KN: Der THW zwischen Hin- und Rückspiel gegen Pick Szeged
"Vier Tore bedeuten nichts"
In der sonnenreichsten Stadt Ungarns gingen am Sonntag in den Schlussminuten die Kieler Lichter aus. Danach: Enttäuschung. Begleitet vom Mief der Kohleheizungen aus der benachbarten Plattenbausiedlung machte sich der geschlagene THW-Tross auf in die Nacht, blieb zunächst in der Salami-Metropole und kam im Restaurant "Göry" am Rande der schönen Altstadt bei traditioneller ungarischer Küche und großen Portionen wieder zu Kräften. Nach einer Nacht im Airport Hotel "Stacio" in Budapest ging es am Montag schließlich via Frankfurt und Hamburg zurück nach Kiel. Der Rest des Tages war trainingsfrei, heute gilt schon alle Aufmerksamkeit dem Video-Studium und der handwerklichen Vorbereitung mit dem Ball auf das Rückspiel im Achtelfinale der Königsklasse. Vier Tage, zwei Endspiele - die ungarische Seite übte sich am Sonntagabend in Understatement. "Vier Tore sind im Handball nichts", sagte der spanische Keeper Jose Manuel Sierra, um Bescheidenheit bemüht. THW-Linkshänder Marko Vujin verschaffte fast wortgleich seinem Optimismus Ausdruck, die Vorzeichen am Mittwoch in Kiel umkehren zu können: "Vier Tore bedeuten im modernen Handball praktisch nichts." Der Serbe mit schillernder ungarischer Vergangenheit kam erst in der zweiten Halbzeit so richtig in Fahrt, angeheizt von der Feindschaft, die ihm in Szeged entgegenschlug. Auch der starke Joan Cañellas ("Wir waren nicht aggressiv genug, aber in Kiel wird alles anders") oder Comeback-Europameister Christian Dissinger ("Vier Tore müssen die in Kiel erst einmal halten") stimmten in das kampfeslustige Konzert mit ein. THW-Trainer Alfred Gislason schlug da schon moderatere Töne an. Ja, die Chance, die nächste Runde zu erreichen, sei da. Aber man müsse im Rückspiel einfach besser spielen. Viel besser sogar. Der Isländer haderte in den Katakomben der Szegediner Arena insbesondere mit der Defensive. Die zeigte besonders gegen die Pick-Linkshänder Gabor Ancsin (6 Tore) und Zsolt Balogh (4 Tore) Schwächen, entblößte Freiräume für Kreisläufer Vladimir Vranjes (5 Tore). Nach einer Viertelstunde sollte Erlend Mamelund das Gefüge stabilisieren. Schnell fielen zwei Tore für Szeged im Wirkungskreis des Norwegers, Gislason machte den Wechsel wieder rückgängig und zürnte nach dem Schlusspfiff: "Erlend ist seit der Europameisterschaft überhaupt noch nicht wieder richtig da." Also musste Cañellas fast über die gesamte Spielzeit die Abwehr zusammenhalten, ging an seine konditionellen Grenzen. Kurios: In der 29. Minute signalisierte Domagoj Duvnjak seinem Coach wild gestikulierend, dass Cañellas eine Pause brauche. Gislason: "Hätte Joan nicht so viel Abwehr spielen müssen, wäre das nicht passiert." Neben dem Spanier stellte Christian Dissinger seinen Wert wieder unter Beweis, hatte einige unglückliche Szenen mit Stürmerfouls und schlechten Wurfentscheidungen, fand aber ins Spiel - besonders im Mittelblock. Darauf lässt sich aufbauen, mehr aber auch nicht. "Wir müssen im Rückspiel kompakter stehen, brauchen aber auch die Stimmung in unserer Halle", sagte Gislason. "Pick Szeged ist eine erfahrene Mannschaft, die in Kiel gewinnen kann." Davor warnte auch ein enttäuschter THW-Geschäftsführer Thorsten Storm: "Unsere Mannschaft hat nicht wie nach einer Woche Pause gespielt. Jetzt wird es auch auf unsere Fans ankommen. Eine Atmosphäre wie in Szeged würde die Jungs zum Sieg pushen." (Von Tamo Schwarz, aus den Kieler Nachrichten vom 22.03.2016, Foto: Archiv/Sascha Klahn)