwart Niklas Landin. "Eine andere Welt, eine andere Kultur", erwartet Spielmacher Miha Zarabec. "Wir wissen nicht, wie die Dinge dort funktionieren, das macht mir ein bisschen Angst."
Zarabec und Co. haben den achtseitigen Verhaltenskodex gelesen, wissen, dass lange Kleidung auch bei 42 Grad Pflicht ist, dass man zur Gebetszeit nicht aufs Handy schaut. Linksaußen Rune Dahmke äußert sich diplomatisch: "Ich will nicht zu sehr politisch werden, aber dort ist vieles anders als bei uns, da steht man nicht unbedingt hinter oder unterstützt das. Aber wir wollen die Kultur respektieren."
Und sportlich? Heute (15.15 Uhr/ MESZ) geht es für den THW gegen Ozeanienmeister Sydney University HC um den Einzug ins Viertelfinale. Dort würde der ägyptische Afrika-Champion Zamalek SC (Mittwoch) warten. "Sportlich haben wir über unseren ersten Gegner Sydney so gut wie keine Infos. Über Zamalek haben wir ein paar Infos. Die spielen guten Handball, würden in Europa eine gute Rolle spielen", sagt THW-Cheftrainer Filip Jicha. "Aber die größte Überraschung für uns wird die Reise selbst. Der eine oder andere Spieler wird an seine Grenzen gehen, seine Komfortzone verlassen müssen. Wir werden als Einheit eng er zusammenrücken."
Jicha kündigt an, unter extremen Bedingungen "viel rotieren" und "das Beste erreichen" zu wollen. "Mit dem Titel kommt die Laune auf mehr Titel. Das Turnier wird Energie kosten, die uns aber später zurückgegeben wird." Auf eines sind alle Zebras in der Hitze von Dammam heiß - den Titel. Champions-League-Sieger Vardar Skopje und Titelverteidiger FC Barcelona sind die stärksten Kontrahenten am Golf. "Mit denen wollen wir uns messen", sagt Kapitän Domagoj Duvnjak, der sich über politische Dinge "keine Gedanken" macht. "Ich bin dort, um Handball zu spielen."
Auch Rune Dahmke hat "keine Angst". "Wir wollen das Beste draus machen. Wir wollen das Ding gewinnen und gut durchkommen. Jeder erinnert sich noch an die Füchse im vergangenen Jahr." Im Vorjahr waren die Berliner nach drei Spielen in vier Tagen mit vier Verletzten aus Doha heimgekehrt. In Dammam winken dem Gewinner 400 000 US-Dollar Preisgeld. Für den Zweiten bleiben 250 000 Dollar, für den Dritten 150 000 Dollar. "Für einen wirtschaftlichen Erfolg müssten wir das Finale erreichen", sagt Szilagyi, der auf eine nicht ganz reibungslose (Reise-) Vorbereitung des Turniers zurückblickt: "Man musste schon geduldig sein. Wir haben in der Kommunikation schon gemerkt, dass sie das Turnier zum ersten Mal ausrichten."
 (Von Tamo Schwarz, aus den Kieler Nachrichten vom 27.08.2019, Foto: Sascha Klahn)