KN: Auf zum elften Streich?
Kiel/Hamburg. 49 Zentimeter hoch und 3,5 Kilogramm schwer ist das Objekt der Begierde: Am Wochenende kämpfen in Hamburg die Handballer des THW Kiel zum 16. Mal im Final Four um den ersten Titel der Saison - den DHB-Pokal. Im Halbfinale trifft der Rekordsieger (zehn Titel) auf die Füchse Berlin. In einem möglichen Finale wartet dann der Gewinner des Duells SC Magdeburg gegen die TSV Hannover-Burgdorf. Die Mannschaften im Überblick.
Füchse Berlin
In der Liga unter ihren Möglichkeiten, im EHF-Pokal im Soll - die Füchse Berlin sind in dieser Saison eine Wundertüte. Während sie auf europäischer Ebene sicher als Gruppensieger ins Viertelfinale einzogen, ist in der Liga der Wurm drin. Nacheinander verlor die Mannschaft von Trainer Velimir Petkovic zuletzt in Melsungen, gegen Göppingen und in Leipzig. Vor allem kämpfen die Füchse, die 2014 zum ersten Mal ins Final-Turnier um den DHB-Pokal einzogen und ihn gleich im ersten Anlauf gewannen, in dieser Spielzeit mit großem Verletzungspech. Zwischenzeitlich fielen neun Spieler gleichzeitig aus. Aktuell stehen mit Simon Ernst (Kreuzbandriss) und Marko Kopljar (Achillessehnenriss) „nur“ noch zwei Rückraumspieler auf der Liste der Langzeitverletzten. Der Kroate Stipe Mandalinic, im linken Rückraum zu Hause, feierte am vergangenen Wochenende im EHF-Pokal gegen Balatonfüredi (36:23 für die Füchse) sein Comeback nach einem Kreuzbandriss, dürfte gegen den THW Kiel aber nur zu Kurzeinsätzen kommen.
Trotz der Pechsträhne der Füchse sind die Kieler auf der Hut. „Im Pokal machen oft Mannschaften positive Schlagzeilen, die in der Liga gerade keinen so guten Lauf haben“, sagt THW-Trainer Alfred Gislason. Und auch Hendrik Pekeler warnt: "Es wäre ein Fehler, Berlin zu unterschätzen. Silvio Heinevetter kann ein Tor zumachen, Wiede ist spielstark, Paul Drux nicht zu vergessen." Und auch vor der Füchse-Deckung um Abwehr-Chef Jakov Gojun haben die Zebras Respekt. "Sie spielen eine sehr harte Abwehr, die trotzdem nicht weit rausrückt. Wir müssen es schaffen, diese Abwehr in die Breite zu ziehen", sagt Pekeler, der neben Harald Reinkind der einzige Kieler ist, der in Hamburg den Pokal verteidigen kann. Vergangenes Jahr gewannen beide ihn noch mit den Rhein-Neckar Löwen.
Paul Drux, Rückraum-Shooter der Füchse sieht den THW in der Favoritenrolle. "Gegen Kiel sind wir auf dem Papier der klare Außenseiter. Aber im Final Four sind die Spiele oft eng. Und manche Leute, von denen es keiner geglaubt hätte, wachsen auf einmal über sich hinaus. Alles ist möglich."
TSV Hannover-Burgdorf
Auch die Niedersachsen erleben in dieser Saison eine Berg- und Talfahrt. Erst standen sie im EHF-Cup schon kurz vor dem Aus in der Gruppenphase, dann spielten sie in der entscheidenden Partie die Kroaten von RK Nexe an die Wand und zogen doch noch ins Viertelfinale ein. Nur um am darauffolgenden Bundesligaspieltag zu Hause gegen Wetzlar nach phasenweise katastrophaler Leistung mit 23:25 zu verlieren. Nicht nur zwei Punkte gingen der Mannschaft von Trainer Carlos Ortega in diesem Spiel verloren. Mit Ilija Brozovic und Cristian Ugalde zogen sich auch noch zwei Recken einen Muskelfaserriss zu. Beide werden in Hamburg nicht spielen können. Ob Youngster Vincent Büchner, der sich im selben Spiel eine Knochenstauchung im Knie zuzog, einsatzfähig sein wird, ist noch unklar.
