ZEBRA: Katsigiannis: "In Kiel Teil der Karriere zurückgeholt"
"Überlege, ein Umzugsunternehmen zu gründen"
ZEBRA: Nikolas, der THW Kiel ist Deine nunmehr siebte Bundesliga-Station, ehe es im Sommer zurück nach Erlangen geht. Hast Du Deine Koffer zwischendurch überhaupt ausgepackt? NIKOLAS KATSIGIANNIS: Ja, natürlich. Ich hatte schließlich die Hoffnung, vielleicht doch etwas länger hierbleiben zu dürfen. Diese hat sich leider nicht erfüllt, aber mir ist meine Situation natürlich von Anfang an klar gewesen. Wir haben mittlerweile sehr viel Erfahrung darin, unsere Sachen zu packen, und wir wissen, wie man umzieht. Ich überlege schon, nach meiner aktiven Karriere ein Umzugsunternehmen zu gründen (lacht). Habt Ihr denn viel Zeug dabei oder hat sich Euer Hab und Gut in den vielen Jahren aus praktischen Gründen auf das Wesentliche reduziert Einen festen Wohnsitz, an dem wir alles zwischenlagern könnten, gibt es noch nicht. Deshalb haben wir immer alles dabei. Aber wie bei jedem anderen, der umzieht, auch, sortiert man jedes Mal durch. Jedenfalls wird unser Bestand immer kleiner, da wir in den vergangenen vier Jahren jedes Jahr umgezogen sind. Inzwischen reisen wir mit "leichtem Gepäck". Wie schwer fällt es da, sesshaft zu werden? Uff. Ich glaube, das wird uns leicht fallen. Aber wir haben noch keinen Ort gefunden, wo wir das können. Wir können es uns beide vorstellen, hinterher in Hannover zu leben, da wir uns beide dort sehr, sehr wohlgefühlt haben. Hannover ist eine sehr zu Unrecht unterschätzte Stadt. Es hatte sich nur leider sportlich nicht ergeben, dass ich dort bleiben konnte. Und dementsprechend leben wir momentan immer dort, wo ich Handball spiele.
"Nirgendwo ist es extremer als in Kiel"
"Katze": "Verlieren ist in Kiel nicht akzeptabel. Das nehme ich für meine weitere Karriere mit"Was nimmst Du aus diesem Jahr hier in Kiel mit? Es ist etwas ganz Besonderes, für einen Verein wie den THW Kiel zu spielen. Allein der Druck, die Erwartungshaltung in diesem Verein erfüllen zu müssen, ist schon etwas besonderes. Marko Vujin hat einmal zu mir gesagt, dass deshalb nicht jeder Spieler beim THW Kiel spielen kann. Dass ich es geschafft habe und dass ich durch die vielen Erfahrungen hier - auch wenn es nur ein Jahr war - auch als Spieler besser geworden bin, macht mich stolz. Nirgendwo ist es extremer als in Kiel: Wenn Du gewinnst, ist die Welt in Ordnung. Wenn Du verlierst, ist die Welt nicht mehr in Ordnung. Es ist im Übrigen sehr interessant, als Spieler zu sehen, wie der gesamte Verein nach diesem Motto lebt. Das ist schon anders als in anderen Klubs. Wenn Du verlierst, ist das hier schon ein halber Weltuntergang. Das ist ein Punkt, den ich für meine zukünftige Laufbahn mitnehmen werde: Verlieren ist nicht akzeptabel. Der ganze Verein ist auf Erfolg getrimmt. Schaut man auf Deine sportliche Biographie, könnte man fast den Eindruck bekommen, Dein Werk sei unvollendet geblieben. Du hast ganz oft Deine Leistung gebracht, aber dennoch meist im Schatten gestanden... Gerade als meine Nationalmannschaftskarriere begann und ich nach dem Rücktritt von Jogi Bitter den Sprung unter die ersten Drei in der DHB-Auswahl geschafft hatte, verletzte ich mich so schwer, dass ich zweieinhalb Jahre weg war. Deshalb hege ich aber keinen Groll auf irgendjemanden. Ich schaue nicht gern zurück, dennoch versuche ich, mir das wiederzuholen, was ich einmal hatte. Deshalb versuche ich immer noch, irgendwann einmal wieder in die Nationalmannschaft zu kommen. Jetzt beim THW Kiel zu spielen, heißt für mich, dass ich mir ein Stück meiner Karriere zurückgeholt habe. Das THW-Trikot ist also eine Art Auszeichnung? Ich glaube schon. Der THW Kiel kann sich jeden Spieler aussuchen. Selbst wenn es nur für ein Jahr ist, möchte auch jeder Handballer sehr gerne zum THW Kiel kommen. Ich bin jedenfalls sehr froh darüber.
