"Wie alles begann": Mit Biss nach ganz oben
Auch Zebras haben einmal klein angefangen. In der Serie "Wie alles begann" erzählen die Profis des THW Kiel, wie sie zum Handball gekommen sind und ihre steilen Karrieren ins Rollen gebracht haben. Torwart Andreas Wolff berichtet, welches Erlebnis ihn noch härter für seinen Traum vom Handball-Profi arbeiten ließ.
Wer zuletzt lacht ...
Die Torwartposition ist in Kinder- und Jugendmannschaft oftmals die, die am schwersten zu besetzen ist, weil das Bestreben, in der Abwehr zu schuften und im Angriff für Tore zu sorgen, meist größer ist als der Wunsch, alleine zwischen den Pfosten zu stehen. Nicht so bei Andreas Wolff, der schon früh seine Bestimmung fand, wie er für ZEBRA zurückblickt: "Ich habe mit fünf Jahren angefangen, Handball zu spielen und von Beginn an im Tor gestanden. Ich war damals der Neue und noch nicht so warm mit den anderen. Deshalb habe ich dann gesagt, dass ich erstmal ins Tor gehe. Das hat mir so gut gefallen, dass ich da nicht mehr rausgegangen bin."
Ein großes Verlangen, außerhalb des Sechs-Meter-Kreises zu spielen, hat der 28-Jährige auch heute noch nicht. "Durch die neuen Regeln kommen wir Torhüter ja inzwischen auch dazu, Tore zu werfen. Damit sind alle Vorteile, die die Feldspieler sonst hatten, ausgeglichen. Deshalb kann ich mich nun nicht mehr beklagen", sagt Wolff mit einem Augenzwinkern.
Wer den gebürtigen Euskirchener kennt, der weiß, dass er bis in die Haarspitzen ehrgeizig ist. Das war auch als Kind schon so, denn seinen heutigen Beruf hatte er sich damals bereits fest in den Kopf gesetzt: "Es fing früh an. Mit elf oder zwölf Jahren beschloss ich, dass ich Profihandballer werden möchte. Ich weiß, dass einige damals noch gelacht haben. Jetzt finde ich das sehr amüsant, wenn ich daran zurückdenke." Wer zuletzt lacht, lacht eben am längsten ...
Und so kam - trotz des einen oder anderen Zweiflers in seinem Umfeld - für Andreas Wolff nie ein anderer Beruf in Frage. "Dadurch, dass ich mich so früh für Handball entschieden habe, habe ich mich nie ernsthaft mit einer anderen Option beschäftigt und wüsste momentan auch gar nicht, was ich machen sollte, wenn ich kein Handball spielen würde."
Diese Frage muss sich Wolff derzeit auch nicht stellen. Mit dem THW Kiel mischt er aktuell noch in allen drei Wettbewerben der laufenden Saison oben mit, und mit der deutschen Handball-Nationalmannschaft spielte er sich während der Heim-Weltmeisterschaft im Januar erneut in die Herzen von Millionen von Fans, erreichte am Ende einen starken vierten Platz.
Doch wer meint, dass der Weg an die Weltspitze für Andreas Wolff ein Spaziergang war, der irrt. Als Kind war der heutige Spitzensportler noch nicht in jeder Disziplin, die der Handball mit sich bringt, zu Hause, wie er sich erinnert: "Ich war kein sehr guter Läufer, und bei einer Talent-Sichtung in der Region Mittelrhein hatte ich beim Lauftest sehr schlecht abgeschnitten. Um mich zu motivieren, haben mir die Trainer damals gesagt, dass sie mich nicht einladen, wenn ich im Laufen nicht besser werde. Mein Potential im Tor hatten sie hingegen von Anfang an erkannt."
Dieser taktische Schachzug fruchtete, und Wolff widmete sich noch intensiver seinem große Traum vom Profidasein. "Daraufhin habe ich angefangen, hart zu trainieren. Ich bin täglich laufen gegangen, habe die harte Arbeit für mich entdeckt und Gefallen daran gefunden, körperlich an meine Grenzen zu gehen", sagt er und sieht in dem Trainer-Trick eine Art Initialzündung - für seinen Trainingseifer ist Andreas Wolff bis heute bekannt. "Ich lebe meinen Traum. Ich habe den ganzen Tag Zeit, zu trainieren, und freue mich jeden Tag, ins Training gehen zu können. Ich liebe diesen Sport, ich liebe das Training - es ist genau so, wie ich es mir immer erträumt habe."
Mit Wolffs Aufstieg in die Torwart-Elite sind ein paar Namen eng verknüpft, die wichtige Wegbegleiter für ihn waren: "Zu nennen ist da auf jeden Fall Gottfried Kunz, der ehemalige Trainer des TV Kirchzell, der mich sehr geprägt hat und der mich mit 16 Jahren in die Region Kirchzell/Großwallstadt geholt und dort auch teilweise ein wenig meine Erziehung übernommen hat. Und später in Wetzlar dann natürlich die spanische Torwart-Legende José Hombrados sowie Torwarttrainer Jasmin Camd- zic, die mir zusammen die höhere Torwartschule beigebracht haben."
Heute zählt Andreas Wolff, der 2016 seinen bislang größten Triumph feierte, als er maßgeblichen Anteil am sensationellen Europameister-Titel der deutschen Mannschaft hatte, unbestritten selbst zur Riege der ganz Großen im Handballtor. Doch auch wenn er mit dem THW Kiel und der DHB-Auswahl schon so manch schweres und bedeutendes Spiel bestritten hat, sind ihm noch andere, ganz persönliche Meilensteine seiner Karriere im Kopf geblieben - abseits von Titeln und Triumphen: "Ich erinnere mich gerne an mein zweites Regionalligaspiel zurück, bei dem ich sehr gut gehalten habe und unter Beweis stellen konnte, dass ich schon mit 17 Jahren soweit war, bei den Männern mitspielen und mithalten zu können", erzählt er. "Und dann war da natürlich mein erstes Bundesligaspiel in Dormagen. Das erste Mal, dass ich ein überragendes Spiel über sechzig Minuten abgeliefert habe, war mit dem TV Großwallstadt gegen Göppingen. Aber auch die Europameisterschaft in Polen und das erste Heimspiel in der Sparkassen-Arena waren wichtige Momente für mich."
Auch in den Momenten, in denen er nach Spielen geduldig die zahlreichen Autogramm- und Fotowünsche seiner vielen Fans erfüllt oder er Zuschauer in seinem Trikot auf der Tribüne sieht, lässt Andreas Wolff das eine oder andere Mal auf seine eigene Unterschriften-Jagd aus Kindertagen zurückblicken: "Diese Momente sind für mich jedes Mal eine Erinnerung daran, dass ich immer davon geträumt habe, diesen Traum vom Profi-Handballer irgendwann auch einmal zu leben."