Vertrag aufgelöst: Filip Jicha verlässt den THW Kiel
KN: Poker beendet: Jicha ist schon weg
Kiel. Am 27. Juli hatte Filip Jicha in einem denkwürdigen Interview mit den Kieler Nachrichten ("Ich bitte den THW, mich zu verkaufen") seinen aktuellen Arbeitgeber um die Freigabe für den FC Barcelona gebeten. 22 Tage später erfüllte der deutsche Handball-Rekordmeister den Wunsch des 33-Jährigen. Der Kapitän des THW Kiel flog gestern nach Barcelona und wechselt mit sofortiger Wirkung zum amtierenden Champions-League-Sieger. Damit ist diese Hängepartie gerade noch rechtzeitig vor dem Bundesligastart am Wochenende beendet. In einem Video bedankte sich Jicha gestern beim THW, für den er seit seinem Wechsel aus Lemgo acht Jahre spielte, für das Entgegenkommen. "Außerdem möchte ich mich bedanken für die vielen positiven Reaktionen in den letzten Wochen. Das macht diesen Verein so einmalig." Die Zebras lassen sich den Ausstieg ihres Leitwolfes aus dem bis 30. Juni 2016 plus einjähriger Option laufenden Vertrag mit 750 000 Euro honorieren. Zusätzlich darf der THW nach Informationen dieser Zeitung den FC Barcelona bei drei Spielen in Deutschland vermarkten. Die erzielbare Einnahme dürfte mehr als 100 000 Euro betragen. Jicha wollte den von Barca angebotenen Vierjahresvertrag unbedingt annehmen, da er dort sein Gehalt um etwa 25 Prozent verbessert. Hintergrund sind die finanziellen Verpflichtungen, die den Tschechen wegen 2006 in Lemgo über einen Finanzberater getätigter Immobiliengeschäfte belasten. "Ich bin wie viele andere, nicht nur Handballer, in einen Immobilienskandal reingezogen worden, den ich aber überstehen werde", versicherte Jicha. Der Einigung beider Vereine vorausgegangen war ein längerer Poker, den Barcelona mit einem Angebot von 400 000 Euro eröffnet hatte, worauf THW-Geschäftsführer Thorsten Storm mit der Forderung von einer Million gekontert haben soll. Das Resultat darf Storm nun als Erfolg für sich verbuchen. "In Anbetracht der Gesamtsituation gab es nach Filips Angebot aus Barcelona keine andere Lösung, die allen Beteiligten gerecht wird", erklärte Storm und hob hervor, dass Jicha ein großartiger Sportler sei, der Großes für den THW Kiel geleistet und dabei oft sogar seine eigene Gesundheit hinten an gestellt habe. Dies gilt besonders für die Endphase der Saison 2013/14. Jicha hatte sich am 4. Mai beim 46:24-Sieg in Lemgo einen Außenbandriss im linken Sprunggelenk zugezogen und dennoch beim erfolgreichen Bundesliga-Endspurt und im gegen Flensburg verlorenen Champions-League-Finale mitgewirkt. "Von dieser Verletzung habe ich mich nie mehr richtig erholt. Ich habe sie ignoriert, weil ich mich nicht verstecken wollte", gab er nun zu. Auch diesbezüglich passt der Wechsel nach Barcelona. Dort kann er seine aktuelle Schambeinverletzung in Ruhe auskurieren, da in Spanien das Gehalt auch im Krankheitsfall in voller Höhe weiter gezahlt wird. Außerdem beginnt die Saison später als in Deutschland, und die Belastung in der Liga Asobal ist für die Spieler des zuletzt ungefährdeten Serienmeisters Barca nicht sonderlich hoch. Und was die Champions League anbetrifft, hat Jicha schon angekündigt, er wolle weiter in Europas Spitze um Titel kämpfen. THW-Trainer Alfred Gislason verliert mit dem Welthandballer von 2010 seinen "verlängerten Arm" auf dem Spielfeld. Der 2,01 m große Rückraumriese war der Taktgeber des THW, seitdem er 2007 vom TBV Lemgo an die Förde gewechselt war. Mit den Zebras feierte er sieben deutsche Meisterschaften, gewann zweimal die Champions League und fünfmal den DHB-Pokal. "Natürlich ist das ein sportliches Risiko, auch wenn Filip erst Anfang Oktober wieder auf das Spielfeld zurückgekehrt wäre", beurteilte Thorsten Storm den Verlust des Führungsspielers kurz vor Saisonbeginn und bezeichnete den Zeitpunkt der Trennung als wahrlich nicht gut. Nun stehen andere gestandene Spieler in der Pflicht. Domagoj Duvnjak, Joan Cannellas, Steffen Weinhold, Marko Vujin oder Rene Toft Hansen sollen mehr Verantwortung übernehmen. Zudem wird der norwegische Nationalspieler Erlend Mamelund in Kürze in Kiel erwartet. Storm: "Das ist jetzt auch eine Chance für neue Führungsspieler und eine neue Struktur." (Von Gerhard Müller, aus den Kieler Nachrichten vom 19.08.2015)