Enorme Willensleistung: THW Kiel holt zwei Punkte gegen Melsungen
Die Akkus leer, die Beine schwer - und trotzdem bleiben die Zebras auf Kurs: Drei Tage nach dem Viertelfinal-Aus in der EHF Champions League besiegte der THW Kiel in einem Nachholspiel vom 13. Spieltag in der LIQUI MOLY Handball-Bundesliga die MT Melsungen knapp mit 29:28 (13:11). Angeführt vom überragenden Steffen Weinhold (7 Tore) und dem achtfachen Torschützen Sander Sagosen holten die Kieler gegen die mit Nationalspielern gespickte Mannschaft aus Nordhessen zwar einen Start-Ziel-Sieg, der am Ende aber noch zu einer Zitterpartie wurde: Niklas Landin entschärfte mit der Sirene den finalen Wurf von Kai Häfner, für ausgiebigen Jubel fehlte den Zebras allerdings trotz der Riesen-Willensleistung die Kraft.
THW mit starkem Beginn
Steffen Weinhold zeigte eine überragende Partie
In der erneut leeren Wunderino Arena kamen die Zebras gut in die Partie: Sagosen und Weinhold legten ein schnelles 2:0 vor, und auch nach dem 3:3 der Gäste durch Allendorf waren die Kieler weiter am Drücker. Niklas Landin hielt einen Siebenmeter von Reichmann, und nachdem Kühn zum 4:5 getroffen hatte, zeigte der Däne gegen Kühn und erneut Reichmann wieder seine ganze Klasse: Hendrik Pekeler und Domagoj Duvnjak erhöhten auf 8:4 (14.). Mit purem Willen erzielte Sagosen gegen die bereits jetzt viel energischer zupackende MT-Deckung das 10:6, bevor Kastening und Reichmann binnen Sekunden auf 8:10 verkürzen konnten.
Dominante Zebras verspielen höhere Führung
Vier Treffer vor, vier nach der Pause: Sander Sagosen
Was folgte, war die vielleicht beste Phase der Zebras in dieser Partie: Duvnjak klaute den Ball, Sven Ehrig traf zum 11:8. Pavel Horak klaute den Ball, Sven Ehrig traf zum 12:8. Als dann auch noch Magnus Landin nach einem technischen Fehler der Gäste das wegen der MT-Unterzahl leere Gehäuse der Melsunger traf und auf 13:8 erhöhte (26.), waren die Kieler in scheinbar sicherem Fahrwasser. Allerdings trügte der Schein, und auch die Nordhessen zeigten ihre Klasse: Bis zum Wechsel sollte den Schwarz-Weißen kein Tor mehr gelingen, weil Silvio Heinevetter immer besser in die Partie fand und der THW-Angriff sich an der massiven Abwehr der Gäste abarbeitete. Die Folge: Maric traf kurz vor dem Wechsel zum 11:13-Halbzeitstand - die Begegnung war nach 30 intensiven Minuten wieder vollkommen offen.
Häfner und Maric drehen auf
Kai Häfner und Marino Maric sorgten für permanenten Druck auf die THW-Abwehr
Auch im zweiten Durchgang erwischten die Zebras den besseren Start, gingen durch einen Doppelschlag von Weinhold und des nun immer mehr auf die Zähne beißenden Kapitän Duvnjak mit 16:12 in Führung. Die Gäste hatten ihrerseits nun in Julius Kühn einen steten Störenfried für die THW-Abwehr in ihren Reihen, und weil Heinevetter immer häufiger das Stoppschild für Kieler Angriffsbemühungen darstellte, konnte sich der THW nicht weiter absetzen. In der Defensive bekamen die Kieler zudem immer mehr Probleme mit Kai Häfner: Der Nationalspieler riss das Heft des Handelns an sich, fand immer wieder Marino Maric am Kreis oder traf selbst. Zudem gelang es dem THW Kiel nicht, sich für seine leidenschaftliche Abwehrarbeit zu belohnen: Irgendwie fand der Ball doch immer noch einen Spieler im roten Trikot.
Partie wird zum Nervenspiel
60 Minuten Dauer-Einsatz: Hendrik Pekeler
So wogte die Partie hin und her, die Zebras lagen - auch durch den treffsicheren Siebenmeter-Schützen Niclas Ekberg, immer wieder mit vier Toren vorn, die MT ließ sich trotzdem nicht abschütteln. Spätestens ab der 50. Minute wurde die Begegnung dann auch zu einem Nervenspiel, in dem der THW Kiel dank Duvnjak, der mit dem letztmöglichen Wurf bei drohendem Zeitspiel das 25:22 erzielte, Sagosen (26:23) und Weinhold (27:24) die Oberhand zu behalten schien. Längst hatte Jicha im Angriff den siebten Feldspieler gebracht, um kraftsparender agieren zu können. Längst war die Abwehr um Chef Hendrik Pekeler im roten Bereich, kämpfte trotzdem um jeden Zentimeter. Und doch schien das Momentum auf Seite der Gäste zu wechseln.
