
35:27 beim BSV Bern: Kieler Youngster lassen die Zebras in der Schweiz jubeln
Der THW Kiel hat seine Erfolgsgeschichte in der Gruppenphase der EHF European League auch mit einem letzten Aufgebot fortgesetzt. Und das auch, weil die fünf Youngster aus der Nachwuchsarbeit der Zebras am Dienstagabend beim BSV Bern Verantwortung übernahmen. Nach Anlaufschwierigkeiten und einer großartigen Leistungssteigerung in der zweiten Halbzeit siegte der THW Kiel letztlich mit 35:27 (18:16) und thront mit makellosen 6:0 Punkten auf Tabellenrang eins in der Gruppe B. THW-Trainer Filip Jicha zwei Tage nach dem harten Heimspiel gegen den Bergischen HC konsequent auf seine jungen Spieler, ließ sie auch in weniger guten Phasen auf dem Feld und wurde für sein Vertrauen belohnt. Denn auch das zweite Ziel des Abend, den wenigen noch einsatzbereiten Stammkräften durch Rotation möglichst wenig zusätzliche Belastung aufzubürden, wurde erreicht. Bester Torschütze war erneut Elias Ellefsen á Skipagötu mit neun Treffern.
Jugend forscht auf der europäischen Bühne
Jugend forscht auf der Europapokal-Bühne: Weil neben den Langzeitverletzten Emil Madsen (Knie) und Hendrik Pekeler (Achillessehne) auch Eric Johansson (grippaler Infekt) und Magnus Landin (Adduktoren) nicht in den Flieger nach Zürich gestiegen waren, außerdem Torhüter Gonzalo Perez de Vargas weiter in der Reha arbeitet und Nikola Bilyk ebenfalls angeschlagen nicht spielen konnte, vertraute Trainer Filip Jicha auf eine echte "Rasselbande", hatte fünf Youngster im Kader - darunter die beiden A-Jugendlichen Rasmus Ankermann und erstmals auch Johan Rohwer. Überragende Offensivkraft bei den Zebras war ebenfalls ein junger Spieler: Der 23-jährige Elias Ellefsen á Skipagötu verschaffte seinen Farben in wichtigen Phasen mit seinen Toren Luft, durfte bei gut 30 Minuten Einsatzzeit aber ebenso durchschnaufen wie alle anderen erfahrenen Akteure. Rasmus Ankermann spielte sich ebenfalls in den Vordergrund, traf selbst sechsmal und half seiner Mannschaft zudem mit vier Assists. Außerdem war Leon Nowottny, der von der ersten Minute an das THW-Tor hütete, vor allem in der zweiten Halbzeit ein starker Rückhalt. Der 19-Jährige glänzte mit elf Paraden, hielt zudem einen Siebenmeter von Berns bestem Werfer Wanner, der neun Bälle im Kieler Tor versenkte.
Petter Överbys erste Spielminuten
Die Startaufstellung gegen die bisher noch punktlosen Eidgenossen war besonders. Im Tor begann Nowottny, vor ihm spielten Rune Dahmke, Ankermann, Domagoj Duvnjak, Harald Reinkind, Bence Imre und Lukas Laube. Natürlich war die Partie für Laube eine spezielle, der Schweizer hatte vor der mit 2500 Fans ausverkauften Mobiliar-Arena quasi ein kleines Heimspiel, fieberte den 60 Minuten besonders entgegen. Lampenfieber ganz anderer Art hatte bestimmt auch Petter Överby, der nach einem schweren Pferdekuss nahezu vier Wochen aussetzen musste, in Bern wieder auf der Bank saß und sich bereits nach drei Minuten über erste Momente auf dem Spielfeld freuen durfte.
Gastgeber gehen in Führung
Nach freundlicher Begrüßung durch das faire Berner Publikum - auf den Tribünen hatten auch 60 THW-Fans lautstark für Stimmung gesorgt - fanden die Zebras gut in die Partie, gingen durch Ankermann in Front. Bence Imre erhöhte, nachdem er einen Lattentreffer von Rune Dahmke gedankenschnell aufnahm und zum 2:0 versenkte. Eggimann brachte Bern heran, dann ließ sich Domagoj Duvnjak nicht aufhalten, erhöhte auf 3:1. Fortan kam Sand ins Getriebe der Kieler Angriffsmaschinerie: Laube ließ zwei Chancen ungenutzt, mit Startproblemen kämpfte auch Dahmke. Weil Berns Torhüter Seravalli sich zudem in eine Glanzform steigerte, vier weitere freie Bälle der Zebras unschädlich machte, blieb der Außenseiter nicht nur dran, sondern legte in der 16. Minute nach einem Konter von Kalt erstmals eine eigene Führung zum 9:8 vor. Nach 18 Minuten führten die Gastgeber gar mit 12:9, heizten mit flüssigem Spiel und ihren Toren auch die Arena richtig ein.
