
Handballparty gegen den Titelverteidiger aus Magdeburg: Was für ein Kieler Neustart!
Was für ein Neustart nach der WM-Pause, was für eine Handballparty am Samstagabend in der Kieler Wunderino-Arena: Gestützt auf eine großartige Abwehr spielte sich der THW Kiel in der ersten Halbzeit gegen den SC Magdeburg geradezu in einen Rausch, traf wie er wollte und legte die Grundlage für den hochverdienten 31:25 (20:11)-Triumph über den amtierenden Meister. Die erneut ersatzgeschwächt angetretenen Zebras wurden bei ihrer Handball-Gala über den Titelverteidiger aus Sachsen-Anhalt 60 Minuten von ihren begeisterten Fans getragen und hielten sich mit dem Sieg alle Möglichkeiten im Kampf um die Champions-League-Qualifikation offen. Beste Torschützen beim ersten Bundesliga-Heimsieg gegen Magdeburg seit sieben Jahren waren die Rechtsaußen Bence Imre und Lukas Zerbe, die jeweils fünf Treffer zum Kieler Sieg beisteuerten.
Harald Reinkind feiert Comeback
Für die Kieler war es ein rundum gelungener Abend: Vor dem Anpfiff wurden die erfolgreichen WM-Teilnehmer geehrt und bejubelt, und selbst die Halbzeitpause hielt gute Nachrichten parat. Die THW-Verantwortlichen Alisa Türck und Viktor Szilagyi sowie ORLEN Deutschland-Geschäftsführer Dennis Kulbach unterschrieben live und mit Unterstützung der Fans die Verlängerung des Vertrags des Hauptsponsors um fünf weitere Jahre bis 2030. Und mit Harald Reinkind feierte einer der Rekonvaleszenten sein Comeback nach sechsmonatiger Pause. "Ich bin unfassbar glücklich, wieder dabei zu sein", strahlte der Norweger nach Partie. "Wir haben alle von der ersten Minute an unfassbar gekämpft, intensiv in der Abwehr gewühlt und im Angriff kaum Fehler gemacht. Das hat wirklich Spaß gemacht."
Fans tragen den THW Kiel durchs Spiel
Sechs Tage nach dem WM-Finale der Neustart in die stärkste Liga der Welt - und das mit dem Duell des Rekordmeisters gegen den Titelverteidiger. Über den Termin des Krachers in der DAIKIN Handball-Bundesliga ließe sich daher trefflich streiten. Dennoch: Die 10285 Fans in der seit Wochen restlos ausverkauften Kieler Wunderino Arena erlebten in ihrem THW-Wohnzimmer einen großartigen Handball-Abend, gespickt mit viel Tempo, Kampfgeist und vielen technischen Feinheiten. Die Zebras demonstrierten gerade in den ersten 30 Minuten Handball vom Feinsten, die Fans hielt es hingegen 60 Minuten lang kaum auf ihren Sitzen. "Unglaublich, wie wir von unseren Fans durch dieses Spiel getragen wurden", schwärmte THW-Rechtsaußen Lukas Zerbe. "Das spornt enorm an, trägt dich 60 Minuten durch so ein wichtiges Spiel."
Pekeler wird aus dem Spiel genommen
Nach überstandener Verletzungspause kehrte zwar Harald Reinkind ins Team zurück, dennoch bleibt das Verletzungspech treuer Gefährte der Kieler Handballer. Kiels Trainer Filip Jicha musste auf den verletzt von der WM zurückgekehrten Kapitän und Lenker Domagoj Duvnjak verzichten. So war "Dule" wegen einer Wadenverletzung nur Zuschauer, saß neben Nikola Bilyk, der nach seiner im Dezember erlittenen Muskelverletzung im Oberschenkenkel ebenfalls noch länger fehlen wird. Und dann wurde kurz vor Anpfiff der Begegnung auch Abwehrchef Hendrik Pekeler aus der Partie genommen: Sein mit einer leichten Schiene versehene und getapte Daumen fand nicht die Zustimmung des Kampfgerichtes, das einen Einsatz Pekelers mit diesem leichten Schutz des operierten Daumens nicht zuließ. Eine weitere Schwächung der Kieler, doch auch die Gäste beklagen Verletzungspech. Sie mussten unter anderem Manuel Zehnder, Omar Ingi Magnusson und Christian O'Sullivan verzichten, dafür hatten sie zum ersten Mal in dieser Saison Felix Claar wieder dabei.
