KN: Allen Verletzungen zum Trotz: Plötzlich Platz drei
Kiel. Alfred Gislason, Trainer des THW Kiel, zögerte nach dem 22:20 am Mittwochabend in der Handball-Champions-League gegen Telekom Veszprém (siehe Spielbericht) keine Sekunde: "Platz drei ist unser Ziel." Das erste Spiel nach der Europameisterschafts-Pause hat endgültig einen Wendepunkt im Zebra-Kosmos dieser Saison zementiert: Man orientiert sich selbstbewusst wieder nach oben.
Die Zebras machen da weiter, wo sie im Dezember aufgehört haben
Der Rekordmeister macht also da mit dem Höhenflug in Bundesliga und Königsklasse weiter, wo er im Dezember aufgehört hatte. Mit Leidenschaft, Körpersprache, Selbstvertrauen wurde die ungarische Millionen-Truppe in ihre pomadigen Grenzen gewiesen. Dem Team von Ljubomir Vranjes, gerade erst krachend mit Ungarn bei der EM gescheitert, gelangen in einer Abwehrschlacht für taktische Handballfeinschmecker gerade mal 20 Tore. Dass auch der THW offensiv Schwächen zeigte - geschenkt.
Im Mittelpunkt der gislasonschen Lobhudelei nach dem Jahresauftaktsieg stand einer, den sie "Flamme" nennen, Sebastian Firnhaber. Im Schatten der Weltklasse eines Patrick Wiencek (keine Spur von EM-Frust) bestand der 23-Jährige "Azubi" (Gislason) seinen 60-minütigen Spitzenspiel-Stresstest. "Für Flamme war das, glaube ich, die ultimative Feuertaufe, gegen Veszprém von Anfang an im Mittelblock ran zu müssen. Er hat es großartig gemacht", schwärmte Linksaußen Rune Dahmke. "Dass er die Fähigkeiten dazu hat, wissen wir alle – wir müssen jetzt nur sehen, da noch mehr Konstanz reinzubekommen", ergänzte Steffen Weinhold. Firnhaber sei eben, so sein Trainer, ein „intelligenter Typ“. Und der konnte breit grinsend die Früchte der Arbeit der vergangenen Wochen ernten. "Das war ein perfekter Start in das Jahr. Was wir heute in der Abwehr gemacht haben, war richtig stark. Beide Torhüter waren sehr gut, das hat alles gut funktioniert. Aber es war auch ein hartes Stück Arbeit, ein richtiger Fight. Es war wichtig, dass wir genau mit der Einstellung ins Spiel gegangen sind, die wir heute gezeigt haben, das war der Schlüssel zum Sieg. Diejenigen, die in Kiel waren, haben richtig hart gearbeitet. Als die EM-Fahrer dann wieder da waren, sind wir gleich in die taktische Arbeit eingestiegen und haben einiges getan", sagte Firnhaber.
Ohne Kapitän Domagoj Duvnjak (Muskelfaserriss Wade), Christian Dissinger (Kniestauchung) und René Toft Hansen (Adduktoren) konnte der Bundesliga-Fünfte an den starken Jahresendspurt mit den Aufsehen erregenden Derbysiegen gegen die SG Flensburg-Handewitt anknüpfen, den achten Sieg in Folge feiern, ein Signal an die Konkurrenz senden. In der Königsklasse könnte in der aktuellen Spieltags-Konstellation schon am Sonntag der Einzug ins Achtelfinale perfekt sein. Doch die Message am Mittwoch lautete vielmehr: Plötzlich Platz drei! Denn die Kieler sind mit nun 13 Punkten und aufgrund des gewonnenen direkten Vergleiches gegen Hinspielsieger (26:24) Veszprém an den Ungarn vorbeigezogen. Plötzlich Platz drei vor Augen, plötzlich Platz drei als realistisches Ziel angesichts der kommenden Aufgaben in Aalborg und zu Hause gegen KS Vive Kielce - künftiger Arbeitgeber von THW-Keeper Andreas Wolff. Ein attraktives Ziel: Im Achtelfinale würde der THW als Dritter der Gruppe B auf den Sechsten der Gruppe A (derzeit IFK Kristianstad) treffen, hätte im Rückspiel Heimrecht, würde im Viertelfinale den Gruppensiegern (nach derzeitigem Stand Paris SG und Titelverteidiger Vardar Skopje) aus dem Weg gehen. "Wir wollen auf jeden Fall Platz drei in der Champions League, und dann sehen wir weiter", sagt Rune Dahmke. Februar 2018, man orientiert sich selbstbewusst wieder nach oben.
(Von Tamo Schwarz, aus den Kieler Nachrichten vom 09.02.2018, Foto: Sascha Klahn)