Kieler Pausenführung
Jicha setzte trotz des Rückstands auf seine jungen Leute: Ben Szilagyi bedankte sich mit seinem Treffer zum 11:12 für das Trainervertrauen, doch die Berner hatten jetzt ihre beste Phase, nutzten das zögerliche Kieler Rückwärtsverhalten und lagen nach 21. Minuten erneut mit drei Toren vorn. Jicha setzte jetzt auf Wirbelwind Elias Ellefsen á Skipagötu, der nach leichten Anlaufschwierigkeiten in der 22. Minute zum ersten Mal traf. Als auch Nacinovic völlig freistehend am Berner Torhüter scheiterte, drückte Filip Jicha zum zweiten Mal auf den Buzzer. "So geht das nicht", mahnte Kiels Trainer, "wir dürfen nicht gucken, sondern müssen kämpfen, kämpfen, kämpfen." Am besten hatte wohl Elias á Skipagötu zugehört. Der Färinger war von Berns Abwehr nicht zu packen, warf den THW nahezu im Alleingang mit vier Toren am Stück wieder in Front. Stettler egalisierte noch einmal, doch á Skipagötu und Lukas Zerbe sorgten für die jetzt verdiente 18:16-Pausenführung. Großen Anteil daran besaß auch der junge Jesse Dahmke, der in der Abwehr Löcher stopfte und vorne Löcher riss.
Zebras übernehmen die Regie
Die Anfangsphase der zweiten Halbzeit ging an die Gastgeber: Kusio war zweimal zur Stelle, und als Wanner in der 35. Minute zur 20:19-Führung traf, riss es die Fans von den Sitzen. Aber dieser Treffer bedeutete auch die letzte Berner Führung, denn die Zebras packten nun defensiv fester zu - und auch Laube hatte endlich Grund zur Freude, versenkte einen Abpraller zum 20:20. Fortan wurden die Kieler ihrer Favoritenrolle - auch mit ihrem großartigen Nachwuchs, gelenkt und angeleitet von dem wieder aufopferungsvoll kämpfenden Domagoj Duvnjak - vollauf gerecht. Nowottny wurde jetzt zum großen Rückhalt, Ankermann und Szilagyi mischten auf der linken Kieler Abwehrseite Beton an. Vorne wirbelte die jüngste Kieler Offensive aller Zeiten die gegnerische Abwehrreihe durcheinander, und als Rune Dahmke ins leere Berner Tor traf, lagen die Kieler mit vier Treffern vorne. 26:22 in der 43. Minute.
Atemberaubender Schlussspurt
Der Drei- bis Vier-Torevorsprung hatte dann bis zur 54. Minute Bestand. Als Leon Nowottny den Strafwurf von Wanner parierte, läutete Kiels junger Schlussmann zugleich einen atemberaubenden Schlussspurt ein: Dieser mündete in einem abschließenden 6:0-Lauf. Den schwarz-weißen Schlusspunkt zum 35:26 setzte dann ausgerechnet Johan Rohwer: Der 18-Jährige feierte sein erstes Pflichtspieltor im Dress des Rekordmeisters, hatte ebenfalls seinen Anteil am atemberaubenden Abend der "jungen Wilden", der mit einer La Ola als Dank für die lautstarke Unterstützung des Kieler Fanblocks endete.
Schwere Auswärtspartie am Samstag in Berlin
Die Zebras kehren Mittwochnachmittag aus der Schweiz zurück und starten direkt mit der Vorbereitung auf die nächste wichtige Partie: Am Samstag wird der Deutschen Meister um Superstar Mathias Gidsel und Neu-Trainer Nikolej Krickau der verjüngten und arg dezimierten Zebraherde alles abverlangen. Anwurf in der ausverkauften Max-Schmeling-Halle ist um 18 Uhr, gut 200 Fans werden den Rekordmeister in die Hauptstadt begleiten. Für alle, die den Zebras vor dem TV die Daumen drücken möchten, überträgt der Handball-Streamingsender Dyn live. Zudem ist die Begegnung des 12. Spieltags in der DAIKIN Handball-Bundesliga auch im Free-TV zu sehen: Die ARD Sportschau zeigt das Spiel ebenfalls live. Weiter geht’s in Berlin, Kiel!
