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KN: Kristjánsson ist jetzt “einer von den Jungs”

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KN: Kristjánsson ist jetzt "einer von den Jungs"

Graz. Es ist seine zweite Saisonvorbereitung mit dem THW Kiel und dennoch wie ein Neubeginn. Gisli Kristjánsson legt den Handball beiseite, marschiert zielstrebig auf Athletik-Trainer Hinrich Brockmann zu, macht eine Bewegung mit seinem rechten Wurfarm, schaut ihn auffordernd an. "Ich brauche das", sagt er. Es geht ihm um die Beweglichkeit seiner Schulter, die so wichtig für den jungen, vielversprechenden Handballer ist.

Nach schwerer Schulterverletzung und einer Operation trainiert der junge Isländer wieder voll mit dem THW Kiel

Kurz vor seinem Wechsel zum THW Kiel im vorigen Sommer wurde seine steile Karriere jäh unterbrochen, als ihm in den Playoffs um die isländische Meisterschaft ein Gegenspieler übel foulte. 

Sein Einstand in Kiel war deshalb anders als der inzwischen 20-Jährige es sich erhofft hatte. Nur insgesamt sechsmal stand er mit den Profis auf dem Feld. Sein Stammplatz wurde die Zuschauertribüne. Auf dem Weg zurück sammelte er mit der U23 der Zebras Spielpraxis, war rechtzeitig zur WM im Januar fit. Dort wurde aus der Vorverletzung eine SLAP IV Läsion (Bänderabriss in der Schulter) - und eine Operation war unumgänglich. 

In dieser Phase stand die junge Karriere auf der Kippe. Arthroskopie in der isländischen Heimat, Reha, voraussichtlich sechs bis acht Monate Pause. "Die erste Woche nach dem Eingriff war die schlimmste in meinem Leben", sagt Kristjánsson, der den rechten Arm im Anschluss an die OP vier Wochen lang ruhig halten musste. "Anfangs habe ich nachts maximal eine halbe Stunde geschlafen. Meine Mutter oder meine Freundin mussten immer bei mir sein. Jede kleinste Bewegung tat weh", erinnert er sich und gibt zu: "Ich hatte Angst, nie wieder so werfen zu können wie vor zwei Jahren."

Doch anschließend ging alles glatt, inzwischen ist Kristjánsson seinem Zeitplan voraus. "Ich bin jetzt schon fünf Monate nach der OP schmerzfrei, kann im Training alles mitmachen", sagt er, der es sichtlich genießt, seit Beginn der Vorbereitung wieder mit der Mannschaft zu trainieren. "Das ist ein super Gefühl. Vorher war es immer die Mannschaft hier, Gisli da. Jetzt bin ich einer von den Jungs."

Ein Jahr und zwei Monate hat der junge Isländer sich nun mit seiner Schulter herumgeplagt. Vergeudete Zeit für einen Handballer? 

Nicht für Kristjánsson. "Das Jahr war eine richtig gute Schule sagt er, der in Kiel zum ersten Mal eine eigene Wohnung bezog und aus seinen Startschwierigkeiten kein Hehl macht. "Piet (Patrick Wiencek, d. Red.) musste mir helfen, mein Bett und meinen Schrank aufzubauen", erzählt er. "Inzwischen weiß ich auch, wie man kocht. Ich habe Deutsch gelernt und vor allem, mit welcher Einstellung ich beim THW arbeiten muss: immer Vollgas, immer 100 Prozent."

Deshalb lässt er auch bei der Arbeit an seiner Schulter nicht locker. "Ich habe zwar keine Schmerzen mehr, bin aber noch nicht bei der alten Beweglichkeit", sagt er. "Aber ich kann sehen, dass ich in ein paar Wochen wieder dort bin, wo ich vor der Verletzung war." 

Ein Ansporn für den Youngster hängt zu Hause auf Island bei seinen Eltern in seinem ehemaligen Kinderzimmer: Eine Collage aus Fotos, der Eintrittskarte und dem Hallenheft von seinem ersten Besuch beim THW Kiel. Vor sieben Jahren war das, Kristjánsson weiß es noch ganz genau. Ein Spiel gegen die Rhein-Neckar Löwen. Anschließend knipste Gisli Fotos mit Daniel Narcisse, Thierry Omeyer, Aron Palmarsson und natürlich seinem jetzigen Trainer Filip Jicha. "Danach war klar, ich wollte beim THW spielen", erinnert er sich. Da ist er nun. Und hat sich längst ein neues Ziel gesteckt: "Ich will wieder der Handballer werden, der ich war. Und dann mit den Jungs jedes Spiel gewinnen."

(Von Merle Schaack, aus den Kieler Nachrichten vom 02.08.2019, Foto: Sascha Klahn)