KN: Aus der Hand gegeben
Kiel. Der Weg für den THW Kiel ins Halbfinale der Handball-Champions-League ist ein steiniger. Am Sonntagabend unterlagen die Zebras im Viertelfinal-Hinspiel Vardar Skopje mit 28:29 (12:14, siehe THW-Spielbericht) und gaben dabei eine gute Ausgangsposition für das Rückspiel am kommenden Sonntag (17 Uhr) in den letzten zehn Spielminuten aus der Hand, stehen nun vor dem Aus in der Königsklasse. "In Skopje wird es jetzt noch härter, Vardar hat in dieser Saison noch nicht ein Spiel zu Hause verloren", sagte THW-Trainer Alfred Gislason nach dem Schlusspfiff.
THW Kiel gegen Vardar Skopje mit 28:29
Am Sonntag ist zuerst einmal der Weg für viele Fans in die Halle ein steiniger: Aus unerfindlichen Gründen bleiben die Tore des Parkhauses der Sparkassen-Arena geschlossen, da bricht zumindest phasenweise ein (kleines) Verkehrschaos aus. Einige Stunden später bestimmen andere Dinge die Gespräche der Zebra-Anhänger. Zum Beispiel die letzten Sekunden der Partie. Noch sind es 26, Niklas Landin hat das Tor verlassen, es steht 28:28, und ein Sieg gegen den amtierenden Champion Europas würde wenigstens einen Schub für das Kieler Selbstbewusstsein bedeuten. Dann verliert Lukas Nilsson den Ball, Jorge Maqueda trifft das verwaiste THW-Gehäuse. Jubeltraube gibt es anschließend nur in Schwarz und Rot.
So hört die Begegnung auf wie sie angefangen hatte. Mit einem Kieler Fehler. Schon in den ersten 90 Sekunden scheitern Marko Vujin und Steffen Weinhold an Vardar-Torwartlegende Arpad Sterbik. Christian Dissinger auf Halblinks findet überhaupt nicht ins Spiel, wird nach zehn Minuten durch Nikola Bilyk ersetzt. Defensiv steht die 3:2:1-Deckung mit Domagoj Duvnjak nicht so bombensicher wie noch am Donnerstag gegen die Füchse Berlin (25:20). Vardar findet immer wieder einen Weg, die Kieler zu hinterlaufen. Sechs Tore über den Kreis in Halbzeit eins dokumentieren das. Im Angriff bekommt der quirlige Spielmacher Miha Zarabec gegen die starke mazedonische Abwehr zusehends Probleme. Skopjes 5:1-Formation mit Joan Cañellas oder Timur Dibirov in vorgezogener Position ist Weltklasse. Doch die Kieler machen sich mit fragwürdigen Entscheidungen selbst das Leben schwer: Harakiri-Diagonalpässe nach Außen oder Pässe hinter dem Rücken landen beim Gegner oder im Aus, Alfred Gislason hadert später mit fünf technischen Fehlern, mit denen der THW Gegenstöße verkorkst, und drei Fehlern aus dem gebundenen Spiel.
Der Isländer stellt auf eine 6:0-Deckung um, stabilisiert so das Geschehen. Stoilov reißt Steffen Weinhold rotwürdig zu Boden (17.), Patrick Wiencek gleicht aus (8:8/18.), peitscht die in Weiß gekleideten Kieler Fans an, erst Weinhold, dann Duvnjak übernehmen das Zepter in der Rückraum-Mitte. Mühsam nährt sich das Eichhörnchen. Beim 21:20 durch Marko Vujin (45.) geht der THW zum ersten Mal überhaupt in Führung, lassen die rund 150 mitgereisten Mazedonier verstummen.
Jetzt klappt es auch mit den Gegenstößen - wieder Vujin zum 23:20 (47.). Doch weiter als mit Lukas Nilssons Schlagwurf zum 24:21 (50.) kann sich der Königsklassen-Gewinner von 2007, 2010 und 2012 nicht absetzen. "Da hat der THW die Chance, uns zu brechen, aber wir bleiben im Spiel", sagt der Ex-Kieler Cañellas später. Sympathiepunkte sammelt seine Mannschaft nicht. Eine Cristiano-Ronaldo-Pose nach einem geschundenen Siebenmeter lässt beim ehemaligen Kieler Rogerio Ferreira Empathie und allerhand mehr vermissen (50.). Der Brasilianer bekommt dafür prompt eine Rüge von Niklas Landin, doch Skopje ist wieder dran. Ruhig bleiben! Klappt nicht. Kiel lebt von Einzelaktionen - Nilsson, Nilsson, Zarabec, Zarabec, immerhin noch 27:25 (55.). Sebastian Firnhaber per Tempogegenstoß im Fallen - 28:26 (58.). Ein Zwei-Tore-Polster in Skopje wäre besser als nichts. Der Rest sind unglückliche Aktionen, zweifelhafte Schiedsrichter-Entscheidungen (Schrittfehler Skopje) und der letzte Ballverlust von Lukas Nilsson. Der Weg nach Köln ist ein steiniger, auch wenn Domagoj Duvnjak glaubt: "Es wird dort so oder so schwer - ob wir nun mit fünf gewonnen oder mit einem Tor verloren haben."
(Von Tamo Schwarz und Niklas Schomburg, aus den Kieler Nachrichten vom 23.04.2018, Foto: Sascha Klahn)