KN: Kiel verneigt sich vor Alfred Gislason
Kiel. Er hat einen Sechs-Tore-Rückstand im Champions-League-Finale gedreht, die deutsche Meisterschaft im Herzschlagfinale mit nur zwei Toren Vorsprung gewonnen und seine Mannschaften mit kühlem Kopf durch so manches Finale dirigiert. An Coolness war Alfred Gislason dabei selten zu überbieten. Aber jetzt, direkt vor seinem letzten Auftritt vor den Fans des THW Kiel (heute, 19 Uhr in der Sparkassen-Arena), ist er doch nervös.
THW und seine Fans verabschieden heute Abend den langjährigen Erfolgstrainer
"Ich bin gestresster als vor all meinen Endspielen", gab der Isländer gestern zu - kurz nachdem er, aus dem zehn Grad frischen Norden Islands kommend, bei 35 Grad in Hamburg gelandet war. Zeit der Gegensätze für den 59-Jährigen, der nach einem Sommer ganz ohne Handball heute noch einmal eintaucht in die Welt des THW Kiel, bei dem er elf Jahre lang Trainer war und mit dem er 20 Titel feierte. Er ist der erste Trainer der Zebras, dem die Ehre eines eigenen Abschiedsspiels zuteil wird. Gleichzeitig ist es ein Abschied von der Bundesliga, in der Gislason insgesamt 27 Jahre als Spieler und Trainer aktiv war.
Welchen Namen er sich in dieser Zeit gemacht hat, lässt sich bei einem Blick auf die Aufstellungen für sein Abschiedsspiel mit dem Titel "þakka þér Alfred!" (Danke, Alfred!) schnell ermessen. Seine ehemaligen Spieler kommen in Scharen.
Aus der legendären Mannschaft, die in der Spielzeit 2011/12 ohne Minuspunkte zum Meistertitel marschierte, fehlen nur Tobias Reichmann und Torwart Thierry Omeyer. Der Franzose, der bei Paris St. Germain gerade seine Karriere beendet hat, musste sich kurzfristig an der Schulter operieren lassen. Passen muss auch THW-Ehrenspielführer Stefan Lövgren mit Fußproblemen. Für Omeyer sprang spontan Nikolas Katsigiannis ein. Lövgrens Platz wird Filip Jicha einnehmen. Der neue THW-Trainer, der seinen Platz an der Seitenlinie eigentlich nicht mehr verlassen wollte, macht Gislason zuliebe eine Ausnahme und streift sich noch einmal ein Trikot mit der Nummer 39 über.
"Wir sind alle nur aus einem einzigen Grund da – wir wollen Alfred ehren und zeigen, was für einen Respekt wir vor ihm haben", sagt Jicha, der von 2008 bis 2015 in Gislasons Zebra-Kader stand und nach einer Saison als Co-Trainer an der Seite des Isländers Anfang des Monats dessen Chefcoach-Amt übernahm. Und auch wenn Gislason vergangene Woche bei einem Besuch in Kiel mal beim Training des „neuen“ THW vorbeischaute – Tipps verteilte er keine. "Alfred ist erfahren genug, nichts zu sagen", sagt Jicha, der am Abschieds-Abend noch einmal den Wechsel aus der Rolle des Spielers zu der des Trainers vollziehen wird.
Zunächst tritt er im Trikot der "THW-Allstars" gegen das "Team Alfred" (unter anderem mit Henning Fritz, Bennet Wiegert, Stefan Kretzschmar, Karol Bielecki und Olafur Stefansson) an. Dann wechselt er in den Trainer-Modus und steht mit der aktuellen Zebraherde noch einmal den Allstars gegenüber. Gespielt werden beide Partien über eine deutlich reduzierte Spielzeit. Dazwischen kommen zahlreiche Weggefährten Gislasons zu Wort, und auch der Isländer selbst spricht über seine Zeit in Kiel. "Ich freue mich vor allem darauf, all meine alten Spieler wiederzusehen", sagt Gislason, der es normalerweise meidet, im Mittelpunkt zu stehen. "Ich weiß eigentlich gar nicht, was auf mich zukommt. Aber es ist in Ordnung, wenn meine alten Spieler mal die Gelegenheit bekommen, mich durch den Kakao zu ziehen."
Ob sie das tun, können Handball-Fans heute Abend auch außerhalb des Kieler Handballtempels live unter www.handball-deutschland.tv verfolgen. In der Sparkassen-Arena führen Torben Pöhls und Anett Sattler durch die Veranstaltung, für die bisher rund 9000 Karten verkauft wurden. Tickets gibt es heute an den bekannten Vorverkaufsstellen, unter anderem unter www.kntickets.de, sowie bis zum Veranstaltungsbeginn an der Abendkasse.
(Von Merle Schaack, aus den Kieler Nachrichten vom 26.07.2019, Foto: Sascha Klahn)