Kieler heizen früh die Arena an
Die einzige Führung der Gäste erzielte Linksaußen Musche per Siebenmeter zum 1:0, die Folge war der erste Kieler 3:0-Lauf, den Emil Madsen, Eric Johansson und Lukas Zerbe mit sehenswerten Treffern erzielten. Die Arena war früh auf Betriebstemperatur. Bis zum 5:4 in der 8. Minute hielten die Gäste Kontakt, dann erhöhten Elias Ellefsen á Skipagötu, der Domagoj Duvnjak auf der Spielmacherposition großartig vertrat und das Spiel clever lenkte, und Bence Imre per Siebenmeter auf 7:4. Der erste Drei-Tore-Vorsprung war unter Dach und Fach, Sicherheit kehrte ins Kieler Spiel ein. Die Abwehr um die energiegeladenen Patrick Wiencek und Petter Överby im Mittelblock warfen sich den Angriffsaktionen der Gäste entgegen, sorgten für schnelle Ballgewinne und eine hohe Fehlerquote in den Magdeburger Reihen. Gut für die Zebras, dass auch Torhüter Andreas Wolff schnell zum starken Rückhalt avancierte, schon in der ersten Halbzeit acht schwere Bälle aufhielt.
THW mit Tempo und spielerischer Leichtigkeit
Die schwarz-weißen Ballgewinne wurden im eigenen Angriff mit Tempo und spielerischer Leichtigkeit schnell in Zählbares umgewandelt. Aus dem 9:7 in der 14. Minute zauberten die Zebras das 14:7 nach 22 Minuten, acht Minuten blieb Magdeburg ohne eigenes Tor. Riesen-Jubel brandete auf, als Harald Reinkind nach 18 Minuten erstmals aufs Parkett sprintete. Zum Orkan geriet der Jubel in der 21. Minute, als der Norweger seine Rückkehr sehenswert mit dem Treffer zum 14:7 veredelte. Die Wunderino Arena feierte, die Zebras spielten Katz' und Maus mit ihrem Gegner. 17:9 stand es nach 24 Minuten, Wiencek traf zum 18:11 nach tollem Johansson-Anspiel. Nochmals Wiencek und Zerbe per Tempogegenstoß machten dann die 20:11-Halbzeitführung perfekt. Jubelstürme begleiteten die Kieler in die Halbzeit.
Zebras lassen nichts mehr anbrennen
Und die zweiten 30 Minuten? Die Gäste starteten mit dem Mute der Verzweiflung, die sich jetzt mit Macht gegen eine Blamage wehrten. Lagergren und Musche verkürzten auf 14:20, ehe Johansson den THW-Express mit einem 122 km/h schnellen Rückraumkracher wieder ins Rollen brachte. Wiencek und Madsen trafen bis zur 40. Minute zum 23:15. Ab diesem Zeitpunkt war Wiencek zum Alleinunterhalter am Kreis geworden, weil Överby eine harte rote Karte nach Videobeweis kassierte. Aber der Kieler Kapitän hielt nicht nur seine Abwehr zusammen, sondern traf auch vorne und ließ mit seinen Mannschaftskameraden erst gar keine Zweifel aufkommen. Als dann Rune Dahmke seine Farben mit einem Traumtor aus dem Null-Winkel in der 50. Minute auf 27:18 nach vorne warf, den Neun-Tore-Vorsprung wieder herstellte, war die Handball-Party auf den Rängen und dem Feld wieder komplett in Schwarz und Weiß.
Weiter geht’s in der EHF European League
Die Zebras haben bereits das nächste Top-Spiel vor der Brust, starten sie doch am Dienstag in die Hauptrunde der EHF European League. In dieser geht es für die Kieler um den direkten Viertelfinal-Einzug, aber ihnen stellen sich zwei dicke Brocken in den Weg: Der portugiesische Top-Club FC Porto um WM-Allstar Victor Iturriza und der Tabellenführer der DAIKIN HBL, die MT Melsungen. Und gleich der Hauptrunden-Auftakt hat es in sich, geht es für die Kieler doch zum Start direkt zur zu Hause noch ungeschlagenen MT Melsungen. Anwurf ist um 20:45 Uhr, DAZN und Dyn übertragen live. Das nächste Heimspiel ist dann am Dienstag, 18. Februar, der internationale Kracher gegen Porto (Tickets). Weiter geht’s in Melsungen, Kiel!
