Derbysieger! THW Kiel ringt Flensburg nieder
Mit großer Moral und Leidenschaft hat der THW Kiel am Donnerstagabend die SG Flensburg-Handewitt bezwungen. Nach einer starken ersten Hälfte, die mit einer 18:13-Führung für die Zebras endete, sorgte eine siebenminütige THW-Torflaute zu Beginn des zweiten Durchgangs wieder für atemlose Spannung. Aus dieser Situation kämpften sich die Kieler - auch dank starker Paraden von Niklas Landin - dann selbst wieder heraus, und mit Unterstützung der 10.285 euphorischen Fans in der ausverkauften Sparkassen-Arena feierten sie letzlich einen verdienten 28:24-Erfolg. Beste Torschützen waren Lukas Nilsson und Niclas Ekberg mit je fünf Treffern
Machte Dauerdruck: Lukas Nilsson
Mehr als zehntausend Fans in der Arena, Liveübertragungen von Sky und dem dänischen Sender TV 3 Sport, bei dem der Ex-Flensburger Joachim "Traktor" Boldsen als Experte für Stimmung sorgte, ein großes Medienaufgebot und der Jubel über die Vertragsverlängerung von THW-Kapitän Domagoj Duvnjak (siehe Extra-Bericht): Alles war angerichtet für das Spiel der Spiele im Land zwischen den Meeren. Und dieses nahm sofort Fahrt auf: Der THW Kiel ging schnell 2:0 und 4:2 in Führung, kassierte aber beinahe ebenso schnell jeweils den Ausgleich. Doch davon ließen sich die Zebras nicht beeindrucken: Vor allem Lukas Nilsson sorgte mit tollen Anspielen und krachenden Würfen für Dauerdruck auf die SG-Abwehr, die in Bergerud aber einen starken Rückhalt hatte. Und weil die Kieler aus den Ballgewinnen zunächst zu wenig machten, blieb der Titelverteidiger dran.
THW erarbeitet sich klare Pausenführung
Wille und Leidenschaft: Niclas Ekberg
Das änderte sich nach gut 20 Minuten, als die Zebras aus ihrer kämpferischen wie spielerischen Überlegenheit im ersten Durchgang endlich Kapital schlagen konnten: Nilsson traf bei drohendem Zeitspiel zum 12:10, Harald Reinkind jagte den Ball nach einem Nikola-Bilyk-Steal zum 13:10 in die Maschen, der zwischenzeitlich ins Tor beorderte Dario Quenstedt hielt gegen Jurecki, und Hendrik Pekeler verwandelte den Gegenstoß zur ersten Vier-Tore-Führung. Nach 24 Minuten riss es die THW-Fans erstmals komplett aus den Sitzen, weil die Kieler auch nicht nachließen. Magnus Landin bezwang Bergerud aus ganz spitzem Winkel zum 15:11, und nach einem Traumanspiel von Patrick Wiencek machte der Däne auch gleich noch das 16:12. Als Quenstedt dann gegen Wanne parierte und Nikola Bilyk den Gegenstoß mit 107 km/h in den Winkel hämmerte, brodelte die Atmosphäre unter dem Hallendach - nach einem weiteren Bilyk-Treffer nahm der THW Kiel beim 18:13 eine Fünf-Tore-Führung und das Gefühl, eine ganz starke erste Häfte gespielt zu haben, mit in die Pause.
Kiel verschläft den Neustart
Goran Sögard Johannessen brachte die SG wieder heran
Doch Derbys sind selten zur Halbzeit entschieden - das mussten die Zebras nach Wiederanpfiff schmerzlich erfahren. Sie leisteten sich technische Fehler, nutzten ihre Möglichkeiten nicht, hatten Riesen-Probleme mit der 5-1-Deckung der Gäste. Ganze sieben Minuten brauchte die SG, um auszugleichen. THW-Trainer Filip Jicha reagierte mit einer Auszeit, brachte Niklas Landin für Quenstedt und ordnete die Reihen. Mit Erfolg: Wenige Sekunden später brach Nilsson den Torbann, und in Überzahl klaute Ekberg den Ball, um ihn dann im leeren Kasten der Flensburger unterzubringen. Jetzt war es ein Derby, wie man es kennt. In dem es um Zentimeter geht, um Nuancen, in dem jeder kleine Fehler bestraft wird und deshalb entscheiden sein kann. Oder aber eine gute Aktion.