"Mir geht es um sportlichen Erfolg"
Ein Mann mit Weitblick: Nikolas KatisgiannisWie geht Deine Frau mit diesem wechselhaften Leben um? Für sie ist es natürlich nicht einfach, das Vagabunden-Leben eines Handballers mitzumachen. Ich habe großes Glück, jemanden an meiner Seite zu haben, die damit klarkommt. Mittlerweile ist es so, dass sie weiterhin für ihren Arbeitgeber aus Hannover tätig ist, aber von zu Hause aus arbeiten kann. Das ist prima! So kann ich noch ein paar Mal umziehen, ohne dass sie den Arbeitgeber wechseln muss. Für uns Handballer ist es beinahe normal, den Arbeitgeber zu wechseln, in einem normalen Beruf ist es das hingegen weniger. Meine Eltern haben ihr gesamtes Berufsleben lang bei ein und demselben Arbeitgeber gearbeitet. Deine Karriere scheint aus diesem Betrachtungswinkel extrem zu verlaufen… Ja, durchaus. Seit 2012 hatte ich nur noch Jahresverträge. Den Weg von Verletzungen über drohende Sportinvalidität bis hin zur Arbeitslosigkeit, um dann zwei Monate später einen Vertrag beim THW Kiel zu unterschreiben, darf man getrost als Achterbahnfahrt beschreiben. Das ist mit Sicherheit nicht die Standardkarriere. Empfehlen kann ich das in dieser Form niemandem. Empfindest Du das als Makel oder gar als spannende Herausforderung, nur Jahresverträge zu unterzeichnen? Ich hätte in anderen Vereinen auch längerfristige Vereinbarungen eingehen können, wollte dies aber aufgrund der sportlichen Perspektive oftmals nicht. Ich habe immer geschaut, dass ich in der Tabelle so weit wie möglich nach oben komme. Ich möchte ein professionelles Umfeld haben, da ich glaube, man fühlt sich nur dort wohl, wo man auf Gleichgesinnte trifft. Und mir geht es darum, sportlichen Erfolg zu haben, und nicht darum, wie viel Spaß ich im Leben und im Handball haben kann.
"Katzes" Lieblingsort: Laboe
Das Ostseebad Laboe liegt rund 19 Kilometer nördlich der Landeshauptstadt Kiel am äußeren Ende des Ostufers der Kieler Förde. Der Strand mit dem Marine-Ehrenmal und dem U-Boot U995 sowie die Promenade mit einer Vielzahl an Restaurants und Cafés machen Laboe zu einem beliebten Ausflugsziel. Nikolas Katsigiannis und seine Frau zieht es immer wieder hierher, um am Wasser die Seele baumeln zu lassen. "Es ist ein Riesenvorteil, wenn Du solch einen Urlaubsort direkt vor der Tür hast. Nach dem Training kannst Du mal schnell in zehn Minuten an die Ostsee fahren und am Strand deutlich besser entspannen als anderswo", findet Katsigiannis, "das werde ich wahrscheinlich auch sehr vermissen". Erlaubt der Spielplan ein freies Wochenende, dann darf es auch gern einmal weiter weg gehen - Städtetrips sind angesagt. "Zuletzt waren wir in London", schwärmt Katsigiannis, "wenn man dort in einem Café sitzt, dann ist man so extrem weit weg vom Handball, dass man dann auch überhaupt nicht mehr darüber nachdenkt. Das ist toll. Wenn Du Profi bist und sehr viel nach dem Handballspielplan lebst, dann muss es auch solche Phasen geben, in denen Du total abschalten kannst. Die ganze Zeit immer nur oben und auf Vollgas, das geht auf Dauer nicht." (Der Artikel ist im Arena-Magazin "ZEBRA" zum Heimspiel gegen den TuS N-Lübbecke erschienen)