KN: Start eines Neuanfangs der deutschen Nationalmannschaft
Leipzig. Zeit zum Verschnaufen hatten die deutschen Handball-Nationalspieler des THW Kiel nach der Rückkehr aus Szeged kaum. Nur einen Tag nach dem 27:28 beim ungarischen Vizemeister, das aufgrund des Hinspiels (29:22) aber locker zum Einzug ins Viertelfinale der Champions League reichte, und acht Stunden nach der nächtlichen Rückkehr (3 Uhr morgens) ging es für Andreas Wolff, Steffen Weinhold und Patrick Wiencek am Montag um 11 Uhr wieder los in Richtung Leipzig, wo das DHB-Team am Mittwoch in Leipzig (19 Uhr/Livestream auf www.live.dhb.de) sein erstes von zwei Testspielen gegen Serbien bestreitet.
Weinhold: "Ab jetzt wollen wir nur noch in Richtung WM schauen."
"Wir sind ja gewohnt, alle drei Tage zu spielen. Der Körper kann doch mehr als man manchmal denkt - aber nach dem Spiel in Szeged habe ich das schon gemerkt, das war wirklich anstrengend", sagt Patrick Wiencek. Dabei hatte der THW-Kreisläufer durchaus mit mehr Pausen als zuletzt gerechnet. Wiencek: "Ich hatte natürlich gehofft, dass René früher wiederkommt, damit ich mich mit ihm abwechseln kann. Aber Flamme macht das auch überragend."
Wiencek hofft auf mehr Schonung seiner Kräfte bei der Nationalmannschaft. "Durch die beiden Länderspiele ist jetzt natürlich nicht komplett frei, aber Christian wird das schon steuern und die Champions-League-Spieler ein bisschen schonen und insgesamt rotieren."
Derweil kann der umstrittene Prokop die ständigen Fragen nach ihm und dem Verhältnis zur Mannschaft langsam nicht mehr hören. Die Diskrepanzen und atmosphärischen Störungen nach der desaströsen EM mit Platz neun seien ausgeräumt, wiederholte der 39-Jährige sachlich, aber bestimmt. Vielmehr will er nun einen sportlichen und persönlichen Neuanfang starten. "Es wurde in den letzten Wochen sehr viel ausgewertet und geschrieben. Damit ist jetzt Schluss. Jetzt gilt es, nach vorne zu gucken, das gilt auch für mich", sagte Prokop am Dienstag in Leipzig vor den beiden Testländerspielen gegen Serbien.
Er hat einen Wunsch: "Ich möchte nicht, dass es um mich geht und die Art und Weise, wie ich was mache, im Fokus steht. Es geht mir darum, wie meine Mannschaft spielt und wie wir die Sachen umsetzen." Auch das Team will den Rückschlag hinter sich lassen. "Für uns ist das Thema gegessen, wir schauen nur nach vorne. Wir sind auf Wiedergutmachung aus", so Wiencek.
Die Spiele am Mittwoch in Leipzig und am Sonnabend in Dortmund sind die ersten Länderspiele der DHB-Auswahl nach dem EM-Debakel im Januar in Kroatien. Danach regte sich großer Widerstand gegen den noch bis 2022 unter Vertrag stehenden Prokop, einige Spieler sollen mit Rücktritt gedroht haben. Diese blieben aber aus.
Die Serbien-Spiele sind für Prokop & Co der Startschuss in die Vorbereitung auf die Heim-WM im Januar. Ein erneutes Scheitern wie bei der EM würde Prokop wohl mit Sicherheit den Job kosten. "Wir wollen gute Spiele abliefern und uns Selbstvertrauen holen", sagte Prokop, der viele Gespräche mit den Spielern führte. Da sei auch über taktische Dinge diskutiert worden, jeder habe laut Wiencek seine Meinung kundgetan.
Steffen Weinhold ist mit "einem positiven Gefühl aus den letzten Spielen zur Nationalmannschaft" gefahren. Kiels Rückraum-Linkshänder: "Natürlich wird die Intensität bei den zwei Freundschaftsspielen nicht so hoch sein wie in unseren Partien zuletzt, die nächsten wichtigen Spiele sind in der Liga und der Champions League. Der Lehrgang ist aber nicht unwichtig, es ist das erste Zusammenkommen nach der Unruhe um Christian Prokop. Ich hoffe, dass das einen neuen Spirit schafft. Ab jetzt müssen und wollen wir nur nach vorn in Richtung WM schauen."
Im Mittelpunkt der Serbien-Spiele stehen für Prokop taktische Varianten und das Sichten von Spielern, wie die Außen Matthias Musche und Tim Hornke. Viel Augenmerk will er auf die Abwehr sowie die Position des Spielmachers legen. Prokop will auf dieser Position den bei der EM nicht berücksichtigten Fabian Wiede, Tim Kneule und Niclas Pieczkowski testen. Philipp Weber soll nun anders als bei der EM im linken Rückraum zum Einsatz kommen.
Zudem treffen sich Prokop und DHB-Sportvorstand Axel Kromer am Mittwoch mit zahlreichen Bundesliga-Trainern. Bei dem Treffen soll es um einen Austausch und die Vorstellung des WM-Fahrplans gehen. "Wir wollen noch mal ein paar Sachen auswerten und den Blick für die Zukunft schärfen", sagte Prokop, der vor allem auf eine enge Kommunikation zwischen ihm und den Liga-Trainern setzt.
Aus den Reihen der Handball-Bundesliga hatte sich nach der EM Widerstand gegen eine Weiterbeschäftigung Prokops geregt. Geplant ist nun ein turnusmäßiges Trainertreffen alle zwei bis drei Monate. Laut DHB-Sportvorstand Axel Kromer kommen dreiviertel der Coaches nach Leipzig. Keine Absage sei negativ behaftet gewesen. "Diejenigen, die nicht kommen, haben klar logische und zeitliche Gründe angeführt."
Nach den Serbien-Spielen steht am 6. Juni in München die Testpartie gegen den WM-Zweiten Norwegen an. Vom 7. bis 18. Juni geht es nach Japan mit zwei Spielen gegen die Auswahl des früheren Bundestrainers Dagur Sigurdsson. Nach der Auslosung für die Qualifikationsspiele zur EM 2020 im April stehen dann auch die Gegner für den Oktober fest. Die WM 2019 in Deutschland und Dänemark startet am 10. Januar mit dem Eröffnungsspiel der deutschen Mannschaft in Berlin.
(Von Niklas Schomburg und Sandra Degenhardt, aus den Kieler Nachrichten vom 04.04.2018, Foto: Sascha Klahn)