Text: Reimer Plöhn / Fotos: Sascha Klahn
DAIKIN Handball-Bundesliga, 18. Spieltag: THW Kiel – SC Magdeburg: 31:25 (20:11)
THW Kiel: Mrkva (4 Siebenmeter, 1/1 Parade), Wolff (1.-60., 12 Paraden); Reinkind (2), Landin, Överby, Wiencek (4), Johansson (4), Dahmke (3), Zerbe (5), Kutz, Madsen (4), Pekeler (n.e.), á Skipagötu (4), Imre (5/5); Trainer: Jicha
SC Magdeburg: Hernandez (1.-6., 20.-30., 3 Paraden), Portner (6.-30., 31.-60., 6/1 Paraden); Persson, Döbbel, Musche (10/5), Claar (1), Zechel, Kristjansson (2), Pettersson, Serradilla, Hornke (3/1), Lagergren (6), Weber, Mertens, Saugstrup (3), Damgaard; Trainer: Wiegert
Schiedsrichter: Marcus Hurst / Mirko Krag
Zeitstrafen: THW: 4 (Landin (14.), Överby (33.), Johansson (43.), Madsen (52.)) / SCM: 3 (Saugstrup (3.), Weber (10.), Musche (43.))
Rote Karte: Överby (grobes Foulspiel ( 39.))
Siebenmeter: THW: 6/5 (Portner hält Imre (8.)) / SCM: 7/6 (Mrkva hält Musche (56.))
Spielfilm: 0:1, 3:1 (4.), 5:4 (8.), 7:4 (10.), 9:7 (14.), 14:7 (21.), 15:9, 17:9, 17:11 (28.), 20:11;
2. Hz: 20:14 (36.), 21:15, 23:15 (40.), 25:16 (43.), 26:18 (48.), 28:22 (52.), 30:23 (56.), 31:25.
Zuschauer: 10285 (ausverkauft) (Wunderino Arena, Kiel)
Stimmen zum Spiel:
THW-Trainer Filip Jicha: Es war ein ereignisreicher Tag. Erst fehlen uns Dule und Niko, und dann wird kurz vor Anpfiff vom Delegierten entschieden, dass Hendrik Pekeler nicht spielen darf… Was dann in der ersten Halbzeit passiert, macht mich als Trainer sehr stolz. Wir haben aus 24 Angriffen 20 Tore erzielt, und das sehr geduldig und in einer Form, die ich nach nur zwei Trainingseinheiten nicht erwartet hätte. Und das alles mit drei sehr jungen Rückraumspielern. Elias hat das Spiel gut geleitet, und auch in der Abwehr im Zusammenspiel mit Andreas Wolff haben wir alles umgesetzt, was wir uns vorgenommen hatten. In die zweite Halbzeit sind wir dann mit 0:3 gestartet, hatten weniger Möglichkeiten als in der ersten Hälfte. Nach Petters roter Karte war von drei vorgesehenen Kreisläufern nur noch einer übrig. Deshalb ein Lob an Patrick für seine Bereitschaft und diese Leistung. Er ist eine Vereinslegende, und das hat er heute unter Beweis gestellt. Und er war ja der einzige gesunde Spieler, der im Januar bei uns Handball trainieren konnte. Deshalb freut mich dieser Abend für Patrick. Es war ein toller Erfolg gegen den amtierenden Meister, und meine Jungs sollen den Moment genießen. Ich freue mich über den Auftaktsieg 2025, morgen um 14 Uhr ist Training – es geht weiter. Ein Wort möchte ich noch an unseren Hauptsponsor richten: Ich möchte mich bei ORLEN Deutschland bedanken, dass sie weiter gemeinsam mit uns unseren Weg gehen. Das ist in dieser Zeit nicht selbstverständlich, herzlichen Dank dafür.
SCM-Trainer Bennet Wiegert: Glückwunsch an den THW Kiel zu diesem überzeugenden und verdienten Sieg in allen Belangen. Unsere Enttäuschung ist riesengroß, wir konnten zu wenig von dem umsetzen, was wir uns vorgenommen hatten. Bis zum 7:9 haben wir die Begegnung offengehalten, und ich hatte das Gefühl, dass das Momentum in dieser Phase auf unsere Seite hätte switchen können. Aber dann killt uns die Überzahlsituation, der THW Kiel zog bis auf 14:7 weg und ich musste schnell zwei Auszeiten verbraten. Das 20:11 zur Pause machte es fast schon zur Mission Unmöglich für uns, der Rucksack und die Hypothek war zu groß.