KN: Nebengeräusche vor dem Derby: 90-mal berührt
Zebras treffen am Sonntag wieder auf die SG
Die Derbyfieberkurve steigt in den Tagen vor jedem dieser Duelle steil an. Das sagen die Spieler. Das sagt THW-Trainer Alfred Gislason: "Alle sind im Training noch ein bisschen konzentrierter als sonst." Der Adrenalinpegel steigt offenbar beim Gedanken an "Kiel gegen Flensburg" (oder umgekehrt) nicht nur bei den Spielern. So ließ sich der SG-Wirtschaftsbeiratsvorsitzende Boy Meesenburg schon vor der Saison zu einer verbalen Entgleisung hinreißen. Jetzt gebe es wieder, sagte Meesenburg damals, einen Grund, "den THW zu hassen". Er spielte damit auf die Rückkehr von Christian Zeitz an die Förde und eine Szene aus den legendären Champions-League-Finalspielen 2007 an. Zeitz, der am Freitag seinen 36. Geburtstag feierte, hatte unabsichtlich SG-Keeper Jan Holpert mit einem Kopftreffer ausgeknockt, es gab tumultartige Szenen, nach wenigen Sekunden wollte Holpert Zeitz mit den Worten "Ich bringe Dich um" an die Gurgel. Das Hinspiel endete 28:28, im Rückspiel machten die Zebras ihren ersten Königsklassen-Triumph perfekt. THW-Geschäftsführer Thorsten Storm findet Meesenburgs "Hasspredigt" nicht sonderlich witzig. "Dieses Wort hat im Sport nichts zu suchen, und auch durch sein Amt hat Meesenburg eine Verantwortung", sagt der 52-Jährige. Meesenburg habe sich vor dem Match in Kiel am vergangenen Sonntag entschuldigt, hatte zuvor in einem Interview mit dem Magazin "Handball Inside" für den November allerdings selbstbewusst zwei knappe Siege in Kiel und ein 30:20 am kommenden Mittwoch prognostiziert. "Tippen kann er nicht so gut", entgegnete Storm nach dem 24:23-Sieg in der Bundesliga. Deutliche Worte fand auch Alfred Gislason: "Wir haben es nicht nötig, Sprüche zu klopfen. Wir respektieren, was Flensburg macht, und brauchen das nicht. Solche Sätze sagen viel aus über den, der sie sagt." Auf dem Feld regierte abseits dieser Nebengeräusche am Sonntag Härte statt Hass. "Es wird echt eng und schön hart werden gegen Flensburg, aber ich freue mich darauf", sagte THW-Youngster Lukas Nilsson, der am Mittwoch 20 Jahre alt wurde. 400 Fans werden ihre SG am Sonntag in der Sparkassen-Arena anfeuern, auf einen besseren Ausgang als zuletzt hoffen. Ex-Zebra und SG-Rückraumspieler Rasmus Lauge haderte nach der 89. Auflage des "vielleicht besten Derbys in ganz Europa" (SG-Geschäftsführer Dierk Schmäschke) mit den verpassten Chancen bei der ersten Bundesliga-Saisonniederlage der SG: "Wir waren im Prinzip die bessere Mannschaft, haben das Spiel aber letztendlich selbst entschieden und den Kielern den Sieg geschenkt. Das wollen wir am kommenden Sonntag unbedingt verhindern. Im Sechs-gegen-sechs sind wir besser als die Kieler." Beide Mannschaften werden ein anderes Gesicht zeigen als zuletzt. Rotation ist Trumpf. "Natürlich wollen wir zwei Punkte, aber so ein Derby eignet sich auch hervorragend für die Weiterentwicklung der Spieler", sagte SG-Coach Ljubomir Vranjes am Freitag. "Wir wollen unbedingt nach Köln, die Entscheidung dafür fällt aber nicht im November, sondern erst im Frühjahr." Alfred Gislason, der am Mittwoch in Coburg seinen 250. Bundesliga-Sieg im 284. Spiel feierte (25 Niederlagen, neun Unentschieden), will die Last "auf viele Schultern verteilen". Fehlen wird allerdings weiterhin Ilija Brozovic (fieberhafter Infekt), ein Einsatz von Nikola Bilyk (Bänderüberdehnung Sprunggelenk) werde sich in Absprache mit der medizinischen Abteilung erst am Sonntag entscheiden. 90 Kilometer zwischen Kiel und Flensburg, das 90. Nordderby: Vielleicht wird wieder das letzte Quäntchen Glück entscheiden. "Vor und nach dem Spiel verstehen wir uns gut mit den Flensburgern. Auf dem Spielfeld zählt nur der Sieg", so THW-Kapitän Domagoj Duvnjak. "Aber Hass wird keine Rolle spielen." (Von Tamo Schwarz, aus den Kieler Nachrichten vom 19.11.2016, Foto: Sascha Klahn)