Abwehr setzt die Akzente
Kampf um jeden Ball: Die Kieler Abwehr sorgte für Druck
Und für die sorgte Niklas Landin: Nach dem neuerlichen Ausgleich der Flensburger hatte Magnus Landin getroffen, sein älterer Bruder mit einer Großtat gegen Steinhauser die Arena wieder richtig auf Betriebstemperatur gebracht. Und doch ließ sich der Titelverteidiger nicht abschütteln, traf zum 22:22 und 23:23 - postwendend gekontert von Pekelers Schneller Mitte. Jetzt war es die Kieler Abwehr, die die Akzente setzte. Die die Flensburger beweglich ins drohende Zeitspiel trieb, die verdichtete, die blockte. Vorn holte Weinhold einen Siebenmeter heraus, den Ekberg zum 25:23 verwandelte. Hinten klaute Pekeler den Ball und traf zum 26:23 in den verwaisten SG-Kasten - sieben Minuten vor dem Ende hatten sich die Zebras selbst aus ihrem Tal befreit - und bekamen frenetische Unterstützung von den Rängen.
Landin räumt Zweifel beiseite
Schluss. Derbysieger!
Langsam aber sicher stellte die THW-Defensive die Weichen auf Derbysieg, auch wenn Röd mit dem letzten Ballkontakt vor dem Zeitspiel auf 24:26 verkürzen konnte. Es sollte der einzige Flensburger Treffer in den letzten zehn Minuten der Partie bleiben, weil Landin gegen Zachariassen hielt, weil Landin Steinhauser einen freien Ball abkaufte. Weil jeder in der schwarz-weißen Abwehr Lücken zustellte, weil jetzt wieder jeder Kieler auf dem Feld und auf den Rängen an den Erfolg glaubte. Fünf Minuten lang änderte sich nichts auf der Anzeigetafel, dann sorgte Nilsson mit dem 28:24 in der Schlussminute für ohrenbetäubenden Jubel: "Oh wie ist das schön" - die Gesänge ihrer Fans begleiteten die Kieler Spieler bis in ihre Kabine. Der THW Kiel hatte das Derby für sich entschieden - und zwei ganz wichtige Punkte in der LIQUI MOLY Handball-Bundesliga eingefahren.
Sonntag: Kracher zum Start in die Königsklasse
Für die "Zebras" geht es bereits am Sonntag mit dem nächsten Heimspiel weiter - und das wird es in sich haben: 511 Tage nach dem letzten Königsklassen-Spiel in der Sparkassen-Arena kehrt die VELUX EHF Champions League zurück in den Handball-Tempel! Der Neustart auf der europäischen Bühne wird gleich ein Kracher: Zu Gast ist der letztjährige VELUX EHF Final4-Teilnehmer und Champion 2016, PGE Vive Kielce aus Polen. Das Pikante: Sein erstes großes Spiel für den polnischen Topclub auf internationaler Eben wird Andreas Wolff, zuvor drei Jahre lang beim THW Kiel, ausgerechnet an alter Wirkungsstätte bestreiten.