Text: Reimer Plöhn / Fotos: BSV Bern
EHF European League, 3.Spieltag: BSV Bern (SUI) – THW Kiel: 27:35 (16:18)
BSV Bern: Brändle (1 Siebenmeter, keine Parade), Seravalli (1.-60., 13/1 Paraden); Eggimann (5), Jauer, Kusio (5), Stettler (1), Wanner (9/3), Strahm (1), Nyström (1), Rohr, Arn, Kalt (1), Corluka, Allemann (2), Gantner (1), Hirt (1); Trainer: Staudenmann
THW Kiel: Nowottny (1.-60., 10/1 Paraden), Wolff (n.e.); Duvnjak (2), Reinkind (2), Överby, J. Dahmke (1), Laube (1), Ankermann (6), R. Dahmke (1), Zerbe (4/1), Rohwer (1), Szilagyi (1), á Skipagötu (9), Imre (6/4), Nacinovic (1); Trainer: Jicha
Schiedsrichter: Vanja Antic / Jelena Jakovljevic (SRB)
Zeitstrafen: BSV: 3 (Rohr (38.), Kusio (41.), Nyström (54.)) / THW: 2 (Överby (32.), Laube (43.))
Siebenmeter: BSV: 4 /3 (Nowottny hält Wanner (51.)) / THW: 6/5 (Seravalli hält Zerbe (58.))
Spielfilm: 0:2, 1:3 (5.), 4:3 (8.), 4:5, 7:8 (13.), 9:9 (16.), 12:9 (17.), 12:11, 14:11 (20.), 15:12, 15:16 (28.), 16:18;
2. Hz.: 18:18, 18:19 (34.), 20:19 (35.), 21:21 (37.), 21:24 (41.), 22:26 (43.), 24:28 (50.), 26:29 (53.), 26:35 (60.), 27:35.
Zuschauer: 2500 (ausverkauft) (Mobiliar Arena, Bern-Gümlingen)
Stimmen zum Spiel:
THW-Trainer Filip Jicha: Ich freue mich für meine Mannschaft, für meine Youngster, wie sie das heute gemacht haben, wie sie geholfen haben, wie sie sich reingelegt haben. Ich wollte viel rotieren und die Last verteilen. Denn es ist brutal, wenn du nicht nur heute ohne vier, fünf, sechs Spieler aus dem Kader agieren musst Unsere Youngster haben wirklich Verantwortung übernommen, und wir konnten das Spiel mit allen einsetzbaren Spielern genießen. Uns war klar, dass Bern, die heute zum zweiten Mal überhaupt vor ausverkaufter Halle gespielt haben, mit vollem Emotionen ins Spiel gehen wird. Die frühe zweite Auszeit habe ich genommen, weil ich das Gefühl hatte, dass wir nur mit 80 Prozent spielen. Ich habe die Jungs aufgefordert, sich richtig reinzuhauen – und das haben sie dann gemacht.
THW-Youngster Rasmus Ankermann: Wir hatten viele angeschlagene und verletzte Spieler. Dass ich dann über solch eine lange Spielzeit Verantwortung übernehmen durfte, fühlt sich großartig an und war eine Riesen-Chance für mich. Aber ich freue mich auch für Ben, Johans erstes Tor, Jesse, Leon – sie haben das alle gut gemacht und wir jungen Spieler hatten auch das Gefühl, dass wir der Mannschaft damit helfen konnten. Ein runder Abend, und wir sind froh, dass wir die nächsten Punkte in der EHF European League holen konnten.
THW-Rechtsaußen Lukas Zerbe: Die erste Hälfte lief nicht so, wie wir uns das vorgestellt hatten. Wir haben uns viele hundertprozentige Chancen herausgespielt, aber sie dann nicht verwandelt. Auch in der Abwehr hatten wir nicht den nötigen Rückzug, um Leon zu helfen. Dadurch haben wir einfache Gegentore bekommen. In der zweiten Halbzeit haben wir das dann ein bisschen besser gemacht, waren aggressiver in der Deckung, sind schneller zurückgelaufen und haben unsere Möglkichkeiten dann auch genutzt. Der älteste auf dem Feld zu sein, ist wohl ein Wandel der Zeit. Die Jungs haben das sehr, sehr gut gemacht. Und ich habe mich mega für Johan gefreut, dass er sein erstes Tor gemacht hat. Er kniet sich im Training immer voll rein.












