WM 2017: Hendrik Pekeler ersetzt Rune Dahmke
Taktische Maßnahme
Zwei neue im Kader
KN: Schock! Dahmke muss nach Hause
Rouen. Paukenschlag im Lager der deutschen Nationalmannschaft bei der Handball-Weltmeisterschaft in Frankreich. Neben Holger Glandorf hat Bundestrainer Dagur Sigurdsson am Donnerstag in Rouen völlig überraschend auch Kreisläufer und Abwehrspezialist Hendrik Pekeler von den Rhein-Neckar Löwen für die Titelkämpfe nachnominiert. 17 sind einer zu viel: Für Pekeler opferte Sigurdsson den Kieler Linksaußen Rune Dahmke, der Donnerstagmittag bereits die Heimreise nach Kiel antreten musste. Binnen 17 Stunden zieht der isländische Chefcoach am Vormittag seinen zweiten WM-Joker aus dem Ärmel, trägt den Journalisten mit dem ihm typischen Pokerface seine taktischen Erwägungen vor: „Pekeler als Backup für den Mittelblock, kann uns Stabilität in der Abwehr geben. Damit hoffe ich, dass wir nun den endgültigen Feinschliff im Kader haben. Rune war sehr enttäuscht. Es hat aber nichts mit seiner Leistung zu tun.“ Zu 100 Prozent zufrieden konnte Sigurdsson mit seiner Abwehr bislang nicht sein, will mit Europameister Pekeler zusätzlich Beton anrühren. Der 25-jährige Rhein-Neckar-Löwe ist an der Seite von Patrick Wiencek oder Finn Lemke einerseits eine Option für den Innenblock, spielt allerdings auch wie kein anderer deutscher Akteur einen starken Part an der Spitze einer 5:1-Deckung. Ursprünglich hatte Pekeler – wie auch der Kieler Christian Dissinger – aus Überlastungsgründen die Notbremse gezogen, freiwillig auf die Teilnahme an der WM verzichtet und erklärt, nur im absoluten Notfall bereit zu stehen. „Jetzt habe ich den Joker einfach gezogen“, sagt Sigurdsson, während sich der Nachnominierte („Als ich die Spiele im Internet verfolgt habe, hat es wieder in den Fingern gekribbelt, und ich habe dabei wahnsinnig viel Lust auf Handball und die WM bekommen“) am frühen Donnerstag auf den Weg zur Mannschaft macht, das Abschlusstraining am Abend jedoch aufgrund eines ausgefallenen Zuges verpasst. Noch bis zum vergangenen Sonnabend hatte Pekeler („Ich denke schon, dass ich der Mannschaft im Laufe des Turniers helfen kann“) mit Ehefrau Johanna den Urlaub auf Mauritius genossen, die ausgelaugten Hinrunden-Akkus neu aufgeladen. Im Gegensatz zum von langer Hand geplanten Einsatz von Glandorf als Unterstützung für Alleinunterhalter Kai Häfner im halbrechten Rückraum, erhielt Pekeler seinen Einsatzbefehl kurzfristig. „Die Nachnominierung von Pekeler war sicher schon länger geplant. Hoffentlich hat er im Urlaub gut trainiert und kommt fit zu uns“, sagt Abwehrspieler Patrick Wiencek. „Nein, sorry!“ – Mit zwei Worten, die in dieser Situation mehr sagen als 1000, bittet Rune Dahmke am Vormittag per SMS um Verständnis, sich vorerst nicht zu äußern. Zu groß ist die Enttäuschung bei dem 23-Jährigen, der am Mittwochabend nach dem Weißrussland-Spiel vor dem Abendessen über sein plötzliches Zwangs-Aus informiert worden war. Auch vor den Olympischen Spielen 2016 in Rio hatte der THW-Linksaußen die komplette Vorbereitung mit der Nationalmannschaft absolviert, war dann von Sigurdsson nicht berücksichtigt worden. Jetzt kommt der Schock für den Europameister, der vor einem Jahr Teil der „Bad Boys“ geworden war und Deutschland mit seinem Last-Minute-Tor im Halbfinale der EM gegen Norwegen in die Verlängerung gerettet hatte, sogar nach vier Vorrundenspielen mitten im Turnier. Den schönsten Trost für Dahmke fasst Rechtsaußen Patrick Groetzki in Worte. „Wir alle mögen Rune und hätten ihn gern hierbehalten. Er muss sich nichts vorwerfen“, sagt der 27-Jährige von den Rhein-Neckar Löwen, den bei den Spielen in Rio ein ähnliches Schicksal ereilte, als er noch in der Gruppenphase dem Kieler Steffen Weinhold weichen musste. „Ich hatte es mir eigentlich nicht vorstellen können, dass „Peke“ noch nachkommt. Jeder, der so etwas schon einmal mitgemacht hat, weiß, wie Rune sich jetzt fühlt.“ Viel Mitgefühl für Dahmke kommt auch von den Kieler THW-Kollegen, die Dahmke schon am Mittwoch Halt gaben. „Wir haben uns nach dem Abendessen auf dem Zimmer getroffen, er war ganz schön angeknackst“, berichtet Patrick Wiencek. Andreas Wolff ergänzt: „Er war sehr traurig. Das kann ich gut nachvollziehen. Er tut mir sehr, sehr leid. Er hat schon zum zweiten Mal die ganze Vorbereitung absolviert, hat seinen Urlaub gestrichen, sich eineinhalb Spiele lang bei der WM gut präsentiert und wird jetzt aussortiert.“ (Von Tamo Schwarz, aus den Kieler Nachrichten vom 20.01.2017)