Noch Tickets verfügbar
Für die Partie, die von der EHF als "Spiel der Woche" deklariert wurde und am Sonntag um 19 Uhr angepfiffen wird, gibt es noch Tickets in allen Kategorien. Diese sind in der THW-FANWELT (Ziegelteich 30, Sonntag ab 16 Uhr geöffnet), an allen bekannten Vorverkaufsstellen (in Kiel zum Beispiel bei CITTI, im Ticketcenter der Arena oder in den famila-Märkten mit Ticketverkauf), an der telefonischen Hotline 01806 30 02 34 (0,20 Euro/Anruf aus dem dt. Festnetz, max. 0,60 Euro/Anruf aus dem deutschen Mobilfunknetz) und rund um die Uhr im Online-Ticketshop erhältlich. Dieser bietet - so verfügbar - bis kurz vor Anpfiff noch Karten an, durch das Print@Home-Prinzip kann man das gekaufte Ticket sofort selbst ausdrucken. "Wir sind endlich zurück, jetzt freuen wir uns auf die Königsklasse und unsere Fans", sagt THW-Kapitän Domagoj Duvnjak. Auf geht's, Kiel!
LIQUI MOLY HBL, 5. Spieltag, 12.09.2019: THW Kiel - SG Flensburg-Handewitt: 28:24 (18:13)
THW Kiel: N. Landin (1.-16., 37.-60., 9 Paraden) , Quenstedt (16.-37, 4 Paraden); Duvnjak, Reinkind (3), M. Landin (4), Kristjánsson, Weinhold (2), Wiencek (2), Ekberg (5/3), Rahmel (n.e.), Dahmke (n.e.), Zarabec, Horak, Bilyk (3), Pekeler (4), Nilsson (5); Trainer: Jicha.
SG Flensburg-Handewitt: Buric (n.e.), Bergerud (1.-60., 10 Paraden); Golla (3), Hald, Glandorf, Svan (1), Wanne (2/1), Jeppsson (1), Jöndal (3), Steinhauser (2), Versteijnen, Zachariassen (2), Johannessen (5), Gottfridsson (1), Jurecki, Röd (4); Trainer: Machulla
Schiedsrichter: Robert Schulze / Tobias Tönnies
Strafzeiten: THW: 2 (Weinhold (13.), Wiencek (37.)) / SG: 7 (Golla (11.), Svan (15.), Hald (25.), Jurecki (26.), Zachariassen (34.), Röd (38.), Jöndal (52.))
Siebenmeter: THW: 3/3 / SG: 1/1
Spielfilm: 2:0, 2:2 (3.), 4:2, 4:4 (8.), 6:4, 7:5 (12.), 9:7, 11:10 (21.), 14:10 (24.), 15:12 (27.), 17:12 (29.), 18:13;
18:18 (37.), 20:18 (39.), 20:20 (43.), 22:20 (46.), 22:22 (49.), 23:23, 26:23 (53.), 27:24 (55.), 28:24 (60.).
Zuschauer: 10.285 (ausverkauft) (Sparkassen-Arena, Kiel)
Stimmen zum Spiel:
THW-Trainer Filip Jicha: Das war ein Spiel der verschiedenen Halbzeiten. Unsere erste Halbzeit war eine der besten, die wir bisher in dieser Saison abgeliefert haben. Wir haben mit wirklich unglaublichem Elan und genug Aggressivität gespielt, sodass wir Flensburg in die Situationen zwingen konnten, in denen wir sie haben wollten. Die zweite Hälfte mit fünf Gegentreffern in Folge zu beginnen, damit können wir nicht zufrieden sein. Da haben wir uns in fünf Minuten die Arbeit einer ganzen Halbzeit zunichte gemacht. Darüber müssen wir sprechen. Aber man muss auch Flensburg loben, die ein starkes Spiel abgeliefert haben. Mit der 5-1-Deckung kam die SG richtig in Fahrt. Wichtig war, die Ruhe zu bewahren, Cleverness zu zeigen. Meine Jungs haben einen Riesen-Kampf geliefert, einen Riesen-Charakter gezeigt, das hat mich sehr glücklich gemacht. Ich bin sehr froh, dass wir dieses Spiel für uns entscheiden konnten. Und ich freue mich für meine Mannschaft über den Erfolg, weil wir diese zwei Punkte verdient hatten.
