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KN: Die Pistole auf der Brust

Champions League

KN: Die Pistole auf der Brust

Kiel/Wien. Die Europäische Handballföderation (EHF) hat im Terminstreit um das Achtelfinal-Hinspiel in der Champions League nicht mehr eingelenkt: Der Kontinentalverband zwingt den dreimaligen Königsklassen-Champion THW Kiel damit, das Heimrecht mit dem ungarischen Kontrahenten Pick Szeged zu tauschen. Das Hinspiel wird nun am Mittwoch, 21. März (19 Uhr), in der Kieler Sparkassen-Arena ausgetragen. Der geplante Osterspaß in Form des Rückspiels wird nun in Szeged am Ostersonntag (1. April, 17 Uhr) angepfiffen.

Zebras werden von der EHF zum Heimrechts-Tausch gezwungen

Bei den Zebras wurde die Entscheidung mit Entsetzen aufgenommen: "Dieser Heimrecht-Tausch führt die sportliche Wertigkeit der gesamten Gruppenphase ad absurdum und wird dem Einsatz unserer Mannschaft für das Heimrecht im Rückspiel in keinster Weise gerecht", sagte ein "tief enttäuschter" Sportlicher Leiter des THW Kiel, Viktor Szilagyi. Der seit Jahren schwelende Konflikt zwischen der HBL (Handball-Bundesliga, d. Red.) und der EHF werde, so Szilagyi, auf dem Rücken der Vereine und Spieler ausgetragen.

Über die Terminierung des Hinspiels war Streit entbrannt: Die EHF hatte zwar den 21. bis 25. März als möglichen Zeitraum vorgegeben, ist jedoch aufgrund bestehender TV-Verträge in Ungarn an das Wochenende gebunden. Als einzig möglichen Termin hatte sie vor wenigen Tagen den Vereinen den 24. März vorgegeben. Doch an diesem Tag tragen der THW und die Rhein-Neckar Löwen das Bundesliga-Spitzenspiel aus, das live in der ARD übertragen wird.

Zwei Tage andauernde Gespräche führten ins Leere, alle Kompromissvorschläge des THW wurden von der EHF abgelehnt. "Wir haben der EHF und Pick Szeged eine ganze Reihe an Vorschlägen unterbreitet, wie man im Sinne des Handballs eine Lösung finden kann. Wir waren sogar bereit, uns auf zwei Spiele innerhalb von 24 Stunden einzulassen", sagte Szilagyi. Charterflüge waren bereits angefragt, das Team von Trainer Alfred Gislason ("Wir hätten lieber zwei Spiele an zwei Tagen bestritten, aber jetzt müssen wir damit leben") wäre bereit gewesen, am Sonnabend gegen die Löwen zu spielen und im direkten Anschluss nach Ungarn zu fliegen. Doch am Ende setzte die EHF den Zebras die Pistole auf die Brust und erzwang den Heimrecht-Tausch. Szilagyi: "Diese Eskalation hätten nur die HBL und EHF frühzeitig verhindern können. So haben wir Vereine unendlich viel Zeit in eine Lösung investiert und mussten feststellen, dass wir von Anfang an mit unseren Ideen bei den Verbänden auf taube Ohren gestoßen sind."

"Aus Verantwortung für den deutschen Handball" (Szilagyi) habe der THW dem Tausch frustriert zugestimmt, bestreitet das Hinspiel nun am 21. März in eigener Halle. "Besonders leid tut es mir für unsere Mannschaft, die in 14 Spielen alles gegeben hat, um sich für die K.o.-Runde eine gute Ausgangsposition zu erarbeiten. Und für unsere Fans, die sich auf das entscheidende Spiel an einem Wochenende in Kiel gefreut hatten. Der Heimrecht-Tausch ist deshalb nicht nur ein sportlicher, sondern auch ein emotionaler und wirtschaftlicher Schlag", so Szilagyi.

"Ich kann das nicht verstehen. Die Jungs haben so hart in Paris gekämpft und hatten das Rückspiel in Kiel verdient", sagte Kapitän Domagoj enttäuscht. "Für uns ist es sehr schade, denn das Heimrecht im Rückspiel ist ein großer Vorteil", ergänzte Gislason. THW-Torwart Niklas Landin legte den Finger in die Wunde: "Das ist ein Riesen-Nachteil, aber wir werden trotzdem zwei gute Spiele abliefern. Meiner Meinung nach müssen EHF und HBL besser miteinander kommunizieren."