Vier Tore im zweiten Durchgang: Domagoj Duvnjak
Kastening hatte zum 25:27 getroffen, wenige Sekunden später spritzte der National-Mannschafts-Rechtsaußen in einen Duvnjak-Pass und traf zum 26:27 ins leere Kieler Tor. Drei Minuten vor dem Ende wurde es nun richtig dramatisch. Weinhold zum 28:26, Kastening per Siebenmeter zum 28:27. Dann tankte sich Sagosen mit letzter Kraft zum 29:27 durch, die Entscheidung war das aber nicht, weil Kastening mit seinem vierten Treffer in Serie postwendend verkürzte. Eine Minute vor dem Ende war der THW Kiel im Angriff, Heinevetter hielt gegen Weinhold - doch den Abpraller sicherte Magnus Landin. Ballbesitz für die Schwarz-Weißen, Auszeit Jicha. Melsungen stellte Niclas Ekberg eine Wurffalle, Heinevetter hielt gegen den Schweden: Fünf Sekunden vor dem Ende drohte den Kielern ein Punkt aus den Händen zu gleiten. Doch Niklas Landin entschärfte Häfners Wurf, drehte ihn mit dem Fuß um den Pfosten: Heimsieg!
Montag bereits in Lemgo
Applaus für die eigene Energie-Leistung: Montagabend sind die Zebras schon wieder gefordert
Die Zebras bekommen auch über Pfingsten keine Gelegenheit, zu verschnaufen: Bereits am Montag, 48 Stunden nach dem heutigen Heimspiel, ist der THW Kiel wieder gefordert: Beim derzeit vor Selbstbewusstsein nur so strotzenden TBV Lemgo Lippe beenden die Kieler ab 20:30 Uhr (live auf Sky) offiziell die Hinrunde der LIQUI MOLY Handball-Bundesliga. Am Sonntagmittag wird THW-Trainer Filip Jicha seine Mannschaft zum Abschlusstraining versammeln, danach geht es per Bus zum Nachholspiel nach Ostwestfalen. Weiter geht's in Lemgo, Kiel!
LIQUI MOLY HBL, 13. Spieltag: THW Kiel - MT Melsungen: 29:28 (13:11)
THW Kiel: N. Landin (1.-60., 8/1 Paraden), Quenstedt (n.e.); Ehrig (2), Duvnjak (5), Sagosen (8), Reinkind (1), M. Landin (1), Sunnefeldt, Weinhold (7), Ekberg (3/3), Ciudad (n.e), Dahmke, Zarabec, Voigt (n.e.), Horak, Pekeler (2); Trainer: Jicha
MT Melsungen: Heinevetter (1.-60., 13 Paraden), Simic (1 Siebenmeter, keine Parade); Maric (5), Kühn (6), Lemke, Komenhans, Reichmann (1), Kunkel, Mikkelsen, Danner, Arnarsson (1), Allendorf (2), Häfner (6), Salger, Kastening (7/3), Pavlovic; Trainer: Gudmundsson
Schiedsrichter: Martin Thöne / Marijo Zupanovic
Zeitstrafen: THW: 1 (M. Landin (28.)) / MT: 2 (Arnarsson (14.), Allendorf (24.))
Siebenmeter: THW: 3/3 / MT: 4/3 (Landin hält Reichmann (6.))
Spielfilm: 2:0 (3.), 3:1, 3:3 (8.), 5:4, 8:4 (14.), 10:6 (19.), 10:8 (22.), 13:8 (26.), 13:11;
14:12 (32.), 16:12 (34.), 17:14, 19:14 (39.), 19:16, 21:17 (42.), 21:19, 23:19 (49.), 23:21 (49.), 25:23 (52.), 26:24, 27:26 (57.), 29:27 (58.), 29:28 (60.).
Zuschauer: keine (Wunderino Arena, Kiel)
Stimmen zum Spiel:
THW-Trainer Filip Jicha: Ich bin enorm stolz auf meine Mannschaft, die auf die Zähne beißt. Jeder bei uns ist mehr oder weniger angeschlagen, das heute war wieder eine Energieleistung gegen gut aufgelegte Melsunger. Nach dem bitteren Champions-League-Aus hatten wir viel Respekt vor der MT, deshalb ist die Leistung meiner Mannschaft noch höher zu bewerten. Die zwei Punkte zählen, jetzt werden und müssen wir uns einschwören auf das, was kommt. Morgen gibt es ein kurzes Reha-Training, dann fahren wir schon nach Lemgo. Wir müssen weiter durchziehen, auch deshalb sage ich "Chapeau" zu meinen Jungs.
MT-Trainer Gudmundur Gudmundsson: Glückwunsch an Filip und den THW Kiel. Das war eine enge Kiste. Wir sind nicht gut ins Spiel gekommen, waren zu langsam am Anfang. So konnte sich Kiel mit vier Toren absetzen. Trotzdem lagen wir zur Pause nur mit zwei Toren zurück, wir haben uns dann - vor allem im Angriff - immer mehr gesteigert während des Spiels. Probleme hat uns das Sieben-gegen-Sechs der Kieler gemacht, die immer wieder durch die Mitte gekommen sind. Ich bin trotzdem stolz auf meine Mannschaft, die sehr gut gespielt hat. Heute war mehr drin, wir hätten einen Punkt holen müssen - aber so ist das Leben.