SG-Trainer Maik Machulla: Wir sind mit sehr viel Mut und sehr viel Selbstvertrauen angereist und wollten unbedingt zwei Punkte holen. Gerade die ersten 15 Minuten kassieren wir zu viele einfache Tore, da fehlte mir die Bereitschaft und die Aggressivität in der Abwehr. Über 60 Minuten hinweg haben wir uns einfach zu viele Fehler geleistet, die Kiel natürlich eiskalt bestraft hat. Dementsprechend war die deutliche Halbzeitführung der Kieler auch verdient. Im zweiten Abschnitt sind wir gut herangekommen und konnten ausgleichen, haben da mit sehr viel Moral und Mut gespielt. Beim 23:23 verpassen wir es dann, den THW noch mehr zum Nachdenken zu bringen. Dass wir da den Sack nicht zugemacht haben, ärgert mich. In der Summe waren es einfach zu viele Fehler. In der zweiten Halbzeit habe ich dennoch viele gute Momente meiner Mannschaft gesehen und darauf lässt sich aufbauen. Kiel hat bewiesen, dass mit ihnen dieses Jahr definitiv zu rechnen ist.
THW-Kapitän Domagoj Duvnjak bei Sky: Die ersten Minuten der zweiten Halbzeit haben wir verschlafen und fünf Gegentreffer in Folge kassiert. Das ist uns schon in Magdeburg passiert, aber dieses Mal haben wir das Spiel für uns entscheiden können. Durch die Niederlage in Magdeburg standen wir unter Druck. Aber mit so einem Druck müssen wir leben, weil wir jedes Spiel gewinnen wollen. Ich fühle mich in Kiel sehr wohl und bin sehr glücklich, dass alles mit der Vertragsverlängerung funktioniert hat und ich werde immer weiter für Kiel kämpfen.
SG-Spieler Jim Gottfridsson bei Sky: Ich glaube, dass 80 Prozent unserer technischen Fehler von mir begangen wurden. Ich hoffe, mir passiert so ein Tag nicht mehr wieder. Aber so etwas kann natürlich im Sport vorkommen. Wir haben nun gegen Kiel verloren, aber bei uns in Flensburg werden wir nicht die Köpfe in den Sand stecken. Kiel ist Titel-Favorit dieses Jahr. Wir kämpfen einfach weiter und wollen in allen Bereichen besser werden.
THW-Geschäftsführer Viktor Szilagyi: Mir hat sehr gut gefallen, wir dieses Spiel angegangen sind. Durch die 5-1-Abwehr ist dann die Flensburger Qualität deutlich geworden. Da haben wir uns nicht gut bewegt und haben die Chancen nicht verwertet. Aber es war beeindruckend, wie die Mannschaft sich da selbst rausgezogen hat. Sehr viel Kampf, sehr viel Bereitschaft und Landin haben dann den Ausschlag zu unseren Gunsten gegeben. Es war ein tolles Derby, ein tolles Handballspiel.
SG-Geschäftsführer Dierk Schmäschke: Mit dem Fünf-Tore-Rückstand zur Pause hatten wir ein ziemlich dickes Brett zu bohren. In der zweiten Halbzeit kämpfen wir uns zurück ins Spiel und hatten die Chance, in Führung zu gehen. Dieses Derby hat alles geboten, was man sich von ihm erwartet. Leider haben wir ein paar Fehler zuviel gemacht.
THW-Kreisläufer Hendrik Pekeler bei Sky: Wir haben den Beginn der zweiten Hälfte verschlafen, und so bleibt das Spiel dann bis zum Ende spannend. Uns hat dann eine entscheidende Aktion geholfen, die uns wieder Selbstvertrauen geschenkt hat. Wir standen vor dem Spiel enorm unter Druck, denn wir wollten nicht wieder mit vier Minuspunkten der Tabellenspitze hinterherrennen.