Angesichts der Personallage sehen die Hannoveraner sich bei ihrer zweiten Final-Four-Teilnahme als Außenseiter. "Aber wir werden den Kampf annehmen und fahren nicht da hin, um Magdeburg ins Finale zu geleiten", sagt Sven-Sören Christophersen, Sportlicher Leiter bei den Recken. Gegen den SC Magdeburg setzen die Hannoveraner auf den Überraschungseffekt. Am vergangenen Montag kündigten sie an, in Hamburg in rosafarbenen Trikots anzutreten. Die Farbe solle beim Gegner Desinteresse auslösen, erklärte Christophersen und bezog sich auf die Erkenntnisse australischer Wissenschaftler. Ihnen zufolge sollen rosafarbene Neoprenanzüge Wassersportler vor Hai-Angriffen schützen. Diesen Effekt wollen sich auch die Recken zunutze machen - auch wenn die Ankündigung der Recken mit Blick auf das Veröffentlichungsdatum (1. April) wohl mit Vorsicht zu genießen ist. Ob die Hannoveraner wirklich in Rosa auflaufen, oder ob das ein Aprilscherz war - dieses Geheimnis wurde gestern noch nicht gelüftet. Durchaus ernst dürfte Christophersen es aber meinen, wenn er sagt, dass Carlos Ortega sich für das Team um Mittelmann Morten Olsen und Rückraum-Linkshänder Kai Häfner "einige taktische Kniffe" überlegen wird.
SC Magdeburg
Erst wirbelte die Mannschaft von Trainer Bennet Wiegert scheinbar unaufhaltsam durch die Liga, dann stotterte der Motor des flinken Angriffs ein wenig. Zuletzt aber stoppte der SCM die ein Jahr währende Siegesserie von Tabellenführer SG Flensburg-Handewitt in der Liga. Damit kehrten die Magdeburger, die Flensburg auch im Pokal-Achtelfinale besiegten, auf Platz drei der Bundesliga zurück.
Auch wenn der Magdeburger Rückraum im Vergleich zu anderen Mannschaften nicht ganz so hoch gewachsen ist, stellt er neben der robusten Abwehr das Prunkstück der Sachsen-Anhaltiner dar: Mittelmann Marko Bezjak hat immer wieder einen Geistesblitz, mit dem er den Gegner überraschen kann. Christian O'Sullivan dirigiert gekonnt das SCM-typische Tempospiel. Auch Linkshänder Albin Lagergren spielt mit gutem Auge für seine Mitspieler. Dazu kommt die Allzweckwaffe Michael Damgaard.
Der frühere Magdeburger Profi und durch seinen Ex-Klub beim Final Four zum Zuschauen verdammte Flensburger Trainer Maik Machulla legt sich fest. "Der SCM ist im Halbfinale der klare Favorit und für mich auch der erste Anwärter auf den Titel", sagt er. Für das Halbfinale gegen Hannover pflichtet THW-Trainer Alfred Gislason ihm bei. "Da sehe ich Magdeburg als kleinen Favoriten." Sollte es zu einem Finale zwischen THW Kiel und SCM kommen, spielen die beiden Bundesliga-Niederlagen des THW gegen das Wiegert-Team nach Aussage der Kieler aber keine Rolle. "Wirklich nicht", sagt Co-Trainer Filip Jicha, der selbst fünfmal mit dem THW den Pokal gewann. "Liga und Pokal - das sind völlig unterschiedliche Wettbewerbe."
(Von Merle Schaack, aus den Kieler Nachrichten vom 05.04.2019, Foto: Sascha Klahn)