Doch zwischen den Verbänden ist das Tischtuch zerschnitten. Die EHF wirft der HBL vor, bei der Entscheidung über das TV-Spiel in der ARD und auch beim Etablieren der festen Bundesliga-Anwurfzeiten am Donnerstag und Sonntag nicht einbezogen worden zu sein. "Diese Pläne haben sich von Anfang an gegen die Champions-League-Spiele gerichtet. Dies kann nicht als Zufall gesehen werden", hieß es in einem EHF-Schreiben. Im konkreten Fall habe man sehenden Auges die Terminkollision in Kauf genommen.

"Natürlich war allen klar, dass das Spiel des THW gegen die Löwen terminlich mit dem Achtelfinale in der Champions League kollidiert. Aber die ARD hat uns eben nur insgesamt zwei, drei Termine für Livespiele am Sonnabend angeboten. Wir haben die Vereine gefragt, und beide wollten spielen, haben dem Termin zugestimmt", sagte HBL-Präsident Uwe Schwenker am Donnerstag im Gespräch mit unserer Zeitung. Schwenker unterstrich die hohe Bedeutung der Liveübertragung zur "Sportschau"-Zeit, bei der zwei bis drei Millionen Fernsehzuschauer erwartet werden. "Ich hoffe, dass die EHF jetzt zur Einsicht kommt, dass ein Miteinander so nicht funktioniert. Es müssen endlich - wie im Fußball - feste Spieltermine für die Champions League her. Am besten schon für die nächste Saison. Jetzt ist der Schaden für alle groß", sagte Schwenker.

Auch HBL-Geschäftsführer Frank Bohmann zeigte sich "sehr unzufrieden": "Richtig ist, dass der Rahmenplan der EHF zwei Jahre im Voraus feststand. Aber einerseits wird ein Zeitraum von Mittwoch bis Sonntag angegeben, aber es wird immer erst sehr kurzfristig angesetzt. So können wir nicht arbeiten. Wir kannten das Risiko bei der Ansetzung der ARD-Spiele, aber alle Vereine haben gesagt, dass wir das trotzdem machen müssen. Seit 15 Jahren fordern wir feste Spieltage."

Genau diese festen Termine sollen nun sukzessive eingeführt werden. Wie aus einem EHF-Schreiben, das unserer Zeitung vorliegt, hervorgeht, sollen beispielsweise alle deutschen Vertreter in der Champions League schon ab der kommenden Saison ihre Gruppenspiele in eigener Halle am Mittwoch austragen.

Derweil haben die Rhein-Neckar Löwen. die mit den Parallel-Ansetzungen das gleiche Problem wie die Zebras haben, den Tausch des Heimrechts im Achtelfinale gegen Vive Kielce verweigert und sind somit auf offenen Konfrontationskurs zur EHF gegangen. "Unsere Mannschaft hat sich die sportliche Ausgangssituation vor dem Achtelfinale in 14 Gruppenspielen hart erkämpft. Wir werden nicht auf unser Heimrecht im Rückspiel verzichten", sagte Löwen-Geschäftsführerin Jennifer Kettemann. Die Mannheimer müssen nun am 24. März zwei Partien innerhalb von gut zwei Stunden bestreiten: In der Königsklasse um 16 Uhr das Achtelfinal-Hinspiel in Polen, in der Bundesliga um 18.10 Uhr das Topspiel beim THW Kiel. "Uns bleibt nach dieser Ansetzung nichts anderes übrig, als unsere zweite Mannschaft (Dritte Liga, d. Red.) nach Polen zu schicken", kündigte Kettemann an. Ein Ende des Streits ist nicht abzusehen. "Das Risiko bleibt in den nächsten zwei Jahren bestehen", sagte HBL-Geschäftsführer Bohmann. "Man muss damit rechnen, dass es erneut zu Terminkollisionen kommen kann."

(Von Tamo Schwarz, aus den Kieler Nachrichten vom 09.03.2018, Foto: Archiv / Sascha Klahn)